Wien und Berlin im Clinch
23. Februar 2016Sowohl CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt als auch Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer kritisierten die Entscheidung der Regierung in Wien, nur noch 80 Asylbewerber pro Tag zu akzeptieren, aber 3200 Flüchtlinge pro Tag nach Deutschland weiterzuleiten. Grosse-Brömer verwies auf dem entgegenstehende Beschlüsse des EU-Gipfels von vergangener Woche. "Gleichwohl sagt Österreich, das interessiert uns dann doch nicht." Dafür habe er immer weniger Verständnis. Hasselfeldt sagte, sie verstehe, dass die EU-Kommission die österreichische Praxis für nicht akzeptabel halte.
Bundeskanzlerin Angela Merkel wiederum bekräftigte ihre Linie in der Flüchtlingspolitik. Vor der Unions-Bundestagsfraktion sagte sie nach Angaben von Teilnehmern, dass der eingeschlagene Weg zur Reduzierung der Flüchtlingszahlen durch die Sicherung der Außengrenzen richtig sei. "Es lohnt sich, diesen Weg weiter zu gehen." Die Zeit des "Durchwinkens" sei nun vorbei, die Schengen-Regeln müssten wieder in Kraft gesetzt werden, sagte die CDU-Vorsitzende mit Blick auf die Brüsseler Gipfel-Beschlüse. In der Unions-Fraktion gab es keine einzige Nachfrage, so die Teilnehmer weiter.
"Das steht uns politisch zu"
Auf die Kritik aus Berlin reagierte Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann mit der Bemerkung: "Wir haben eine Zahl genannt, und das steht uns politisch zu." Würde Europa diesem Beispiel folgen, "könnten wir 2,5 Millionen Flüchtlinge aufnehmen in der EU". Er biete Deutschland an festzulegen, wie viele Flüchtlinge Österreich pro Tag durchlassen solle. Wenn das Nachbarland aber keine Zahl nenne und sich "lieber auf die Türkei-Lösung" konzentriere, nehme er das zur Kenntnis. Umgekehrt fordere er von Deutschland und der EU, die österreichische Position zu akzeptieren.
Alternativen im Blick
Trotz der klaren Position, die Zahl der Flüchtlinge durch eine internationale Lösung unter Einbeziehung der Türkei zu verringern, scheint in der Bundesregierung darüberhinaus auch über andere Wege nachgedacht zu werden. In einem Interview der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte der Chef des Kanzleramtes, Peter Altmaier, "Im Bundeskanzleramt sind wir immer bestrebt, einen umfassenden Blick auf alle Möglichkeiten und Alternativen zu haben, die sich bieten. Das ist unsere Aufgabe. Nur dann können wir vernünftige Entscheidungen treffen."
Gleichwohl sieht Altmeier hohen Zeitdruck. Mit Blick auf den europäischen und internationalen Weg, den die Bundesregierung eingeschlagen hat, sagte der CDU-Politiker: "Solange es die Aussicht gibt, dass dieser Weg zum Erfolg führt, wollen wir an ihm festhalten. Allerdings stimmt es: Die Zeit wird knapp." Bis zum nächsten Gipfeltreffen der Europäischen Union, das Anfang März stattfinden soll, wolle man sehen, "wo wir stehen und ob der Weg, den wir bislang gegangen sind, erfolgversprechend ist". Er gehe davon aus, "dass wir bis dahin die Chance haben, zu einer europäischen Lösung zu kommen", sagte Altmaier.
Seehofer verschiebt Verfassungsklage
Die bayerische Regierung teilte unterdessen mit, dass sie ihre angedrohte Verfassungsklage gegen die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Merkel um mehrere Monate verschieben werde. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und sein Kabinett kamen zu dem Schluss, dass sie noch bis Ende Juli Zeit für einen eventuellen Gang nach Karlsruhe haben. "Eine Klage kann sicher nur das letzte Mittel sein", sagte Justizminister Winfried Bausback. Zunächst wollten die CSU-Minister die Antwort der Bundesregierung auf den Ende Januar aufgegebenen Brief abwarten. Darin hatte Seehofer gedroht zu klagen, falls die Flüchtlingszahlen nicht drastisch reduziert werden. Der CSU-Chef will eine wirksame Sicherung der deutschen Grenze durchsetzen.
sti/uh (dpa, rtr)