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Politik

Wie geht's weiter in Niedersachsen?

15. Oktober 2017

Am Wahlabend in Hannover sieht man viele ratlose Gesichter. Bei Gewinnern und Verlieren. Richtig strahlen kann eigentlich nur einer: Ministerpräsident Stephan Weil von der SPD. Aus Hannover Jens Thurau.

SPD gewinnt Wahl in Niedersachsen
Bild: Getty Images/R.Hartmann

Als um 18 Uhr die Prognose der Wahlforscher von Infratest-Dimap in den Messehallen in Hannover über die Bildschirme flimmert, da fallen die Reaktionen ziemlich verhaltend aus. Die SPD stark, die CDU eher lau, Grüne, FDP und AfD im Landtag vertreten. Aber viel wichtiger: Wie geht es weiter? Ratlos schauen sich die Vertreter der nun fünf im Landtag vertretenen Parteien an. Außer der AfD sind sie jetzt alle potenzielle Regierungsparteien. Irgendwie. Und irgendwie auch wieder nicht.

Ein Wahlabend außerhalb des Stadtzentrums

Möglich sind eine große Koalition aus SPD und CDU, ein Jamaika-Bündnis (CDU, FDP, Grüne), wie es die Kanzlerin auch im fernen Berlin gerade anstrebt. Aber sehr wahrscheinlich ist ein solches Bündnis in Hannover nicht, da die Grünen hier als sehr links gelten. Und möglich ist auch eine Ampel, also eine Regierung von SPD, Grünen und FDP. Aber das wollen die Liberalen nicht. Aber vielleicht reicht es auch für Rot-Grün. Alles ein bisschen unübersichtlich. Dazu passt dann auch die Umgebung: Der Landtag im Zentrum von Hannover wird renoviert, die großen Fernsehanstalten haben ihre Übertragungswagen deshalb in der Messe aufgebaut, außerhalb der Stadt, gut zwanzig Autominuten vom Landtag entfernt. Auch die Politiker müssen sich aufteilen, einige sind im Landtag, einige draußen in der Messe, einige auf den Wahlpartys, die SPD etwa feiert im Alten Rathaus.

Einen Sieger gibt es: Stephan Weil

Dort erscheint schon kurz nach 18 Uhr der Wahlsieger: Stephan Weil, amtierender Ministerpräsident. Er wird es wohl bleiben können. Damit hatte er lange nicht gerechnet, zur Jahresmitte lag er fast zehn Prozentpunkte hinter dem CDU-Herausforderer Bernd Althusmann zurück. Und jetzt das: ein klarer Sieg. "Ein großer Tag ist das für die Sozialdemokratie in Niedersachsen." Der Applaus will nicht enden. Natürlich sagt er, dass landespolitische Themen den Ausschlag gegeben haben: Die Schulpolitik, die Landwirtschaftspolitik. "Jetzt werde ich abwarten, eine Nacht schlafen und dann mit allen Demokraten Gespräche führen." Mit allen außer der AfD heißt das. Großer Applaus. Die SPD-Seele saugt Abende wie diesen auf, es gibt sie zur Zeit nicht häufig. In den Messehallen verfolgt Yasmin Fahimi den Jubel um den SPD-Spitzenmann am Bildschirm. Zwischen 2014 und 2015 war sie mal Generalsekretärin der SPD, in schwerer, erfolgloser Zeit. Jetzt strahlt auch sie.

"Niedersachsen gestalten". Aber wie, und mit wem?

Wahlparty bei der CDUBild: Getty Images/A.Koerner

Auch als CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann auftritt, ebenfalls schon kurz nach 18 Uhr, herrscht großer Jubel, diesmal auf der CDU-Wahlparty. Der Spitzenkandidat selbst wirkt darüber etwas irritiert, schließlich war es sein Ziel, stärkste Kraft im Landtag zu werden. Und das hat er nicht erreicht. Jetzt sagt er: "Die CDU hat 35 Prozent geholt und damit einen klaren Gestaltungsauftrag in Niedersachsen!" Was auch immer das heißt. Eine Große Koalition? Als Juniorpartner an der Seite der SPD?

Grüne: "Jamaika im Bund nicht gefährdet."

Zufrieden steht Grünen-Chefin Simone Peter etwas abseits der Kameras. "Ich hoffe immer noch, dass es für Rot-Grün reicht", sagt sie. Und sie findet, dass das natürlich ein herber Dämpfer ist für die CDU, der zweite nach dem schlechten Bundestagswahlergebnis. "Aber auf unsere Jamaika-Gespräche in Berlin wird das keinen negativen Einfluss haben", meint sie dann ungefragt zur DW. Aber einen positiven Einfluss sicher auch nicht. Die Gefahr steigt, dass vielen CDU-Politikern ein solches Bündnis in Zeiten von Wahlniederlagen schlicht zu riskant ist. Aber was soll man machen? In Berlin. Und auch hier, in Hannover?

Die "linksgrüne Prägung"

Grünen-Chefin Simone PeterBild: picture-alliance/H. Tittel

Die rechtspopulistische "Alternative für Deutschland" (AfD) weiß derweil nicht so recht, ob sie sich freuen soll: 5,5 Prozent, drin im Landtag, aber doch weit unter den Erwartungen. Parteichef Jörg Meuthen hat das wohl geahnt. Schon um 17 Uhr, eine Stunde vor Schließung der Wahllokale, baut er vor für das eher enttäuschende Ergebnis seiner Partei. "Solide reinkommen in den Landtag wollen wir, mehr erwarten wir nicht", sagt er der DW. Hier im Norden habe es seine Partei schwerer als anderswo. Es gebe eine "linksgrüne" Prägung, auch der Protestantismus mache es der AfD schwer.

Ein merkwürdiger Wahlabend

Ganz so eindeutig "linksgrün" wie es die AfD darstellt, ist Niedersachsen aber gar nicht. Ernst Albrecht hat hier für die CDU regiert, der Vater der heutigen Bundesministerin, Ursula von der Leyen. Und auch Christian Wulff, der spätere Bundespräsident. Die beiden Volksparteien, CDU und SPD, gelten hier noch mehr als anderswo. Auf über 70 Prozent kommen sie nun auch zusammen. Und werden jetzt irgendwie eine Regierung herausarbeiten müssen. Am Ende bleibt ihnen womöglich nichts anderes übrig als eine große Koalition. Vielleicht schauen deshalb alle an diesem merkwürdigen, auf viele Orte verteilten Wahlabend so angestrengt in Hannover.

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