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Wiedergeburt der politischen Lager

Oliver Samson1. April 2006

Italien erlebt vor den Parlamentswahlen am 9./10. April einen harten Lagerwahlkampf. Ministerpräsident Berlusconi liegt zurück - und fischt nun auch am äußerten rechten Rand.

Bloß nicht vor den "Linken" kapitulierenBild: AP

Kein Wirtschaftswachstum, gestiegene Korruption und Steuerhinterziehung, Isolation innerhalb Europas, komplizierte Sicherheitssituation durch die Beteiligung am Krieg im Irak: "Italien ist der wirklich kranke Mann Europas", titelte der Economist. Es widersprechen nur Medien, die zum Imperium von Ministerpräsident Silvio Berlusconi gehören.

Rotes Sofa: Romano ProdiBild: AP

Der Gesundheitszustand Italiens ist ein Grund, warum es im Wahlkampf zur Sache geht, wie es in kaum einem anderen europäischen Land vorstellbar wäre. Ein zweiter Grund: Italien erlebt "einen richtigen Lagerwahlkampf", sagt Andreas Maurer, Italien-Experte der Stiftung für Wissenschaft und Politik in Berlin. Besonders befeuert dadurch, "dass sich die beiden Kandidaten wirklich nicht besonders mögen".

Altes Spiel, ganz neu

Rechts gegen Links, Kommunisten gegen Christdemokraten: ein Lagerwahlkampf ist es in Italien eigentlich immer. Und doch ist 2006 alles anders. Nach dem Untergang der großen Volksparteien in Folge von Korruptionsskandalen Anfang der 1990er Jahre teilte sich das politische Italien auf in ein Spektrum von Parteien und Parteichen. Von Nord nach Süd, von ganz links nach ganz rechts. Nun scheint sich das bipolare Parteiensystem in so weit konsolidiert zu haben, dass es wieder zwei halbwegs stabile Lager gibt - und seien diese auch noch so heterogen: Auf der einen Seite Berlusconi, der mit seiner Forza Italia die Mitte-Rechts-Allianz Casa delle Liberta ("Haus der Freiheit") anführt, auf der anderen der nüchterne Wirtschaftsfachmann Romano Prodi an der Spitze der Mitte-Links-Koalition Unione.

Begünstigt wurde die neue Lagerbildung durch die Rückkehr zum alten Verhältniswahlrecht, das die Regierung Berlusconi im Dezember 2005 beschlossen hatte. Dessen Vierprozent-Hürde wäre das Ende der meisten Klein- und Kleinst-Parteien. Treten diese aber einem der eher lockeren Bündnisse bei, müssen sie nur zwei Prozent erreichen, um ins Parlament einzuziehen.

Ruppig und skuril

Über Inhalte und Personen wird zwischen den Lagern in jedem Stil und Ton gestritten: "Wer die Wahlkampagne verfolgt hat, wird berechtigterweise das Gefühl haben, Italien stehe am Rande des Bürgerkrieges", bemerkte zuletzt der angesehene politische Kommentator Sergio Romano. Die Kampagne ist ruppig und laut, zuweilen absurd und skurril. Und oft mehr beleidigend als unterhaltsam.

Die Opposition wirft dem Ministerpräsidenten wirtschaftspolitisches Versagen, Korruption und die Nähe zur Mafia vor. Berlusconi schürt vor allem diffuse Angst vor den "Kommunisten". Seine stilistischen Aussetzer sind dabei legendär. Zuletzt sagte er bei einer Wahlkampfveranstaltung am Sonntag (26.4), in Maos China seien "Babys gekocht worden, um ihre Felder zu düngen". Wie überhaupt Berlusconi meist "Linke" am Werk erkennt, wenn er irgendwo etwas Negatives sieht. Der Unternehmerverband Confindustria? Die Justiz? Unterwandert. Eine Wirtschaftskrise? Gibt es nur "nach dem Willen der Linken und der Zeitungen auf ihrer Seite", sagt Berlusconi. Mit "85 Prozent" beziffert Berlusconi die Allmacht der "kommunistischen Journalisten" - besonders bizarr in einem Land, wo er selbst fast vollständig das Fernsehen kontrolliert.

Bündnis mit den Faschisten

Enkelin des Duce, Verbündete von Berlusconi: Alessandra MussoliniBild: AP

Inzwischen liegt Berlusconi nur noch in den Umfragen seiner eigenen Sender vorne. Ein Viertel der Wähler scheint aber noch unentschlossen. Berlusconi braucht dringend neue Stimmen und ist dafür bereit, auch in trüben Gewässern zu fischen. Er ging nun auch Bündnisse mit der rechts-extremen "Alternativa Soziale" der Duce-Enkelin Alessandra Mussolini ein und holte auch deren neo-faschistische MS-FT in sein "Haus" - deren Chef hatte zuvor mit Aussagen über den Holocaust für Aufregung gesorgt. Berlusconi selbst spielte am 27. März die Einwanderungskarte, indem er sich gegen weitere Zuwanderung in Italien aussprach. "Kann gut sein, dass Berlusconi damit beim italienischen Mittelstand Punkte macht", meint Italien-Experte Maurer. Er hält die Wahl für Berlusconi noch längst nicht verloren. "Ein Skandal bei den Linken kann ihn wieder nach vorn spülen."

Zumal Berlusconi auch noch auf freundschaftliche Hilfe aus dem Ausland zählen kann: Das amerikanische Außenministerium hatte am 21. März "Besorgnisse um die Sicherheit" in Italien geäußert - wegen einer Straßenschlacht zwischen Linksextremisten und der Polizei nach einer Demonstration von Faschisten in Mailand. Es gab 18 Verletzte. Es könnte, so warnt das Ministerium amerikanische Bürger, bei möglichen Demonstrationen vor der Parlamentswahl am 9. und 10. April zu Gewalttaten kommen. Berlusconi sagte, die Anfeindungen der Linken gegen die Parteien der rechten Mitte hätten diesen Hass, diese Gewalt gesät. Er nannte in diesem Zusammenhang die jüngsten Anklagen der Justiz gegen ihn und die "Attacken von Linksintellektuellen" mit ihren "politischen Programmen".

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