Zwei Tage lang wollen die Menschen im Sudan mit Aktionen gegen die Machtübernahme des Militärs protestieren. Bei der Auftakt-Demonstration in Khartum setzten Sicherheitskräfte Gewalt ein.
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Zwei Tage des zivilen Ungehorsams - unter diesem Motto hatte der Dachverband der Gewerkschaften im Sudan die Menschenzu Protesten und Demonstrationen aufgerufen. Bereits in der Nacht zum Sonntag begannen Gegner der Militärherrschaft in Khartum damit, Barrikaden auf den Straßen zu errichten. Sie fordern demokratische Wahlen sowie eine von Zivilisten geführte Regierung und kündigten an, die Protestmärsche würden auch am Montag fortgesetzt werden.
Tränengas und Festnahmen in Karthum
Doch die Militärführung, die vor zwei Wochen durch einen Putsch die Macht in dem nordostafrikanischen Land mit seinen 44 Millionen Einwohnern übernahm, ließ ihre Sicherheitskräfte in der Hauptstadt Khartum erneut gewaltsam gegen die Demonstrierenden vorgehen. Polizisten hätten Tränengas eingesetzt, "obwohl wir nur auf der Straße standen und Banner hochhielten", berichtete ein Demonstrant vor dem Bildungsministerium. Nach Angaben des Gewerkschaftsverbands SPA wurde eine Frau verletzt, zahlreiche Demonstrierende wurden festgenommen.
Seit dem Staatsstreich vom 25. Oktober gehen die Menschen im Sudan gegen die Militärherrschaft auf die Straßen. Internet und Telefonnetze brechen seitdem immer wieder zusammen, das tägliche Leben kam fast zum Stillstand. Mittlerweile haben Geschäfte und einige Banken wieder geöffnet.
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Gewerkschaften: Keine Verhandlungen mit Militärs
"Das sudanesische Volk lehnt den Militärputsch ab", teilte der Gewerkschaftsverband im Kurzbotschaftendienst Twitter mit und versprach "keine Verhandlungen, keine Partnerschaft, keine Legitimität". Der SPA war eine treibende Kraft der Protestbewegung, die 2019 zum Sturz des langjährigen Machthabers Omar al-Baschir geführt hatte.
Nach der Entmachtung Al-Baschirs hatte ein sogenannter Souveräner Rat die Regierungsgeschäfte im Sudan übernommen, in dem sich Militärs und Zivilisten die Macht teilten. Die Übergangsphase sollte eigentlich 2023 mit der Einsetzung einer zivilen Regierung enden. Eine hohe Inflation, wirtschaftliche Probleme und tiefe politische Spaltungen belasten die Arbeit des Souveränen Rates jedoch.
Dem Sudan droht ein Stopp des Schuldenerlass'
Bei der gewaltsamen Machtübernahme vor knapp zwei Wochen hatte Militärmachthaber General Abdel Fattah al-Burhan die Regierung aufgelöst, Premier Abdalla Hamdok und die anderen zivilen Regierungsmitglieder festsetzen lassen und Ausnahmezustand ausgerufen. Kurz darauf kündigte er die Bildung einer neuen Regierung mit "kompetenten Personen" an.
Der Putsch wurdeinternational verurteilt. Der Westen setzte seine Wirtschaftshilfe für das Land aus und drohte den Machthabern im Sudan damit, den Erlass von Auslandsschulden in Höhe von zehn Milliarden Dollar zurückzunehmen, sollte es nicht zu einem demokratischen Übergang kommen.
Nach Angaben des örtlichen Fernsehsenders Sudan TV trafen an diesem Sonntag Vermittler der Arabischen Liga in Khartum ein, um durch Gespräche mit Al-Burhan die Krise zu entschärfen.
cw/qu (afp, dpa, rtre)
Putsch und Widerstand im Sudan
Das Militär im Sudan hat Ministerpräsident Abdullah Hamduk verhaftet und die Auflösung der Übergangsregierung verkündet. Auf den Straßen des Landes wird gegen den Putsch demonstriert, es kommt zu Ausschreitungen.
Bild: AFP/Getty Images
Die Bevölkerung geht auf die Straße
Tausende pro-demokratische Sudanesinnen und Sudanesen protestieren am Tag des Putsches, dem 25. Oktober 2021, in der Hauptstadt Khartum gegen das Vorgehen des Militärs. Bereits im September hatte es im Sudan einen Putschversuch gegeben. Seitdem waren die politischen Spannungen im Land enorm gestiegen.
Bild: Ashraf Idris/AP Photo/picture alliance
Tote und Verwundete
Bei den Protesten kam es auch zu Ausschreitungen: In Khartum brannten am Montag Autoreifen, Straßen wurden blockiert. Sieben Menschen sollen nach Angaben des Gesundheitsministeriums bei Zusammenstößen zwischen Demonstrierenden und Sicherheitskräften getötet worden sein. Am Dienstag setzten sich die Proteste fort, Panzer blockierten Brücken und Hauptverkehrsstraßen in der Hauptstadt.
Bild: AFP/Getty Images
Das Militär beschwichtigt
Frieden und Sicherheit im Sudan seien bedroht gewesen, begründete der Generalkommandant der sudanesischen Streitkräfte den Putsch. Man werde den demokratischen Kurs fortsetzen, bis die Macht an eine gewählte, zivile Regierung übergehe. Wahlen sollten wie geplant im Juli 2023 stattfinden. Internationale Beobachter befürchten jedoch, dass es sich bei der Erklärung um ein Lippenbekenntnis handelt.
Bild: AFP/Getty Images
Premierminister festgesetzt
Die Putschisten nahmen am Montag den amtierenden Premier Abdullah Hamduk sowie mehrere Kabinettsmitglieder fest. Sudans oberster General Abdel Fattah al-Burhan erklärte am Dienstag, Hamduk werde in seinem eigenen Haus festgehalten, er sei unverletzt. Auch mehrere zivile politische Führungspersonen wurden inhaftiert. Internet, Mobilfunk- und Festnetz blieben am Dienstag weitestgehend abgeschaltet.
Bild: picture alliance/dpa/XinHua
Streiks und Widerstand im ganzen Land
Überall im Sudan gehen die Menschen auf die Straße, so wie hier in Omdurman. Auch sonst regt sich Widerstand gegen das Militär: Medienberichten zufolge sollen Mitarbeitende der Zentralbank in den Streik getreten sein. Sudans Ärztegewerkschaft forderte auf Facebook Ärztinnen und Ärzte in Militärkrankenhäusern dazu auf, nicht mehr arbeiten zu gehen, wenn es sich nicht um dringende Notfälle handele.
Bild: AFP/Getty Images
Gespaltene Bevölkerung
Nicht alle Sudanesen stehen hinter dem demokratischen Übergangsprozess. Teile der bewaffneten Rebellengruppen sähen lieber eine Militär- als eine Zivilregierung an der Macht, sagt Theodore Murphy, Direktor der Afrika-Programme des European Council on Foreign Relations, der DW. "Sie sehen, dass eine demokratische Zukunft nicht zu ihren Gunsten ausfallen dürfte."
Bild: AFP/Getty Images
Vergebliche Hoffnung auf Demokratie?
Im Mai erhielt der Sudan einen milliardenschweren Schuldenerlass, der den Übergang zur Demokratie erleichtern sollte. Nach dem Putsch ist das Land davon weiter entfernt denn je. Westliche Länder drohten bereits, die Zahlung von Hilfsgeldern einzustellen, sollten die inhaftierten Regierungsmitglieder nicht freigelassen und zivile Kräfte an der Regierung beteiligt werden.