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Wie Wettervorhersagen in Afrika Leben retten können

Kate Hairsine
19. Mai 2024

Wer in Afrika lebt, kann sich auf gute Wetterprognosen nicht verlassen. Der Kontinent wird häufig von extremen Wetterereignissen heimgesucht und eine verlässliche Wettervorhersage könnte Leben retten.

Mädchen auf Trümmern, die bei Überschwemmungen mitgerissen wurden
Mehr als 120 Menschen kamen im April bei Überschwemmungen in Kenia ums LebenBild: LUIS TATO/AFP

Afrikanische Länder sind besonders anfällig für extreme Wetterereignisse, denn diese legen nicht nur die Wirtschaft lahm und zerstören die Lebensgrundlage vieler Menschen, sondern kosten auch auf dem gesamten Kontinent viele Menschenleben. In Westafrika leiden zum Beispiel mehr als 70 Prozent der Bevölkerung alle zwei Jahre oder sogar häufiger unter Überflutungen, Dürren oder Sandstürmen.

In Teilen Afrikas sieht es da nicht anders aus als in anderen wenig entwickelten Weltregionen auch: Es ist oft schwierig, die Menschen vor drohenden Naturkatastrophen wie Sturzfluten oder künftigen Gefahren wie Dürren zu warnen. Die Konsequenzen sind dramatisch. Laut einem Artikel im Wissenschaftsmagazin "Nature" (englisch) war die Zahl der Menschen, die in Afrika bei Überschwemmungen umkamen, viermal so hoch wie in Europa oder Nordamerika.

Auf dem Kontinent, dessen Anbauflächen überwiegend von der Bewässerung durch Regenfälle abhängig sind, war auch die Zahl der Todesopfer durch Dürren am höchsten. Von 2006 bis 2015 stammten 99 Prozent der Menschen, die weltweit wegen einer Dürre starben, aus Afrika, obwohl in diesem Zeitraum nur die Hälfte der gemeldeten Dürren auf diesen Kontinent entfielen.

Wettervorhersagen sollen besser werden

Es wird davon ausgegangen, dass der Klimawandel die Häufigkeit und Intensität extremer Wettereignisse verschärfen wird, und so sei der Druck auf die Anbieter von Wettervorhersagen in Afrika groß, "zuverlässigere, genauere und aktuellere Wettervorhersagen zu liefern", sagt Victor Ongoma, Dozent für Klimawandelanpassung an der University Mohammed VI Polytechnic in Marokko. Es seien große Fortschritte in Bezug auf Qualität und Zeit gemacht worden, berichtet er der DW. "Die Qualität ist immer noch unterdurchschnittlich, aber es wird viel Aufwand betrieben und ich hoffe, dass sie mit der Zeit besser werden."

Wettervorhersagen sind komplex. Im besten Fall werden Millionen von Daten benötigt: Werte zu Temperaturen, Regenfällen, Luftfeuchtigkeit, Sonneneinstrahlung, Windintensität und Windrichtung müssen gemessen werden. Diese Werte werden auf dem Land, über Seen und Ozeanen, in der Atmosphäre und über Satelliten gesammelt und dann von leistungsstarken Computern mithilfe komplexer mathematischer Modelle ausgewertet, um Wettergeschehen vorherzusagen.

Schlechte Datenlage

Bis zu einer verlässlichen Wettervorhersage ist es auf dem afrikanischen Kontinent noch ein weiter Weg. Das dafür genutzte landbasierte Wetterbeobachtungsnetz ist weltweit nicht nur das am wenigsten entwickelte, wegen mangelnder Wartung verfällt das veraltete Netz laut einem Bericht der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) aus dem Jahr 2019 auch zusehends.

Intelligentes Regenradar

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Angola verfügte zum Beispiel vor der Unabhängigkeit von Portugal im Jahr 1975 über 150 funktionierende meteorologische Messstellen. Im Jahr 2022 waren es nur noch 20. In Westafrika werden mehr als 60 Prozent der Wetterdaten noch immer manuell von fachunkundigen und freiwilligen Mitarbeitenden erfasst. Darunter leidet die Qualität der Daten, die nicht für die Echtzeit-Überwachung genutzt werden können.

Laut Datenbank der WMO existieren in Afrika lediglich 37 Radaranlagen, die unerlässlich sind, um Wetterschwankungen und Niederschläge zu beobachten und bei drohenden Überschwemmungen und anderen Gefahren vorwarnen zu können. Im Vergleich dazu decken 345 Radarstationen Europa und Russland ab, die zusammen eine kleinere Landmasse als Afrika haben. Darüber hinaus seien mehr als der Hälfte dieser Radarstationen in Afrika nicht in der Lage, ausreichend genaue Daten zu liefern, um Wettergeschehen für die nächsten Tage oder gar Stunden vorhersagen zu können, wie in dem Artikel in "Nature" bemängelt wird.

