"Der Dschihad ist deutsch geworden"
24. März 2014Der Deutsche Josef D. alias Jussuf ist am Montag (24.03.2014) vom Oberlandesgericht Düsseldorf zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Der 31-jährige deutsche Taliban hatte sich im Jahr 2010 in Pakistan vier Monate lang der Deutschen Taliban Mudschahedin (DTM) angeschlossen, einer kleinen Gruppierung aus bis zu zwölf aus Deutschland stammenden islamistischen Kämpfern. Nach schweren menschlichen Verlusten war diese Gruppe im Mai 2010 zerfallen.
DW: Warum zieht es junge Deutsche zu den Taliban?
Wolf Wiedmann-Schmidt: Man kann auf jeden Fall feststellen, dass es schon immer Islamisten aus Deutschland gab, die in Kriegsgebiete gereist sind: In den 1990er-Jahren auf dem Balkan haben Deutsche im Bosnienkrieg mitgekämpft. Später dann in Tschetschenien. In den vergangenen Jahren hat sich die Basis verbreitert, weil die Propaganda salafistischer und dschihadistischer Gruppen nicht mehr nur auf Arabisch, sondern auch auf Englisch und dann auch immer mehr auf Deutsch und auch in den sozialen Netzwerken lief. Die Zielgruppe wurde größer und viele junge Männer und Frauen kamen erstmals mit dieser Propaganda in Berührung. Der Dschihad ist in den vergangenen Jahren deutsch geworden.
Was macht Gruppen wie die Deutschen Taliban Mudschahedin für junge Deutsche so attrativ?
Ganz oft ist es so, dass es sich um junge Menschen mit ziemlich brüchigen Biographien handelt: Probleme im Elternhaus, Gewalt, zum Teil waren die Jugendlichen auch vorher kriminell oder hatten Drogenerfahrungen, manche waren auch im Gefängnis. Und in solchen Momenten, in denen jemand auf der Suche nach Sinn ist, kann man feststellen, dass derjenige öfter auch durch Zufälle bei Leuten landet, die in der radikalen islamistischen Szene sind. Am Ende des Radikalisierungsprozesses steht bei manchen die Entscheidung fest: "Wir verlassen Deutschland und ziehen in den Dschihad."
Es gibt Beispiele von jungen Männern, die bei den Deutschen Taliban Mudschahedin gelandet waren, bei denen war das so. Die sind durch Zufall an Leute geraten, die sehr radikal waren und ihnen in kleinen Zirkeln Propaganda eingehämmert haben.
Wie alt sind die Menschen, die sich solchen Gruppen zuwenden?
Manche machen sich schon mit 16 Jahren ins Krisengebiet auf und wollen mitkämpfen. Viele sind unter 25, am Ende des Teenageralters, Anfang des Erwachsenenalters. Und die Gründe können vielfältig sein. Für manche mag das auch ein Stück weit Abenteurertum sein oder auch der Drang, endlich etwas darzustellen.
Die jungen Menschen, die sich dafür interessieren, bekommen sicherlich mit, dass man im Kampf auch zu Tode kommen kann. Schreckt sie das nicht ab?
Momentan zieht es die jungen Menschen vor allen Dingen nach Syrien. Die Jahre davor gab es relativ viele Reisen Richtung pakistanisch-afghanisches Grenzgebiet, da gab es unterschiedliche Gruppen. Die Deutschen Taliban Mudschahedin - von denen jetzt einer verurteilt wurde - waren nur eine relativ kleine Gruppe. Sie bestand aus vielleicht einem Dutzend Kämpfer, die aber nicht wirklich erfolgreich waren. Die haben ein paar Propagandavideos gedreht, in denen sie mit Anschlägen in Deutschland gedroht haben. Das wurde damals sehr ernst genommen. Aber letztendlich konnte man nie feststellen, dass diese Gruppe bei Kämpfen in Afghanistan irgendetwas erreicht hat oder gar einen Anschlag verübt hätte. Leider ist es Teil der Ideologie, dass man im Kampf das Leben lässt und dadurch dann ins Paradies einzieht.
Wenn der Zulauf deutscher Islamisten in das pakistanisch-afghanische Grenzgebiet seit der Syrienkrise gar nicht mehr so groß ist, welche Wirkung hat dann solch ein Urteil gegen einen deutschen Taliban-Kämpfer zu zweieinhalb Jahren Haft?
Es gab schon vorher deutlich härtere Urteile, auch gegen Leute, die offenbar eine wichtigere Rolle gespielt haben innerhalb dschihadistischer Gruppen. Man denke an die Sauerlandgruppe. Oder Leute, die verurteilt wurden wegen Mitgliedschaft bei Al Kaida. Ich glaube, dass es Einzelne nicht abschreckt, in Kriegsgebiete zu ziehen. Man stellt oft fest, dass die jungen Frauen und Männer kaum Ahnung haben, bei welchen Gruppen sie landen. Das ist jetzt in Syrien der Fall, das war auch davor in Pakistan der Fall. Sie haben auch keinen Überblick, was das im Einzelnen bedeutet und auch sicherlich keine Vorstellung von dem Alltag in einem Krisengebiet - und was Krieg dann wirklich bedeutet.
Wolf Wiedmann-Schmidt ist Autor des Sachbuchs "Jung, Deutsch, Taliban" beim Ch. Links Verlag.
Das Interview führte Anja Fähnle.