Bekannt sind die Wikinger als rotblonde Plünderer mit Hörnerhelmen und Streitäxten. Was an den Klischees dran ist, zeigen Ausstellungsstücke in der "Wikinger!"-Schau in Rosenheim.
Anzeige
So waren die Wikinger wirklich
Bekannt sind die Wikinger als Plünderer mit Hörnerhelmen, Streitäxten und vollen Trinkhörnern. Was an den Klischees dran ist, zeigen Ausstellungsstücke in einer großen Wikinger-Schau in Rosenheim.
Bild: VKR
Im Norden zu Hause
Die ursprüngliche Heimat der Wikinger war Skandinavien: Norwegen (s. Foto), Schweden und Dänemark. Doch Ruhm, Abenteuer und Reichtum lockten die Nordmänner in die Ferne. Zwischen dem 8. und 11. Jahrhundert brachen sie mit ihren Schiffen auf – als Entdecker, Händler und nicht zuletzt als Plünderer. Ein einheitliches, zusammengehöriges "Wikingervolk" gab es jedoch nie.
Bild: Mike Meyer Photography
Keine Hörner auf dem Kopf
Die Hörnerhelme sind das bekannteste Markenzeichen der Wikinger. Doch sie sind eigentlich nichts weiter als eine Erfindung für die Oper: In der Uraufführung Richard Wagners "Der Ring des Nibelungen" (1876) trug der Bösewicht Hunding einen Hörnerhelm. Der Mythos, Hörner und Helme hätten etwas mit nordischer Mythologie und den Wikingern zu tun, war geboren – und er hält sich bis heute hartnäckig.
Bild: Foto „Niering als Hunding“, Bayerisches Theatermuseum München
Sie hatten die Haare schön
Die Wikinger als ungepflegte Barbaren mit Zottelhaaren? Die Funde zahlreicher Kämme aus der Wikingerzeit sprechen gegen dieses Klischee. Die Haarpflege spielte durchaus eine Rolle bei den Männern und Frauen im hohen Norden des Frühmittelalters. Dabei waren nicht alle Wikinger mit rotem Haarschopf gesegnet, wie unsere heutigen Karnevalskostüme vielleicht vermuten lassen würden.
Bild: Lunds Universitets Historiska Museum. Foto: Andreas Jacob
Und sie hatten die Zähne schön
Um im Kampf besonders furchterregend zu wirken, unterzogen sich die Mutigsten unter den Wikingerkriegern einer ungewöhnlichen, schmerzhaften Zahnbehandlung: Sie ließen sich waagerechte Rillen in die Schneidezähne ritzen und die Kerben mit Fett oder Holzkohle schwarz einfärben. Dies ließ sich bei der Untersuchung mehrerer Schädelfunde aus der Wikingerzeit nachweisen.
Bild: Lunds Universitets Historiska Museum. Foto: Andreas Jacob
Hoch die Becher
Trinkgelage tauchen mehrfach in alten Dichtungen über die Wikinger auf. Alkoholische Getränke waren offenbar beliebt. Doch nicht nur der berühmte Met aus vergorenem Honig landete in den Bechern. Die Nordleute holten auch teuren, teilweise geraubten Wein aus dem Fränkischen Reich nach Skandinavien. Die begehrte Flüssigkeit wurde in Fässern wie diesem aus Schwarzwälder Tannenholz transportiert.
Bild: Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen, Archäologisches Landesmuseum Schloss Gottorf, Schleswig
Schlagkräftig durch fränkisches Superschwert
Im Mittelalter waren Schwerter mit "Ulfberht"-Klingen aus hochwertigem Stahl allerorts gefürchtet. Auch die Wikinger verbesserten ihre Schlagkraft, indem sie ihre Waffen bei der fränkischen Edelschmiede "Ulfberht" einkauften. Doch im 9. Jahrhundert verboten die Könige der Franken zeitweise den Waffenexport an die Wikinger - um nicht buchstäblich mit eigenen Waffen geschlagen zu werden.
Bild: Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin
"Micky Mouse" bei den Wikingern?
Die Wikinger waren keineswegs nur als Krieger, Siedler und Händler unterwegs, sondern widmeten sich auch dem Kunsthandwerk. Zu ihren künstlerischen Schöpfungen zählen Schmuck- ebenso wie Gebrauchsgegenstände. Der abgebildete, aus Bronze gefertigte Tierkopf aus dem 9.-10. Jahrhundert erinnert heute an die bekannte Zeichentrickmaus...
Bild: Lunds Universitets Historiska Museum. Foto: Andreas Jacob
Rätselhafte Schriftzeichen
Alte Runen haben etwas Magisches an sich. Doch die Wikinger verwendeten sie längst nicht nur für kultische Inhalte, Fluchformeln oder Zaubersprüche, sondern vor allem auch für alltägliche Zwecke. So wird auf dem abgebildeten Runenstein eines verstorbenen Gefolgsmannes des dänischen Königs Sven gedacht. Mit nur 16 runischen Schriftzeichen konnten die Wikinger alle Laute wiedergeben.
