Der US-Schauspieler gilt als einer der vielseitigsten seiner Zunft. Von der B3 Biennale Frankfurt wird Willem Dafoe nun mit dem BEN Award geehrt.
Anzeige
Vorliebe für extreme Rollen: Willem Dafoe
Er reizt die Abgründe seiner Figuren, die Grenzen der Rollen gern aus. Nach 100 Filmen ist Willem Dafoe ein internationaler Star - mit vielen Gesichtern.
Bild: picture-alliance / dpa/dpaweb
"Van Gogh - An der Schwelle zur Ewigkeit" (2018)
US-Regisseur Julian Schnabel wusste sehr genau, was er seinem Hauptdarsteller für die Rolle des Malers Vincent van Gogh an Professionalität abverlangen konnte. Die extreme körperliche Kraftanstrengung bei den Dreharbeiten für "Van Gogh" (2018) - an Originalschauplätzen in Frankreich gedreht - spiegelte sich auch im gepeinigten Gesicht von Willem Dafoe wieder: eine seiner stärksten Rollen.
Vier Oscar-Nominierungen und mehrere für den Golden Globe kann Willem Dafoe heute auf seinem Erfolgskonto als internationaler Filmstar verbuchen. Oscarverdächtig erschien der Film Academy in Hollywood auch seine Hauptrolle als Max Schreck in der schwarzen Komödie "Shadow of the Vampire", in dem nicht nur die perfekte Maske das nackte Grauen in die Mimik von Dafoe zaubert.
Bild: picture-alliance / dpa/dpaweb
"Die letzte Versuchung Christi" (1988)
Schmerzgeplagte, schwer beladene Figuren, wie auch in diesem grandiosen Film die Rolle des Jesus Christus, sind für den Theaterschauspieler Willem Dafoe ein Leichtes. Sein handwerkliches Repertoire umfasst abgründige Gefühlslagen und tiefe Trauer ebenso wie Humor und Situationskomik.
Bild: picture-alliance/dpa
"Pasolini" (2014)
Kaum einer der großen Hollywood-Stars verkörpert zergrübelte, in innere Widersprüche verstrickte Personen so perfekt wie Willem Dafoe. Seine Interpretation von Paolo Pasolini, der als Intellektueller und Regisseur das europäische Kino sehr geprägt hat, lässt dessen masochistisch grundierte Wesenszüge immer mitspielen - in all ihrer Brutalität und tödlichen Konsequenz. Pasolini wurde ermordet.
Bild: 71st Venice International Film Festival
"Leben und Sterben in L.A." (1985)
1985 spielte Dafoe erfolgreich in dem Action-Thriller "Leben und Sterben in L.A." einen Geldfälscher. Die Grenze zwischen Gut und Böse verwischt er hier in genialer Spielweise und setzt erste Marksteine für seine Karriere.
Bild: METRO-GOLDWYN-MAYER STUDIOS INC.
"Platoon" (1986)
Ein Jahr später startet Dafoe mit seiner Rolle in Oliver Stones kritischem Vietnam-Film "Platoon" endgültig in Hollywood durch. Er spielt - extrem differenziert - einen US-Soldaten, der seit Jahren in dem südostasiatischen Land im gefährlichen Einsatz unterwegs ist. Der Auftritt war so überzeugend, dass die Film-Akademie in Los Angeles Dafoe für einen Oscar nominierte.
Bild: ORION PICTURES CORPORATION
"Saigon" (1988)
Als Militär-Polizist Buck McGriff zeigt Dafoe in dem Kriminalfilm "Saigon", wie intensiv er sich mit dem historischen Umfeld auseinandersetzt. Er las, was er über das Jahr 1968 finden konnte. Die Aufklärung einer brutalen Mordserie an sechs vietnamesischen Prostituierten im damaligen Saigon entwickelt sich zum Polit-Drama: Die Spur führt in die höchsten Militär-Dienststellen der US-Army.
