Welche Rolle spielen die USA künftig bei IWF und Weltbank?
23. April 2025
Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank sorgen meist nur in Zeiten erheblicher Umbrüche für Schlagzeilen. Eine Suchmaschinen-Recherche mit dem Begriff "Argentinien" bringt mit etwa gleicher Wahrscheinlichkeit Artikel über IWF-Kredite für das schuldengeplagte Land hervor, wie Informationen über die jüngsten Fußballtriumphe von Fußball-Star Lionel Messi.
In der vergangenen Woche wurde das jüngste Finanzpaket des IWF in Höhe von 30 Milliarden US-Dollar (17,4 Milliarden Euro) für Argentinien, sein größtes Schuldnerland, verkündet. Damit unterstützt der Weltwährungsfonds weiter den Reformkurs des libertären Präsidenten Javier Milei, der die Wirtschaft des südamerikanischen Landes nach Jahrzehnten überbordender Staatsausgaben wieder auf Kurs bringen will.
Die Arbeit der Weltbank findet in der Regel eher unter dem Radar statt. Während der Corona-Pandemie vergab die Finanzinstitution laut ihrer Website still und leise Kredite und Zuschüsse in Höhe von 170 Milliarden US-Dollar an über 100 Länder und erreichte damit rund 70 Prozent der Weltbevölkerung.
Wenn der IWF und die Weltbank am Donnerstag zu ihrer Frühjahrstagung in der US-Hauptstadt Washington zusammenkommen, stehen ihnen unsichere Zeiten bevor. Erstens droht die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump das globale Wirtschaftswachstum aus dem Tritt zu bringen. Und zweitens ist völlig offen, ob die USA die beiden internationalen Institutionen weiter unterstützen werden.
Das "Project 2025" und die Abkehr von IWF und Weltbank
Die Spekulationen über einen US-Austritt werden vor allem durch die Forderungen des "Project 2025" befeuert, eine Art rechtsnationales Drehbuch für Trumps zweite Amtszeit. Das unter Mitwirkung von mehr als einhundert republikanischen Denkfabriken und Organisationen entstandene Programm für den konservativen Umbau der USA fordert den Rückzug der USA aus beiden Institutionen, weil sie als "teure Zwischenhändler" gesehen werden, die US-Gelder weltweit umverteilen.
Trumps Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen und der Weltgesundheitsorganisation (WHO), verbunden mit einer Anordnung vom Februar, alle von den USA finanzierten internationalen Organisationen innerhalb von 180 Tagen zu überprüfen, hat die Sorgen über die zukünftige Beteiligung der USA an IWF und Weltbank weiter angeheizt. Washington hat noch keine Exekutivdirektoren für beide Organisationen ernannt, was auf eine bewusste Pause im US-Engagement hindeutet.
Die USA profitieren jedoch erheblich durch ihre Rolle bei beiden Institutionen - rein wirtschaftlich und durch die Ausübung von "Soft Power", die den Vereinigten Staaten die Verbreitung eigener Normen und Werte ermöglicht. Mit dem größten Stimmenanteil sowohl beim IWF als auch bei der Weltbank verfügt die Regierung in Washington über ein effektives Vetorecht bei wichtigen Entscheidungen. Kredite an verschuldete Länder sind oft an Bedingungen wie Marktliberalisierung geknüpft, die mit den Interessen der USA übereinstimmen.
Robert Wade, Professor für politische Ökonomie an der London School of Economics (LSE), glaubt, dass ein Rückzug der USA schwerwiegende Auswirkungen auf Washingtons globales Ansehen hätte. "Aufeinanderfolgende US-Regierungen und der Kongress haben lange Zeit so getan, als wären die Weltbank und der IWF Agenten oder Waffen des US-Staates", sagte Wade der DW. "Auf die eine oder andere Weise übt Washington einen großen Einfluss auf ihre Politik aus."
Zölle schocken Investoren und schüren Krisenängste
Die Anfang des Monats von Donald Trump angekündigten höchsten Zölle seit rund 100 Jahren sorgen für große Unsicherheit in der Weltwirtschaft - besonders, seit die Aktienmärkte stark nachgegeben haben. Trumps Kritiker befürchten nun, dass eine nach innen gerichtete US-Regierung das gesamte globale Finanzsystem aufs Spiel setzen könnte, das 1944 beim Abkommen von Bretton Woods festgelegt worden war.
Damals hatten die Siegermächte des Zweiten Weltkriegs unter Federführung der USA die Rahmenbedingungen für den künftigen internationalen Handel definiert: Stabilität durch freie Wechselkurse, die Dominanz des US-Dollars und die Schaffung von Institutionen wie IWF und Weltbank.
"Die Trump-Regierung hat keine kohärente Position zu Reformen der Weltbank, des IWF oder einer anderen internationalen Institution", sagt Constantin Gurdgiev, außerordentlicher Professor für Finanzen an der University of Northern Colorado, im Interview mit der DW. "Dies ist eine transaktionale, populistische, nach innen gerichtete Agenda, die darauf abzielt, schnelle Erfolge auf Kosten des internationalen Systems zu erzielen."