Bild: Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen, Archäologisches Landesmuseum Schloss Gottorf, Schleswig
Im Goldrausch
Gold galt als eines der kostbarsten Güter bei den Wikingern. Um den Schmuck der Frauen opulenter erscheinen zu lassen, vergoldete man ihn. So ist auch die abgebildete bronzene Fibel, eine feine Gewandnadel aus der Wikingerzeit, mit einer dünnen, glänzenden Goldschicht überzogen.
Bild: Lunds Universitets Historiska Museum. Foto: Andreas Jacob
Wikinger-Alltag
Wie startete eine normale Wikinger-Familie am Ufer des Roskildefjords in einen normalen Frühlingstag? In der Erlebnisausstellung "Wikinger!" im Lokschoppen Rosenheim zeigt ein Illu-Strip aus 21 Zeichnungen, wie der Tagesablauf einer Wikinger-Familie ausgesehen haben könnte. Vielleicht lebte das sagenumwobene Nordvolk ja gar nicht so anders als wir heute?
Bild: VKR / subbird Illustration, A. Schmied
10 Bilder1 | 10
Die Wikinger umgibt eine mythische Aura. Das Image raubender Barbaren mit gehörnten Helmen haftet den Nordleuten des Frühmittelalters hartnäckig an. Doch die historischen Fakten sehen anders aus. Bei einem näheren Blick auf archäologische Funde und alte Niederschriften klärt sich so mancher populärer Irrtum auf: "Die Wikingerhelme hatten keine Hörner! Die wurden später den Wikingern einfach angedichtet", berichtet Dr. Michaela Helmbrecht.
Die Archäologin kuratierte die Ausstellung "Wikinger!" im Ausstellungszentrum Lokschuppen im bayerischen Rosenheim. Hier sind zwischen dem 11. März und 4. Dezember über 500 Originale aus der Wikingerzeit zu sehen – zusammengestellt aus diversen namhaften Museen. Das Ziel: ein vielschichtiges, wirklichkeitsnahes Bild der Wikingerzeit zu vermitteln. Stereotype Vorstellungen sollen über Bord gehen.
Männer (und Frauen) des Schwertes
In manchen Klischees steckt jedoch auch ein Fünkchen Wahrheit. Prunkvolle Waffenfunde aus dem Frühmittelalter sprechen dafür, dass die Wikinger tatsächlich mutige, kämpferische Männer waren: Als schlagende Begleiter im Kampf dienten ihnen die berühmten Ulfberht-Schwerter. Mit ihren hochwertigen, in einer fränkischen Edelschmiede gefertigten Stahlklingen gelten sie als die "Superwaffen" des Mittelalters. Ihre erstklassige Qualität war so beliebt und ihre Schlagkraft so gefürchtet, dass die karolingischen Könige in Franken den Waffenexport im 9. Jahrhundert zeitweise verbieten ließen. Schließlich wollten sie von der Kriegspartei der Wikinger nicht mit eigens produzierten, fränkischen Waffen geschlagen werden.
Im Umlauf waren damals auch zahlreiche Kopien des Marken-Schwertes aus dem Frankenland. Bei den maroden Imitaten wurde mitunter der Name falsch geschrieben – wie bei heutigen Marken-Plagiaten.
Auch Frauen durften bei den Wikingern übrigens Schwerter tragen, allerdings nur, wenn sie keinen Vater, Bruder oder Ehemann mehr hatten: "Dann repräsentierten die Frauen die Familie und durften für die Familie sprechen. Das Schwert war damit auch für sie ein Standeszeichen", klärt Kuratorin Dr. Michaela Helmbrecht auf.
Die Wikinger als Strategen und Feingeister?
Wickie, der kleine Wikingerjunge aus der bekannten Kinderserie "Wickie und die starken Männer", ist eher ängstlich und kann nicht mit Muskelkraft punkten. Stattdessen setzt er seinen Verstand ein und rettet der Wikingermannschaft mit seinen raffinierten Ideen immer wieder die Haut. Tatsächlich war strategisches Denken gar nicht so untypisch für die tapferen Nordleute: Sie folgten keineswegs immer nur der Prämisse "Hau drauf!". In der Rosenheimer Ausstellung sollen die Wikinger durchaus auch als "clevere Strategen" gezeigt werden. Statt immer nur blindwütig zu plündern, erhoben sie auch Tribute und handelten unter anderem mit Metallen und Nahrungsmitteln.
Sogar das Kunsthandwerk spielte bei den heute als brandschatzende Krieger verschrieenen Nordleuten eine Rolle. Zahlreiche wertvolle Fundstücke von Goldschmiedearbeiten mit feiner Ornamentik bis hin zu dekorativen Runensteine und Gefäßen belegen die feingeistige Seite der Wikinger.
Auf eine Zeitreise gehen
In der Erlebnisausstellung "Wikinger!" soll die sagenumwobene Vergangenheit des legendären Nordvolkes auf allen Ebenen erfahrbar gemacht werden. Ein Klischee bestätigt die Ausstellung allerdings: Die Wikinger waren überragende Seefahrer und machten als solche über drei Jahrhunderte hinweg die Meere bis nach Grönland unsicher.