Bild: United Archives/picture-alliance
"Wild at Heart" (1990)
Über seine Rolle in dem Roadmovie "Wild at Heart", einer Literaturverfilmung von Regisseur David Lynch, scherzt er in Interviews gern: "Die Vorbereitung war denkbar einfach: Ich habe die falschen Zähne eingesetzt, meine Haare mit Gel zurückgekämmt, und - zack! - war ich in der Rolle."
Bild: picture-alliance/dpa/Everett Collection
"Der englische Patient" (1996)
Auch "Der englische Patient" ist eine Literaturverfilmung - und einer der erfolgreichsten Kinofilme in der langen Filmografie von Willem Dafoe. Grundlage für das Drehbuch war der Bestseller von Michael Ondaatje. Bei der Oscarverleihung 1997 gewann das Liebesdrama insgesamt neun Academy Awards, unter anderem für die Beste Regie und als Bester Film.
Bild: Imago/Cinema Publishers Collection
"Antichrist" (2009)
Ein harter Psychothriller: Horror und Wahnsinn eines tragischen Ehedramas. Die extremen Sexszenen meistert Willem Dafoe, hier mit Filmpartnerin Charlotte Gainsbourg, bravourös. Der Regie zollt er Respekt. "Ich arbeite nur ungern mit Zynikern, Karrieristen oder Langweilern, ich vertraue mich lieber visionären, passionierten Filmemachern an - wie David Lynch, Martin Scorsese oder Lars von Trier."
Bild: Christian Geisnaes
"Der Leuchtturm" (2019)
Das Drehbuch des Horrorfilms "Der Leuchtturm" war noch mal eine ganz neue Herausforderung für den Schauspieler Willem Dafoe. Naturgewalten als Kulisse, die Einsamkeit schweigsamer Männer und trinkfester Humor, das alles waren Zutaten ganz nach seinem Geschmack. Der Film erzählt die Geschichte zweier Leuchtfeuer-Wärter in Maine Ende des 19. Jahrhunderts, die zunehmend dem Wahnsinn verfallen.
Bild: Eric Chakeen/Universal Studios/dpa/picture-alliance
11 Bilder1 | 11
Seine Karriere als Hollywood-Star verlief nicht wirklich gradlinig. Anfangs musste er sogar herbe Misserfolge einstecken. Dann aber entwickelte sich Willem Dafoe zu einem der gefragtesten Schauspieler seiner Generation. Nach vier Oscar-Nominierungen kann er der langen Liste seiner Auszeichnungen nun den Hauptpreis der "B3 Biennale des bewegten Bildes 2020" hinzufügen, den sogenannten B3 BEN Award in der Kategorie "Most Influential Artist".
Holpriger Start für Dafoes Karriere
Schon als Jugendlicher entscheidet sich Willem Dafoe dafür, Schauspieler zu werden. Mit 17 beginnt er Theaterwissenschaften zu studieren, aber das ist ihm viel zu theoretisch. Er schließt sich einer experimentellen Theatergruppe an, die quer durch die USA und Europa tourt. Die abwechslungsreiche Arbeit - nicht nur auf der Bühne, sondern auch hinter den Kulissen - schult die Präzision seiner Aufmerksamkeit.
Den ersten Filmauftritt verschafft ihm US-Regisseur Michael Cimino in dem Westernepos "Heaven's Gate" (1980). Aber Dafoe fliegt am Set raus, seine Nebenrolle fällt am Schluss dem Schnitt zum Opfer. In der endgültigen Version findet der temperamentvolle Jungschauspieler nicht mehr statt.
Aufmerksamkeit erringt Willem Dafoe in den USA mit dem Actionfilm "Straßen in Flammen" (1984), in dem er den coolen Boss einer Motorradgang spielt. Auch in dem Hollywoodfilm "Leben und Sterben in L.A." (1985) fällt er auf. Ein Jahr später bringt ihm sein Part als Sergeant Elias in dem Vietnamdrama "Platoon" von Regisseur Oliver Stone eine Oscar-Nominierung als bester Nebendarsteller ein.
