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Politik

Orban hilft vorbestraftem Gruevski

16. November 2018

Ungarns Regierung hat den verurteilten mazedonischen Ex-Premier Gruevski über Albanien, Montenegro und Serbien nach Ungarn gebracht. Die unabhängige ungarische Öffentlichkeit ist entsetzt, die Regierung wiegelt ab.

Mazedoenien, Skopje: Nicola Gruevski und Viktor Orban
Echte Männerfreundschaft - Gruevski (li.) und "Beschützer" Orban Bild: Getty Images/AFP/R. Atanasovski

Mazedoniens rechtskräftig verurteilter Ex-Regierungschef Nikola Gruevski ist mit Hilfe ungarischer Behörden über Albanien, Montenegro und Serbien offenbar illegal nach Ungarn gebracht worden. Die Regierung des ungarischen Premiers Viktor Orbán gerät damit in der Affäre um die Flucht Gruevskis aus seiner Heimat immer mehr in den Verdacht, Beihilfe zum Menschenschmuggel und zur illegalen Einreise nach Ungarn geleistet zu haben.

Damit hätte Ungarns Regierung nicht nur gegen geltendes Recht und gegen die ungarische Asylgesetzgebung, sondern möglicherweise sogar gegen die kürzlich geänderte Verfassung verstoßen, die Einwanderung unter der Formulierung "Ansiedlung fremder Volkschaft" verbietet. Wegen des Verdachtes auf diese Straftaten erstattete der unabhängige ungarische Parlamentsabgeordnete Ákos Hadházy gestern in Budapest Anzeige gegen unbekannt.

Flucht ohne Reisepass

Nach Informationen der albanischen und montenegrinischen Polizei, die Viktor Orbáns Kanzleiminister Gergely Gulyás gestern in Budapest teilweise bestätigte, bekundete Gruevksi am vergangenen Wochenende in der ungarischen Botschaft in Tirana seinen Asyl-Wunsch. Daraufhin reiste er am Sonntag (11.11.) im Diplomatenwagen über Montenegro nach Serbien und von dort aus weiter nach Ungarn. Gruevskis Reisepass ist letztes Jahr von der mazedonischen Polizei eingezogen worden. Er kann zwar legal nach Albanien, Montenegro und Serbien reisen, nicht jedoch nach Ungarn oder in andere EU-Länder - dafür benötigt er einen Reisepass.

Auch diesmal wieder Feindbild: Soros ist sowohl Orban als auch Gruevski ein Dorn im Auge Bild: Reuters/B. Szabo

Laut Informationen, die die Deutsche Welle von der montenegrinischen Polizei erhielt, reiste Gruevski am Sonntag kurz nach 19 Uhr über den Grenzübergang Bozaj nach Montenegro ein. Begleitet wurde er dabei von den beiden in Tirana stationierten ungarischen Diplomaten Antal Kulcsár und Csaba Várfalvai. Nach einem Wagenwechsel in Podgorica verließ Gruevski Montenegro knapp drei Stunden später am Grenzübergang Dobrakovo in Richtung Serbien, begleitet von den in Montenegro stationierten Diplomaten Zoltán Császár und Csaba Félegyházi. 

Von Seiten serbischer Behörden gibt es bisher keine Angaben darüber, wann und wie Gruevski aus- und nach Ungarn einreiste, eine entsprechende Anfrage der Deutschen Welle blieb bislang unbeantwortet. Laut einer Facebook-Mitteilung von Nikola Gruevski selbst, die vom Dienstagmittag (13.11.) stammt, hielt sich Mazedoniens Ex-Premier zu dieser Zeit bereits in Ungarn auf. Nach Angaben des ungarischen Investigativportals Átlátszó wäre jedoch auch denkbar, dass Gruevski erst am Mittwoch nach Ungarn einreiste, und zwar in einem Privat-Jet, der auch viel von Orbán selbst und von ihm nahestehenden Geschäftsleuten genutzt wird. Am Mittwoch verkehrte der Jet nach fast dreiwöchiger Stillstandszeit auf dem Flughafen Wien erstmals wieder. Die Route: Wien-Budapest-Belgrad-Budapest. Seitdem steht der Jet auf dem Budapester Flughafen Ferihegy. Átlátszó spekuliert darüber, dass Gruevski mit diesem Jet nach Budapest gebracht worden sein könnte. Der Facebook-Eintrag des mazedonischen Ex-Premiers vom Dienstag wäre demnach eine falsche Fährte.

