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Terrorismus

Wiener Verfassungsschutzchef suspendiert

6. November 2020

Nach dem Bekanntwerden weiterer Behördenpannen im Zusammenhang mit dem islamistischen Anschlag in Wien hat Österreich personelle Konsequenzen gezogen. Zudem wurden dort zwei radikalislamische Moscheen geschlossen.

++ ARCHIVBILD ++  Erich Zwettler
Erich Zwettler, Leiter des Wiener Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (Archivbild)Bild: Helmut Fohringer/APA/picture alliance

Der Leiter des Wiener Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT), Erich Zwettler, wurde auf eigenen Wunsch vom Dienst suspendiert. Das teilte der Wiener Polizeipräsident Gerhard Pürstl vor Journalisten mit. Der Behördenchef habe sich zu dem Schritt entschieden, um einer "ordnungsgemäßen Untersuchung und Aufklärung" nicht im Wege zu stehen, sagte Pürstl.

Ein Attentäter hatte am Montagabend in Wien auf Barbesucher und Restaurant-Angestellte geschossen und dabei vier Menschen getötet, darunter eine Deutsche. Der Angreifer verletzte zudem 22 weitere Menschen, bevor er von Polizisten erschossen wurde. Die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) reklamierte den Anschlag für sich.

"Nicht tolerierbare Fehler"

Österreichs Innenminister Karl Nehammer gestand am Freitag weitere Versäumnisse der Behörden vor dem Anschlag ein. Es habe "offensichtliche und unserer Ansicht nach nicht tolerierbare Fehler" gegeben, erklärte er. Demnach hatte der Attentäter offenbar Kontakt zu Personen, die auf dem Radar des deutschen Verfassungsschutzes standen. Ein entsprechender Hinweis der deutschen Behörden blieb demnach folgenlos.

Im Zusammenhang mit dem Anschlag durchsuchte das Bundeskriminalamt (BKA) am Freitagmorgen auch in mehreren deutschen Städten Wohnungen und Geschäfte. Wie das BKA mitteilte, sollen sich zwei der vier Menschen, bei denen durchsucht wurde, im Juli mit dem Attentäter in Wien getroffen haben.

Wann wusste Wien was?

Nehammer hatte bereits am Mittwoch eingeräumt, dass der slowakische Geheimdienst vor dem Anschlag die österreichischen Behörden über einen versuchten Munitionskauf des Täters informiert hatte. Allerdings gibt es Streit zwischen Österreich und der Slowakei über den Zeitpunkt des Warnhinweises. Nach Angaben des Innenministeriums in Bratislava wurde der Attentäter von Wien schon früher als von Österreich berichtet als potenzieller Käufer von Kalaschnikow-Munition identifiziert. Das Innenministerium wies auch die Darstellung der österreichischen Behörden zurück, wonach Informationen schleppend übermittelt worden seien.

 

Der slowakischen Polizei sei bereits am 10. September - nicht erst Mitte Oktober - von ihren österreichischen Kollegen bestätigt worden, dass auf dem slowakischen Foto vom Juli der vorbestrafte 20-jährige Islamist erkannt worden sei. Dieser hatte am 21. Juli mit einem Begleiter versucht, in der Slowakei Munition zu kaufen. Am 24. Juli habe man Wien umfassend informiert, erklärte das slowakische Innenministerium. Dagegen versicherte der Wiener Polizeichef Pürstl am Freitag, erst am 16. Oktober die klärende Antwort aus der Slowakei bekommen zu haben, die zur Identifikation des Mannes nötig gewesen sei.

Zwei Moscheen stillgelegt

Die österreichische Regierung ordnete am Freitag zudem die Schließung der Melit-Ibrahim-Moschee im Wiener Bezirk Ottakring und der Tewhid-Moschee in Wien-Meidling an. Der Attentäter habe die beiden Moscheen vor dem Anschlag wiederholt besucht, erläuterten Nehammer und Kultusministerin Susanne Raab in Wien. Nach Angaben Raabs gehen die Sicherheitsbehörden davon aus, dass die Besuche der Moscheen die Radikalisierung des Angreifers förderten. Nur eines der beiden Gotteshäuser ist offiziell als Moschee registriert.

Polizeilich geschlossen: die Tehwid-Moschee in WienBild: Leopold Nekula/picture alliance

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) bestätigte derweil die Schließung einer offiziell registrierten Moschee. Die Anordnung erfolge "in Absprache mit den zuständigen Behörden". Der Islamverband begründete den Schritt damit, dass die Moschee gegen "religiöse Leitlinien" verstoßen habe. "Freiheit ist ein kostbares Gut in unserem Land, das wir vor Missbräuchen schützen müssen, auch wenn sie aus unseren Reihen kommen", erklärte IGGÖ-Präsident Ümit Vural. Die Islamische Glaubensgemeinschaft vertritt landesweit 360 Moscheen.

Die Kultusministerin betonte, dass die Schließungen sich nicht gegen den Islam richteten: "Es ist kein Angriff gegen die Mitglieder einer Religionsgemeinschaft, sondern es ist ein gemeinsamer Kampf gegen den Missbrauch einer Religion für das Radikale", sagte sie in einer Pressekonferenz mit Innenminister Nehammer.

Kultusministerin Susanne RaabBild: picture-alliance/dpa/A. Muratovic

Seit dem Anschlag wurden insgesamt 16 Verdächtige festgenommen. Wie die Staatsanwaltschaft der Nachrichtenagentur AFP am Freitag mitteilte, wurden sechs von ihnen inzwischen wieder freigelassen. Acht Festgenommene zwischen 16 und 24 Jahren werden hingegen dringend verdächtigt, dem Täter im Vorfeld des Anschlags geholfen zu haben.

kle/wa (afp, dpa, kna)