Ungeeignete Wettermodelle

Hinzu kommt, dass globale Modelle für die Wettervorhersage in Afrika nur eingeschränkt funktionieren. "Der größte Nachteil ist, dass die meisten dieser Modelle für den globalen Norden entwickelt wurden", sagt Klimawissenschaftler Benjamin Lamptey. Die Modelle funktionierten gut in den mittleren Breitengraden, also etwa 30 bis 60 Breitengrade nördlich und südlich des Äquators, wo große Teile Europas und der USA liegen.

Wann kommt der nächste Regen?

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Afrikanische Wettergeschehen wie Monsunregen seien jedoch nicht in die Modelle eingeflossen, erläutert Lamptey, der als Gastprofessor für Meteorologie an der Universität von Leeds in Großbritannien unterrichtet. Dies erkläre die Defizite bei den Wettervorhersagen. "Dinge im globalen Norden zu entwickeln und sie dann auf den globalen Süden zu übertragen, funktioniert nicht. Die afrikanische Perspektive muss zum Tragen kommen."

Vielen afrikanischen Ländern fehlt es auch an der Rechnerleistung, die erforderlich ist, um komplexe Wettermodelle auszuführen. Stromausfälle und wenig leistungsfähige Internetverbindungen reduzieren zudem den Zugriff auf globale Datensätze.

Fortschritte bei der Datenverarbeitung und -sammlung

Doch es gibt auch gute Nachrichten. Klimaexperte Jeffrey N.A. Aryee von der Kwame Nkrumah University of Science and Technology in Ghana ist der Überzeugung, dass sich die Wettervorhersage in Ghana und vielen anderen Ländern südlich der Sahara rasant entwickelt.

Früher hätten sich die Menschen in Ghana häufig beschwert, dass die Vorhersagen oft daneben lägen. Doch die Wetterbehörde von Ghana habe sich revolutioniert, erzählt Aryee der DW. Dank eines verbesserten Zugangs zu Satelliten- und Radardaten und besseren Vorhersagemodellen, ist sie jetzt in der Lage, realistische kurzfristige Vorhersagen zu erstellen - obwohl Ghanas Radar kürzlich funktionsuntüchtig war.

Die Zahl der landbasierten Wetterstationen in Afrika, die an das globale Beobachtungsnetzwerk GBON Daten senden, verdoppelte sich in der ersten Hälfte des Jahres 2023 nahezu von 589 auf 1045.

Dank der WNO und anderen Organisationen machen die afrikanischen Länder außerdem Fortschritte bei der Digitalisierung der Millionen von Datenpunkten, die in ihren historischen Wetterarchiven verborgen liegen. "Dadurch können mehr Daten zur Verfügung gestellt werden, denn um zu wissen, wohin die Reise geht [mit Wettervorhersagen], muss man wissen, woher man kommt", sagt Victor Ongoma.

Aufgrund des Klimawandels kommt es immer häufiger zu Wetterextremen wie der Dürre in Marokko im Jahr 2022Bild: Mosa'ab Elshamy/AP Photo/picture alliance

Sowohl Ongoma als auch Lamptey loben die Entwicklung regionaler Klimazentren. "Die Länder entlang des Golfs von Guinea in Westafrika haben zum Beispiel jährlich zwei Regenzeiten und der Regen kommt aus dem Osten und bewegt sich nach Westen", erklärt Lamptey. "Die Wettersysteme sind also für die Region einzigartig." Die fünf Klimazentren können ihr Fachwissen gezielt einsetzen, um die regionale Vorhersage zu verbessern.

Bei all den Bemühungen, die Wettervorhersage für Afrika zu verbessern, sollten die Endnutzer nicht vergessen werden, mahnen Experten. Wie greifen sie auf die Informationen zu und in welchen Sprachen?

Fischer, die aufs Meer hinausfahren, benötigen andere Wetterinformationen als Hirten, die nach Wasser für ihre Herden suchen. Und Landwirte, die sich überlegen, wann sie auspflanzen oder ernten, benötigen zuverlässige saisonale Vorhersagen, um Entscheidungen treffen zu können.

"Man muss wissen, was die Menschen wirklich interessiert", sagt Jeffrey N.A. Ayree. "Einem Fischer reicht die Information nicht, ob es regnen wird oder nicht. Er will wissen, ob die See stürmisch wird."

Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.

 

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