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"Sport heilt den Krebs nicht, aber..."

4. Februar 2020

Die Diagnose Krebs ist ein Schock für die Patienten. Im DW-Interview erklärt Professor Wilhelm Bloch von der Deutschen Sporthochschule Köln, welchen Einfluss Sport auf die Krebsbehandlung haben kann.

Symbolbild Sport Jogging
Bild: picture-alliance/Zuma Press/El Nuevo Dia de Puerto Rico/Jupiterimages

Hilft Sport gegen Krebs?

05:06

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Herr Bloch, auf welchem Gebiet forschen Sie und Ihre Kollegen im Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin zum Thema Krebs?

Professor Wilhelm Bloch: Vier von zehn Arbeitsgruppen hier im Institut beschäftigen sich mit dem Thema Sport und Krebs. Wir bearbeiten gerade ein großes EU-Projekt, wo es etwa um neue Therapieanwendungen mit hoch intensivem Intervalltraining bei Frauen mit Brustkrebs geht. Wir wollen neue Ansätze herausarbeiten: Was passiert eigentlich im Körper eines an Krebs erkrankten Patienten, wenn er Sport treibt? Wir untersuchen, ob sich Sport auswirkt und möglicherweise auch die Therapie unterstützt. Das ist in den vergangenen Jahren zunehmend in den Blickpunkt geraten.

Wie war in früheren Jahren die Herangehensweise?

Als wir 2007 mit den Forschungen anfingen, lag das Hauptaugenmerk auf den Nebenwirkungen, die durch eine Tumorerkrankung oder eine Therapie entstehen, und deren mögliche Reduktion. Mit der Zeit stellte sich aber heraus, dass körperliche Aktivität mehr ist und sein kann als nur eine Hilfe bei Nebenwirkungen. 

Inwiefern?

Zum einen der präventive Charakter: Der Sporttreibende tut etwas dafür, dass er ein nicht so hohes Risiko hat, Krebs zu bekommen. Zum anderen erkennen wir, dass Sport in der Rehabilitation hilft, den Krebs zu überwinden. Aktuell steht immer mehr im Fokus, Sport auch therapiebegleitend einzusetzen, um die Effekte der Therapie zu verstärken.

Welche Prozesse laufen im Körper ab, wenn ein Krebspatient Sport treibt?

Es werden durch Sport Prozesse ausgelöst, die helfen, den Tumor zu bekämpfen. Man heilt durch Sport nicht den Krebs. Aber man versetzt den Körper in die Lage, besser mit dem Krebs fertig zu werden oder auch die Therapie besser zu verarbeiten. Ein zentraler Mechanismus ist dabei, das Immunsystem anzuregen. Jede körperliche Betätigung löst so etwas wie Stress auf das Immunsystem aus, das darauf reagiert und seine Stellgrößen und seine Aktivität verändert. Es kommt zu immunologischen Prozessen, die direkten Einfluss auf den Krebs haben.

Wie sieht das konkret aus?

Professor Wilhelm Bloch forscht seit zwölf Jahren am Thema Sport und KrebsBild: DSHS Köln

Ein Beispiel, an dem wir hier geforscht haben, sind die natürlichen Killerzellen. Diese erkennen Tumorzellen, greifen sie an und können sie auch zerstören. Wir nennen das lytische Aktivität. Darunter versteht man, wie viele Tumorzellen von den natürlichen Killerzellen aufgelöst werden. Diese Killerzellen können allerdings unterschiedlich "scharf" sein. Die Aktivität bei diesen Zellen steigt bei Trainierten und nach dem Sport. Es gibt auch noch viele andere Zellen, die bei Krebs eine Rolle spielen und die ähnlich reagieren. 

Wie aktiv sind etwa diese Killerzellen?

