William Kentridge: Kunst für Menschenrechte
3. September 2025
William Kentridge gehört zu den bekanntesten Gegenwartskünstlern weltweit. Seine Kohlezeichnungen sind die Basis für ein Universum aus Animationen, Drucken, Collagen, Skulpturen, Tapisserien - und sogar Puppentheater.
Bekannt wurde der in Johannesburg lebende Künstler Ende der 1980er-Jahre mit animierten Kurzfilmen, die auf Zeichnungen basierten. Sie sezierten das südafrikanische Apartheid-Regime, erzählten aber zugleich sehr persönliche Geschichten.
Anlässlich seines 70. Geburtstags in diesem Jahr widmen ihm nun das Museum Folkwang in Essen und die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden eine große Retrospektive. Unter dem Titel "Listen to the Echo" werden Werke aus mehreren Jahrzehnten gezeigt, die sich mit Kolonialismus, Macht und persönlicher Verantwortung auseinandersetzen.
Wurzeln im Anti-Apartheid-Kampf
William Kentridge wurde am 28. April 1955 geboren. Seine Eltern waren jüdische Anwälte und engagierte Menschenrechtler. Sein Vater Sydney Kentridge vertrat unter anderem Nelson Mandela und Desmond Tutu - beide spätere Friedensnobelpreisträger.
Die Ausstellung zeigt Kentridges Entwicklung von den späten 1970er-Jahren bis heute: Neben Filmen aus der berühmten Reihe "Drawings for Projection", die die sozialen und politischen Strömungen des Lebens in Südafrika unter dem Apartheid-Regime untersuchten, sind auch viele seiner Zeichnungen, Drucke oder Skulpturen zu sehen.
Spielen mit Ideen
Ein Teil der Schau in Dresden ist dem "Centre for the Less Good Idea" (auf Deutsch etwa: "Zentrum für die weniger gute Idee") gewidmet, das Kentridge gemeinsam mit der Künstlerin und Kuratorin Bronwyn Lace in Johannesburg gründete. Hier können Kunstschaffende aus verschiedenen Sparten frei experimentieren - ohne den Druck von Perfektion oder Marktanforderungen. "Beim Spielen mit einer Idee erkennt man oft Dinge, von denen man vorher nichts wusste, die man aber schon im tiefsten Inneren mit sich trug", sagte Kentridge einmal über das Projekt.
In Dresden wird das Zentrum neu belebt - zusammen mit Puppen, die als Theaterfiguren zum Leben erweckt werden. Auch Kentridge hat als Regisseur Werke für sie geschrieben, die hier zur Aufführung kommen.
Zudem sind neuere Sound- und Videoinstallationen zu sehen, darunter der Film "Oh to Believe in Another World" ("Oh, an eine andere Welt zu glauben", 2022). Inspiriert von der Biografie Dmitri Schostakowitschs verknüpft Kentridge Musik des russischen Komponisten mit einer Collage aus Bildern, die den Aufstieg und Niedergang der russischen Avantgarde unter sowjetischer Herrschaft zeigen. Im Zentrum steht das fragile Verhältnis von Macht und Kunst.
Menschenrechte und Prozessionen
"Wir freuen uns sehr, ab September Werke aus vier Jahrzehnten präsentieren zu können – Werke eines Künstlers, der Themen wie Kolonialismus und gesellschaftliche Utopien aufgreift und sich unermüdlich für Menschenrechte und Menschenwürde einsetzt", sagt Peter Gorschlüter, Direktor des Museum Folkwang.
"Wir schauen (in Dresden, Anm. d. Red.) dabei besonders auf das Thema der Prozession, das in Kentridges Arbeiten ein wiederkehrendes Motiv darstellt", so Marius Winzeler, Interims-Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. "Zur Eröffnung wird deshalb eine feierliche Prozession mit Chor und Kapelle durch die Dresdner Innenstadt ziehen - vorbei an einem der ungewöhnlichsten monumentalen Prozessionsgemälde, dem Dresdner Fürstenzug."
Die Ausstellungen in Essen und Dresden entstanden in enger Zusammenarbeit mit Kentridge, der die ganze Bandbreite seiner künstlerischen Vision in die Präsentationen mit einbringt. "Künstler zu sein bedeutet, dass dir alle Medien offenstehen, um die Welt zu erkunden", sagte er einmal in einem Interview mit der Tate Gallery. "Das heißt: deine Beziehung zur Welt als Künstler auszuloten."
"Listen to the Echo" läuft vom 4. September 2025 bis 18. Januar 2026 im Museum Folkwang in Essen, ab 6. September 2025 auch in Dresden an drei Orten: im Albertinum, im Residenzschloss und in der Puppentheatersammlung.
Adaption aus dem Englischen: Silke Wünsch