DW-Anfrage in Budapest: "Kein Kommentar!"

Zu diesen Informationen gibt es bisher lediglich eine einzige Bestätigung von Seiten der ungarischen Regierung: Am Donnerstag sagte Gergely Gulyás, der Kanzleichef des ungarischen Premiers Orbán, auf einer Pressekonferenz, Nikola Gruevski habe tatsächlich in der ungarischen Botschaft in Tirana seinen Asylwunsch bekräftigt. Gulyás bestritt nachdrücklich, dass der ungarische Staat und ungarische Behörden Gruevski bei seiner Ausreise aus Mazedonien geholfen hätten. Auf Anfrage der Deutschen Welle wollte sich der ungarische Regierungssprecher Zoltán Kovács nicht zu den Informationen der montenegrinischen Polizei äußern. Auch eine Stellungnahme zur Strafanzeige des Abgeordneten Ákos Hadházy lehnte Kovács ab.

Der für Kommunikation verantwortliche Direktor der Orbán-Partei Fidesz, Balázs Hídvéghi, hatte am Mittwoch das Asylverfahren für Gruevski in Ungarn mit den Worten verteidigt, der ehemalige mazedonische Premier werde in seinem Land von einer linken Regierung verfolgt, die unter dem Einfluss von George Soros stehe. Der US-Börsenmilliardär ist ungarisch-jüdischer Herkunft und dient in Ungarn in Regierungskampagnen gegen Flüchtlinge, Einwanderung und die EU als Hauptfeindbild.

Kein Durchkommen an Ungarns Grenze für Flüchtlinge - wohl aber für den vorbestraften Nikola GruevskiBild: picture-alliance/AP Photo/D. Vojinovic

Mazedoniens amtierender sozialdemokratischer Premier Zoran Zaev sagte am heutigen Freitag auf einer Pressekonferenz in Skopje, er hoffe, dass Ungarn das Völkerrecht respektiere und Gruevski nach Mazedonien ausliefere; man werde Ungarn in Kürze ein entsprechendes Gesuch übersenden. Er gehe davon aus, so Zaev, dass Ungarn Gruevski keine Weiterreise in die Türkei oder nach Russland gestatte.

Eine neue Balkanroute? 

In unabhängigen Medien Ungarns wurden die Informationen über Gruevskis Einreise in das Land zum Teil mit Entsetzen aufgenommen. So etwa schrieb das regierungskritische Portal 444.hu: Man wisse zwar, dass die Regierung beispielsweise im Zusammenhang mit Migration bewusst Falschinformationen verbreite. "Doch niemand hat damit gerechnet, dass eine Regierung, die Flüchtlingsabwehr zum Programm erhoben hat, nun zum Menschenschmuggler wird und unter bewusster Umgehung der Gesetze einen verurteilten Straftäter ohne Reisepass auf ungarisches Gebiet bringt." Besonders schwerwiegend sei dieser Fall deshalb, so das Portal, weil er zeige, dass die Machthaber geltendem Recht keinerlei Bedeutung beimessen würden.

Ungarns Premier Orbán hat für solche Kommentare nur ein Schulterzucken übrig. Als ihn ungarische Journalisten gestern auf den Fall Gruevski ansprachen, sagte er lapidar, sie sollten sich an Juristen wenden.

Mitarbeit: Boris Georgievski, Ani Ruci

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