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Politik

Willkommen in Eberswalde

Daniel Pelz
4. November 2016

Es ist ein Job aus Leidenschaft: Thomas Mboya Ochieng ist Koordinator für Flüchtlingshilfe im brandenburgischen Eberswalde. Der Kenianer kam einst selbst als Flüchtling nach Deutschland.

Thomas Mboya Ochieng Flüchtlingskoordinator Eberswalde
Bild: DW/D.Pelz

Es ist keine leichte Aufgabe für Thomas Mboya Ochieng. Er ist Ansprechpartner für 1100 Flüchtlinge in dem kleinen brandenburgischen Ort Eberswalde, auf halbem Weg von Berlin zur polnischen Grenze. Auch nach Feierabend beschäftigen ihn ihre Schicksale. "Ich habe das Gleiche durchgemacht wie sie", sagt Ochieng mit seiner ruhigen, sanften Stimme. "Ich kenne ihre Erwartungen, ich verstehe ihre Schwierigkeiten. Und ich erkenne, wobei sie wirklich Hilfe brauchen."

Sein Job: Zuhören und Hilfe vermittelnBild: DW/D.Pelz

Als Ochieng 2009 in Deutschland ankam, war er genauso ein Flüchtling wie die Menschen, die ihm jetzt in seinem Büro im Bürgerbildungszentrum gegenübersitzen. Über die Gründe seiner Flucht möchte er nicht sprechen. Noch heute erinnert er sich an jedes Detail: Wie er sich mit seinen zwei Kindern im Westen Kenias auf den Weg machte. An die Ankunft in Deutschland und die nicht enden wollenden Befragungen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. An die Monate des Bangens und der Unsicherheit, bis endlich die Aufenthaltsgenehmigung im Briefkasten lag.

Brücken bauen

Auch das Leben im Flüchtlingsheim kennt er zur Genüge. "Ich weiß, wie sterbenslangweilig es ist, in so einem Heim zu leben", sagt er. Damals gab es noch keinen Koordinator für Flüchtlingshilfe, wie er es heute ist. Manchmal kamen Sozialarbeiter in das Heim, wo er untergebracht war. "Ich hatte eine nette Sozialarbeiterin, aber sie hatte so viel zu tun", erinnert sich Ochieng. "Es gab so viele Flüchtlinge, die alle Fragen hatten. Manche probten den Aufstand, manche waren überheblich. Die Sozialarbeiter waren überfordert, sie konnten nicht viel tun."

Eberswalde, eine 40.000-Einwohner-Stadt in BrandenburgBild: picture-alliance/dpa/P. Pleul

Seit März 2015 hat der Kenianer den neu geschaffenen Posten des Ehrenamtskoordinators. Er ist in engem Kontakt mit den freiwilligen Helfern in der Stadt. Die Flüchtlinge informiert er über die verschiedenen Angebote. Es gibt Menschen, die Deutschkurse anbieten, die Flüchtlinge durch den Ort führen oder bei Behördengängen begleiten. Bei Ochieng erfahren die Flüchtlinge auch, an welche Behörden sie sich wenden können, um Hilfe zu bekommen. Doch wo seine Hauptaufgabe liegt, ist für ihn ganz klar: Er möchte Brücken bauen zwischen den Flüchtlingen und den Ansässigen.

"Einer von uns"

"Normalerweise fällt es Flüchtlingen schwer, den Menschen zu vertrauen, von denen sie Hilfe erwarten", sagt Ochieng - und auch hier spricht er aus eigener Erfahrung. "Wer hier in Deutschland ein Asylverfahren durchläuft, muss viele Befragungen über sich ergehen lassen." Das sei mit viel Angst verbunden. Danach brauche es eine Weile, bis neues Vertrauen wachse und die Menschen sich wieder öffnen könnten. "Diese Vertrauensbasis aufzubauen, ist ein wichtiger Teil meines Jobs."

Bisher geht der Plan auf. "Er ist einer von uns", ist der Kenianer Wyclif Otieno überzeugt. Er kam vor sechs Jahren nach Deutschland, darf aber nicht arbeiten, weil er keine Aufenthaltserlaubnis hat. Das wurde ihm irgendwann zur Qual. "Im Flüchtlingsheim gibt es nichts zu tun. Man steht auf, isst und geht schlafen. Am nächsten Tag das Gleiche. Das war mir zu wenig." Über Thomas Mboya Ochieng hat er trotzdem eine Beschäftigung gefunden: Jetzt hilft Otieno bei einer Wohltätigkeitsorganisation aus, die ältere Anwohner in Eberswalde unterstützt. Das Ehrenamt macht ihm Spaß. Wenn er eine Arbeitsgenehmigung bekomme, wolle er sich nach einer Arbeit mit älteren Menschen umsehen, sagt er.

Malyam Ali Mohammed hat dank Ochieng Anschluss gefunden. Nun hofft sie auf eine ArbeitBild: DW/D.Pelz

Der Traum vom Job in Deutschland

Auch die Somalierin Malyam Ali Mohammed hatte es satt, nur zu Hause zu sitzen. Sie wollte sich in ihrer neuen Umgebung zurechtfinden. Ochieng half ihr zunächst, einen passenden Sportkurs zu finden. So tat sie etwas für sich selbst und kam dabei in Kontakt mit Einheimischen. Dann wollte sie Arbeit finden. Ochieng vermittelte die gelernte Erzieherin an einen Kindergarten, der ihr ein einmonatiges Praktikum anbot. "Das war großartig", sagt Mohammed. "Anfangs sprach ich nicht gut Deutsch, aber im Kindergarten habe ich viel gelernt."

Gerade hat Mohammed ihre Aufenthaltsgenehmigung bekommen. Sie darf nun offiziell nach Arbeit suchen. Ihr Traum: "Ein Job als Erzieherin in meiner neuen Heimat Eberswalde", sagt sie strahlend. Auch für Ochieng wäre das ein Erfolgserlebnis. Er selbst könne in der Regel nur Praktika und ehrenamtliche Tätigkeiten vermitteln, sagt er bedauernd: "Die Menschen kommen ja zu mir und sagen: Thomas, ich brauche einen Job." Dann den richtigen Ton zu finden, sei nicht einfach. "Ich muss es schaffen, sie zu motivieren und zu ermutigen. Ich sage dann: Entspann dich, warte auf den richtigen Zeitpunkt. Als erstes solltest du Deutsch lernen und dich fortbilden. Dann kannst du arbeiten."

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