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Politik

Wie viel Frieden erlaubt der Vertrag?

26. September 2016

Nach vier Jahren Verhandlungen ist das historische Abkommen zwischen der Regierung Kolumbiens und der FARC unterschriftsreif. Worauf haben sich die Parteien geeinigt? Die wichtigsten Punkte im Überblick.

Kolumbien FARC Friedensvertrag
Bild: picture-alliance/AP Photo/R. Mazalan

Der Ton ist feierlich. "Nach mehr als einem halben Jahrhundert der Gewalt haben wir, die Regierung Kolumbiens und die 'bewaffneten revolutionären Kräfte Kolumbiens FARC', uns darauf geeinigt, den Konflikt definitiv zu beenden. Das Ende der bewaffneten Konfrontation  bedeutet, dass ein neues Kapitel in der kolumbianischen Geschichte aufgeschlagen und das enorme Leid von Millionen von Kolumbianern beendet wird. Es darf kein einziges Opfer mehr geben."

So steht es in dem 297 Seiten starken Friedensvertrag, der am 26. September nach vier Jahren Verhandlungen in Havanna unterzeichnet werden soll. Die Vereinten Nationen sollen die Umsetzung des historischen Abkommens mitgestalten und überwachen. Am 2. Oktober wird es den kolumbianischen Wählern zur Abstimmung vorgelegt. 

Das Referendum über den Vertrag zeigt, wie tief die Wunden sind, die der blutige Bürgerkrieg in der kolumbianischen Gesellschaft hervorgerufen hat. Für die Befürworter wird mit dem historischen Vertrag die Würde der Opfer wiederhergestellt. Für die Kritiker hingegen ist die Vereinbarung eine "Spielwiese der Straflosigkeit".

Zu den wichtigsten Punkten des Vertrages gehören die Einigung auf eine umfassende Landreform, die Umwandlung der FARC in eine politische Partei, die Entwaffnung der Rebellen und ihre Reintegration in die kolumbianische Gesellschaft, die Schaffung einer Sonderjustiz, Entschädigung der Opfer sowie der Ausstieg der FARC aus dem Drogenhandel. Hier eine Übersicht:

Landreform

Auf eine Umverteilung von Land einigten sich die beiden Konfliktparteien bereits im Mai 2013. Unter anderem ist vorgesehen, eine "Landbank" mit drei Millionen Hektar zu gründen. Das Land stammt aus unproduktiven oder wegen illegaler Aktivitäten beschlagnahmter Flächen. Vertriebene des Bürgerkriegs sollen so ihr verlorenes Land zurückerhalten. Außerdem soll der Kauf von Grundstücken mit günstigen Krediten unterstützt und der Ausbau der ländlichen Infrastruktur vorangetrieben werden.

"Viele hatten die Befürchtung, dass eine Agrarrevolution stattfindet und Großgrundbesitzer enteignet werden", erklärt Günter Knieß, Botschafter in Bogotá von 2012 bis 2016. "Doch wenn man sich das Programm anschaut, könnte es von der Weltbank geschrieben sein." Die vorgesehenen Maßnahmen hätten schon vor 30 oder 40 Jahren stattfinden müssen, meint der deutsche Diplomat.

Aufbruch: FARC-Kämpfer verlassen ihr Camp im Dschungel , um am Jahreskongress in El Diamante teilzunehmen auf. Nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages müssen sie ihre Waffen abgeben Bild: picture-alliance/dpa/M. Duenas Castaneda

Entwaffnung

Nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages haben die Farc fünf Tage Zeit, um die Orte ihrer Waffenlager preiszugeben. Innerhalb der ersten 90 Tage müssen ein Drittel aller Waffen abgegeben werden, nach Ablauf der Frist von insgesamt 180 Tagen sollen alle rund 7000 Kämpfer entwaffnet sein. Der Prozess findet in 23 Übergangszonen unter Aufsicht der Vereinten Nationen statt.

Wiedereingliederung

In den Sonderzonen und Camps der FARC soll den ehemaligen Kämpfern auch der Übergang in ein ziviles Lebenerleichtert werden. Jeder ehemalige Kämpfer, der die Waffen abgegeben hat, bekommt laut Vertrag eine einmalige Existenzgründerzulage von der Regierung in Höhe von umgerechnet von 2440 Euro. Ausbildungs- und Berufsförderungsprogramme sollen die Wiedereingliederung unterstützen.

Gerechtigkeit

Die Farc haben sich gegenüber Bürgerkriegsopfern zu Entschädigung und Wahrheitsfindung verpflichtetDer Vertrag sieht die Errichtung eines sogenannten Tribunals für den Frieden mit Wahrheitskommission sowie die Schaffung einer Sonderjustiz vor. Wer schwerwiegende Verbrechen begangen hat, diese eingesteht und an der Aufklärung und Wahrheitsfindung mitwirkt, kann seine Strafe in Form von Gemeinschaftsarbeit und eingeschränkter Beweglichkeit abtragen. Wer ein Geständnis hinauszögert oder verweigert, muss mit Haftstrafen von mehr als fünf Jahren rechnen.

"Diese Vereinbarung macht den Friedensvertrag nicht zu einer 'Spielwiese der Straflosigkeit', wie Kritiker behaupten", kommentiert Tom Koenigs, Sonderbeauftragter der deutschen Regierung für den Friedensprozess in Kolumbien, gegenüber der DW. "Wer die Privilegien der Sonderjustiz  in Anspruch nehmen will, muss erst einmal zur Aufklärung beitragen, egal, ob Armeegeneral oder Guerilla-Kommandant."

Politische Beteiligung

Die aus der FARC-Guerilla hervorgegangene politische Partei darf sich an den Wahlen im Jahr 2018 beteiligen. Bis 2026, also während der ersten beiden Legislaturperioden, wird ihr ein Minimum von je fünf Sitzen in beiden Kammern garantiert. Auch eine öffentliche Unterstützung bei der Parteienfinanzierung steht ihnen zu.

Drogenhandel

Die FARC soll laut Schätzungen rund 60 Prozent bis 70 Prozent des Drogenhandels in Kolumbien kontrollieren. Im Vertrag haben sich Regierung und Rebellen hingegen auf die gemeinsame Bekämpfung des Drogenhandels geeinigt. Danach sollen illegale Kokapflanzungen ersetzt oder zerstört werden, allerdings nicht mehr mit chemischen Vernichtungsmitteln.

Für Kolumbiens Ex-Präsident Álvaro Uribe, Amtsvorgänger von Staatschef Juan Manuel Santos, profitieren von dem Friedensvertrag nur die FARC, nicht aber die kolumbianische Bevölkerung insgesamt. "Die Farc sind das größte Drogenkartell der Welt", erklärte er gegenüber der einheimischen Presse. "Aber sie müssen nicht ins Gefängnis, sondern der Staat ermöglicht ihnen sogar den Einzug in den Kongress."

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