Wir können davon ausgehen, dass unser Körper jeden Tag mit einer Menge von entarteten Zellen geflutet wird. Der Körper kommt glücklicherweise damit gut zurecht. Aber irgendwann gibt es den Punkt, an dem das nicht mehr funktioniert und sich irgendwo ein Tumorzellen-Nest festsetzt. Das kann viele Jahre schlafen, und plötzlich fängt der Tumor an zu wachsen. Wir haben zu jedem Zeitpunkt diese Bedrohung. Wenn man gewisse physische Neigungen oder genetische Veränderungen hat, kann man das mit Sport auch nicht verhindern. Ein Beispiel dafür ist Hautkrebs. Aber der Sport kann helfen, die kleinen Ereignisse einzubremsen. Dann habe ich als Patient schon sehr viel gewonnen. Wir sprechen von Wahrscheinlichkeiten: Um wie viel Prozent reduziere ich mein Risiko?   

Wie sollte eine sportliche Betätigung aussehen, um Krebs vorzubeugen?

Wenn man in der Woche sechs Stunden moderat läuft oder walkt, reduziere ich mein Darmkrebs-Risiko um 40 Prozent. Für Prostata-Karzinome liegt der Wert die Risikosenkung bei etwa 25 bis 30 Prozent. So auch bei Brustkrebs. Gerade bei Darmkrebs kann ich zusätzlich durch gute Ernährung einen sehr guten Schutz bekommen. Wenn ich Übergewicht habe, steigt mein Krebsrisiko. 

Gibt es auch Krebsarten, bei denen Sport nicht hilft?

Es gibt ein paar wenige, etwa Rektum-Karzinome. Bei ihnen lassen sich keine Effekte nachweisen. Bei Lungen-Karzinomen gibt es nur kleine Effekte. Aber wenn man raucht, ist der Effekt auf die Entstehung eines Tumors ohnehin viel größer, als man ihn mit Sport wieder wettmachen könnte. Grundsätzlich lässt sich allerdings sagen: Fast jedem Tumor lässt sich präventiv begegnen mit körperlicher Aktivität. 

Wie unterstützt Sport eine Krebstherapie?

Die Stimulation des Immunsystems bewirkt einen Vorteil. Wenn ich Sport richtig mache und richtig dosiere, verbessert das auch den Allgemeinzustand der Patienten. Ein Patient hält mehr Therapie aus, wenn er fitter ist. Ein nicht fitter Patient bricht unter Umständen eine für ihn wichtige Chemotherapie ab, weil er sie einfach körperlich nicht mehr verträgt. Damit steigt das Risiko, dass die Therapie nicht anschlägt. Mittlerweile gehen wir davon aus, dass es fast ein Muss ist, über Sport und Bewegungstherapie bei Krebspatienten nachzudenken.

Krafttraining soll während einer Krebstherapie eingesetzt werdenBild: picture-alliance/Marco Wolf

Mehr Sport ist also deutlich besser?

Wenn ich den Patienten gleichzeitig fit halte, ist er in der Lage, länger oder mit höherer Dosierung  in der Therapie durchzuhalten. Zuweilen vertragen Leistungssportler sehr hohe Dosierungen, die man einem "normalen" Menschen gar nicht verabreichen könnte. Das ist schon eine Sondersituation, dass der Patient dies überhaupt überlebt.

Welche Art von Sport empfiehlt sich in der Krebstherapie eher: Ausdauer- oder Kraftsport?

Die schwierigste Frage ist, wie genau ich das Training steuern muss. Noch sind wir in der Forschung nicht so weit, dass wir das ganz genau sagen können. Früher hätten wir den Patienten geraten, ein schonendes, moderates, eher ausdauer-basiertes Training zu absolvieren. Heute können Patienten auch ein hoch intensives Intervalltraining machen - wenn sie es richtig anwenden. Mittlerweile kombinieren wir Kraft- und Ausdauersport und streuen durchaus auch hoch intensive Einheiten ein. Wir müssen Muskeln aufbauen, die der Patient während einer Therapie verliert. Sport lässt sich wie eine Art Medikament einsetzen. Ich würde Sport auch sehen wie ein Medikament.

Professor Wilhelm Bloch leitet das Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin an der Deutschen Sporthochschule Köln und forscht auf dem Gebiet der molekularen und zellulären Sportmedizin. Schwerpunkte in Blochs Forschungsarbeit sind die medizinische und zellbiologische Anpassung von Geweben und Organen auf körperliche Belastung. Er befasst sich auch mit der Auswirkung von körperlicher Betätigung auf Krebspatienten.

Das Interview führte Jörg Strohschein.

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