Anzeige
Vier Oscar-Nominierungen
Dafoe, der am 22. Juli 1955 in Appleton (Wisconsin) geboren wird, lässt sich von Rückschlägen nicht unterkriegen. Selbst die Goldene Himbeere, für die er 1993 als schlechtester Schauspieler und 1997 als schlechtester Nebendarsteller nominiert wird, spornt ihn an. Er ist zäh, ausdauernd und macht eben auf seine Art eine beeindruckende Karriere. Seinen amerikanischen Geburtsnamen William James ersetzt er wohlüberlegt durch das originellere Willem.
Neben dem Filmgeschäft spielt er weiter Theater und ist Mitbegründer einer erfolgreichen Theatertruppe in New York, der "Wooster Group". Mittlerweile hat Willem Dafoe über 100 Filme gedreht. Er gilt als einer der wagemutigsten Schauspieler seiner Generation. Bemerkenswerte Hauptrollen hat er gespielt: Oft verkörpert Dafoe extrem introvertierte und eigensinnige Charaktere wie den Maler Vincent van Gogh oder den wortkargen Wärter in "Der Leuchtturm" (2019).
Für den charismatischen Dafoe sind schwierige Charaktere kein Problem, sondern eine permanente Herausforderung: "Ich mache das rein intuitiv", erzählt er 2018 im DW-Interview auf der Berlinale. "Natürlich schaue ich mir das Drehbuch und die Rolle genau an, aber auch das Umfeld und wer den Film als Regisseur betreuen wird, ist wichtig. Ich schaue mir immer das große Ganze an, man weiß nie genau, was eine Rolle beinhaltet, bis man sie spielt."
Umstritten: Lars von Triers "Antichrist" mit Dafoe und Gainsbourg
Häufig arbeitet Hollywood-Schauspieler Dafoe mit international bekannten Regisseuren zusammen - aus den USA und auch aus Europa, wie etwa mit dem Dänen Lars von Trier in dem umstrittenen Psycho-Thriller "Der Antichrist" (2009) an der Seite von Charlotte Gainsbourg. Vier Oscar-Nominierungen und zahlreiche Nominierungen für den Golden Globe sind der Lohn für eine sehr körperliche Schauspielarbeit, bei der Willem Dafoe häufig auch an seine physischen Grenzen geht.
Nach eigenen Angaben hat Willem Dafoe deutsche, englische, irische, schottische und französische Wurzeln. Der Schauspieler verkörpert keinen speziellen Rollentyp. Er kann den brutalen Mörder ebenso spielen wie den netten Familienvater und den mutigen Anti-Helden.
Für ihn stehe immer der Stoff, aus dem die Drehbücher gestrickt sind, im Mittelpunkt, die Geschichte seiner Figur. "Als Schauspieler versucht man immer, den Punkt zu erreichen, an dem man mit der Rolle verschmilzt und genau daraufhin möchte ich hinarbeiten", erklärt Willem Dafoe. "Mein Anspruch ist es, alles zu verbinden. Vielleicht komme ich nie ans Ziel, aber ich versuche es."
Als Vincent van Gogh an den körperlichen Grenzen
In die Biografien seiner Charaktere taucht der Schauspieler jeweils tief ein, so etwa in die tragische Leidensgeschichte des Malers Vincent van Gogh, der sich am Ende seines zerrissenen, vermeintlich erfolglosen Lebens vor dem Spiegel ein Ohr abschneidet. Star-Regisseur Julian Schnabel, selbst Maler, trieb Dafoe beim Dreh an den Rand völliger körperlicher Erschöpfung, um dem Wahnsinn des Künstlers möglichst nahe zu kommen. Es wurde einer seiner grandiosesten Filme. Willem Dafoe bekam dafür bei den Filmfestspielen Venedig 2018 den "Coppa Volpi" als bester Schauspieler.
Jetzt wird der US-Schauspieler mit den europäischen Wurzeln auf der B3 Biennale des bewegten Bildes in Frankfurt am Main (9.- 19.10.2020) mit dem renommierten B3 BEN Award ausgezeichnet - in der Kategorie "Most Influential Artist", als einflussreichster Künstler. Aufgrund der allgemeinen Corona-Lage wird er den Preis allerdings nicht persönlich in Deutschland entgegen nehmen.