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Politik

"Wilders ist nicht wie Trump"

10. März 2017

Kurz vor den Parlamentswahlen reden alle über Geert Wilders. Im DW-Interview erklärt der niederländische Politikwissenschaftler Andrej Zaslove, wie der Rechtspopulist die politische Debatte verändert hat.

Niederlande Wahlkampf Geert Wilders ARCHIV
Laut neuester Wahlprognose wird Geert Wilders circa 15 Prozent der Stimmen erhaltenBild: picture alliance/dpa/M. Beekman

DW: Herr Zaslove, kommen wir direkt zur drängendsten Frage: Kann Wilders mit seiner rechtspopulistischen Partei für die Freiheit (PVV) die Wahlen gewinnen?

Andrej Zaslove: Laut der aktuellsten Umfrage wird die PVV nach der Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD), die auch schon jetzt regiert, nur zweitstärkste Kraft. Aber selbst wenn Wilders doch die meisten Stimmen bekäme, bräuchte er Koalitionspartner, um eine Regierung zu bilden. Außer er kann alleine die Mehrheit der Wähler für sich gewinnen, aber das ist im Vielparteiensystem der Niederlande so gut wie unmöglich.

DW: Und Koalitionspartner, gäbe es die?

Andrej Zaslove: Man soll niemals nie sagen, aber bisher haben alle relevanten Parteien eine Zusammenarbeit eindeutig abgelehnt. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir Wilders bald als Ministerpräsident sehen, geht gegen null.

DW: Warum haben sich Wilders Umfragewerte so kurz vor der Wahl verschlechtert?

Andrej Zaslove: Seine Wahlkampagne war komisch, er war fast nicht präsent. Vielleicht hat das einige halb Entschlossene umgestimmt. Aber es ist noch zu früh, um Wilders abzuschreiben: Viele fragen sich, ob alles kalkuliert ist und er nicht noch einen Überraschungsangriff startet.

DW: Und trotz oder sogar gerade wegen Wilders Abwesenheit haben die Leute ja immer noch über ihn geredet. Warum?

Andrej Zaslove: Mit seinen populistischen Aussagen gegen den Islam, gegen die EU und gegen Einwanderung erregt Wilders natürlich viel Aufsehen. Ich würde nicht sagen, er ist antidemokratisch, aber er lotet provokativ die Grenzen der Demokratie aus. Anders als zum Beispiel Donald Trump hat Wilders aber ein konsistentes Weltbild, er handelt wohlüberlegt und ist ein erfahrener Politiker.

Der Niederländer Andrej Zaslove forscht seit 13 Jahren zu PopulismusBild: Radboud-Universität Nijmegen

DW: Seine Hetze gegen Muslime und Migranten klingt aber meist nicht sehr besonnen, wie etwa die Fotomontage von Angela Merkel mit blutverschmierten Händen, die er nach dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt twitterte. 

Andrej Zaslove: Geert Wilders fährt schon seit vielen Jahre Kampagnen gegen den Islam, der Kampf dagegen ist sein wichtigstes Anliegen. Viele Menschen in den Niederlanden fragen sich, ob sein isoliertes Leben die übersteigerten Positionen noch verstärkt hat. Seit 2004 lebt er ja wegen Morddrohungen unter ständigem Polizeischutz fast wie in einem Gefängnis.

DW: Die PVV hat Wilders 2006 gegründet. Wie hat die Partei seitdem die politische Debatte in den Niederlanden beeinflusst?

Andrej Zaslove: Insgesamt kann man einen Rechtsruck beobachten. Denn die anderen Parteien, zum Beispiel die nationalliberale VVD mit Ministerpräsident Mark Rutte, wollen Wilders das Feld nicht alleine überlassen und Stimmen an ihn verlieren. Wilders hat die Grenzen des Sagbaren verschoben: Für das, was Politiker heute offen sagen, wären sie in den Neunzigern gerichtlich verfolgt worden.

DW: Wer sind die Leute, die die PVV wählen?

Andrej Zaslove: Ein Teil der Stimmen für die PVV stammt von einer seit Jahren sehr loyalen Stammwählerschaft. Studien zufolge sind es tendenziell mehr Männer als Frauen und außerdem eher weniger gebildete Menschen, die sich abgehängt fühlen. Außerdem ist das Wählen von Wilders bei vielen ein Protestakt gegen das politische Establishment. Gegen dieses ist  - ähnlich wie in Deutschland  - durch eine große und träge Koalition der Unwille in den letzten Jahren gewachsen. 

DW: Nehmen wir an, die PVV regiert nun doch in Kürze die Niederlande. Würden dann - so wie Wilders es verspricht - Nexit, Koran-Verbot und Grenzschließung Realität werden?

Andrej Zaslove: Ich glaube, vieles ist unrealistisch. Für einen Austritt aus der EU gäbe es nicht genug Unterstützung in der niederländischen Bevölkerung, ich sehe das einfach nicht. Andere Forderungen sind nicht mit der Verfassung vereinbar. Und ein Ministerpräsident hat in den Niederlanden nicht so viel Macht wie etwa Kanzlerin Merkel in Deutschland.

Andrej Zaslove ist Dozent für Vergleichende Politikwissenschaft an der Radboud-Universität Nijmegen. Seit 13 Jahren forscht er über Populismus in den Niederlanden und in anderen Ländern. Er hat unter anderem das Buch "The Re-invention of the European Radical Right" verfasst.

Das Gespräch führte Ines Eisele. 

 

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