Jeder Rückzug der USA könnte zu einer unmittelbaren Liquiditätskrise bei IWF und Weltbank führen, deren Ressourcen in Höhe von insgesamt 1,5 Billionen US-Dollar stark von den finanziellen Beiträgen der USA abhängen. Gurdgiev prognostiziert "signifikante Auswirkungen" auf die Fähigkeit von IWF und Weltbank, wirksame Maßnahmen bei künftigen Krisen zu finanzieren. Ein Rückzug der USA, so Gurdgiev, wäre ein strategisches Geschenk an China, das bereits stark investiert hat, um seinen globalen Einfluss auszuweiten.
"Beide Institutionen sind für die USA äußerst kosteneffizient und helfen ihnen, ihre längerfristigen Ziele zu erreichen", so Gurdgiev und meint damit auch den Umgang mit China.
Chinas Rolle als globaler Kreditgeber
Eine Berechnung des Global Development Policy Center der Boston University schätzt, dass China zwischen 2008 und 2021 Kreditzusagen in Höhe von fast 500 Milliarden US-Dollar gegenüber 100 Ländern gemacht hat. Angesichts der Schwächung von IWF und Weltbank könnten sich Länder, die stark verschuldet oder auf der Suche nach der Finanzierung von Infrastrukturprojekten sind, zunehmend an Chinas Institutionen wenden. Damit werde Pekings geopolitischer Einfluss weiter verstärkt.
Im Jahr 2015 hatten China und andere BRICS-Staaten des globalen Südens die New Development Bank (NDB) gegründet, die oft als Rivale der Weltbank gesehen wird. Die NDB bietet Kredite mit weniger strengen Bedingungen an und fördert die Kreditvergabe in Nicht-Dollar-Währungen, womit sie die westliche Finanzdominanz in Frage stellt.
Ein Rückzug der USA würde auch die Verlegung des Hauptsitzes von IWF und Weltbank aus Washington nach Japan, dem zweitgrößten Geldgeber, nach sich ziehen. Wade zufolge würde sich China, das bei den Stimmrechtsanteilen unterrepräsentiert ist (mit nur 6,1 Prozent beim IWF), vehement dagegen wehren.
Könnte Trump einen besseren Deal aushandeln?
"Trump könnte argumentieren: Erhöhen Sie Ihre Mittel, und Sie werden einen größeren Stimmenanteil gewinnen", so Wade über eine mögliche Verhandlungstaktik des US-Präsidenten. "Es ist wahrscheinlicher, dass die USA zumindest eine ernsthafte Drohung aussprechen könnten, die Weltbank (und nicht den IWF, Anm. d. Red.) zu verlassen."
Während regionale Banken wie die Asiatische Entwicklungsbank oder die Interamerikanische Entwicklungsbank die Rolle der Weltbank teilweise ausfüllen könnten, sind Alternativen zum IWF rar gesät. Die Bemühungen der BRICS, ein Pendant zum IWF zu schaffen, sind ins Stocken geraten.
Gurdgiev argumentiert, dass Trump den IWF und die Weltbank als "Cheerleader" für seine Hochzoll-Politik und America-First-Agenda ansieht und seine Regierung Schritte unternehmen wird, um den Einfluss Chinas und anderer BRICS-Staaten in beiden Organisationen einzudämmen. "Aber diese Institutionen verfügen über genügend intellektuelle Integrität, um zu verstehen, wie gefährlich diese Politik sowohl für die US-amerikanische als auch für die Weltwirtschaft ist", fügt er hinzu.
Gewitterwolken über der Weltwirtschaft
In der Tat wächst die Sorge, dass Trumps aggressive Handelspolitik, wenn sie vollständig umgesetzt und Vergeltungsmaßnahmen ergriffen werden, das Potenzial hat, eine große globale Finanzkrise auszulösen. Der IWF hat am Dienstag seine Wachstumsprognose für Dutzende von Ländern gesenkt, weil das Abwürgen des Welthandels viele verschuldete Länder unter Druck setzt.
"Die globale Finanzlage ist derzeit sehr fragil und könnte leicht in eine Finanzkrise kippen", warnt Wade von der LSE und prognostiziert, dass Trump gezwungen sein werde, bei den Gesprächen über einen Austritt aus dem IWF und der Weltbank einen Rückzieher zu machen, "wenn klare Anzeichen für eine Schuldenkrise auftauchen".
Gurdgiev warnt , dass ein mangelndes Engagement Washingtons in beiden Institutionen den derzeitigen Pessimismus gegenüber Trumps Wirtschaftspolitik und die zukünftige Rolle der USA in globalen Angelegenheiten nur noch verstärkt. Diese Unsicherheit, glaubt er, könnte zu einer systemischen Krise führen, in einer Zeit, in der sowohl der IWF als auch die Weltbank stark geschwächt sind.
"Wir neutralisieren die Fähigkeit von Institutionen, die als Kreditgeber letzter Instanz fungieren, ihre Arbeit zu tun", warnt Gurdgiev, der auch Gastprofessor am Trinity College in Dublin ist. "Das ist kompletter und ausgemachter Blödsinn."
Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert