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Willkommenskultur der Griechen lässt nach

Omaira Gill29. April 2016

Griechenland hat Flüchtlinge bisher mit offenen Armen empfangen. Doch die geschlossenen Grenzen machen dem Land zu schaffen und damit nimmt auch die Toleranz der Einheimischen ab. Omaira Gill berichtet aus Athen.

Griechenland Flüchtlinge auf Chios (Foto: picture-alliance/AP Photo/P. Giannakouris)
Bild: picture-alliance/AP Photo/P. Giannakouris

Über 50.000 Menschen sind derzeit in Griechenland gestrandet. Einen Monat nach dem umstrittenen EU-Türkei-Abkommen ist das Land zum Epizentrum geplatzter Träume und Zukunftsängste geworden. Neben der anhaltenden Wirtschaftskrise hat Griechenland jetzt eine weitere Herausforderung auf der Agenda: die langfristige Unterbringung der Flüchtlinge. Aus der Durchgangsstation ist ein Daueraufenthaltsort geworden.

Die Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei macht das Mittelmeerland zum Gatekeeper Europas. Eine Rolle, der es angesichts von Personalmangel und Organisationschaos kaum gerecht werden kann. Trotz der aggressiven Flüchtlingspolitik der Türkei und vieler EU-Länder hat sich Griechenland in der Vergangenheit für die Migranten stark gemacht – bis jetzt.

Um die bis vor kurzem herrschende Willkommenskultur der Griechen nachvollziehen zu können, muss man sich ihre komplexe Geschichte ansehen: Unterdrückung, Bevölkerungsaustausch und Migration ins Ausland sind für das Volk selbst keine Fremdworte. Das sei die Basis für das entgegengebrachte Verständnis gewesen, meint Spyros Economides, Leiter des Hellenic Observatory und außerordentlicher Professor an der London School of Economics für internationale Beziehungen und europäische Politik.

"Flüchtlinge wurden als verzweifelte Menschen gesehen, die aus einem Überlebensinstinkt ihre Heimat verlassen und Griechenland als Zwischenstopp nutzen", sagt er. "Doch als der Andrang größer wurde und immer mehr Menschen kamen, auch solche die per se nicht als ‛Flüchtlinge‛ gelten, hat sich die Einstellung geändert und die Bevölkerung gespalten. Vor allem als man gemerkt hat, dass sich die Ankommenden nicht so einfach innerhalb Griechenlands oder Europa umverteilen lassen."

Griechenland versucht noch immer mit den gestrandeten Flüchtlingen zurecht zu kommenBild: picture-alliance/abaca

"Wir stehen nicht nur vor einem politischen, sondern auch vor einem sozialpolitischen Problem. Kleine Gemeinden sehen jetzt nur noch ungern zu, wenn neue Flüchtlingscamps in ihrem Gebiet aufmachen. Die Chance, dass diese nicht nur temporär errichtet werden, ist groß", sagt Economides. Auf die Flüchtlinge rolle ein Sturm zu, angetrieben von einer ineffektiven Regierung und steigendem Fremdenhass in den Unterkunftsorten.

Der Politikexperte könnte Recht behalten, wenn man sich Bilder aus Veria im Norden Griechenlands anschaut. Dort warfen Anwohner Schweineköpfe in eine frisch gebaute Unterkunft und ein Priester drohte, dass es verheerende Folgen haben werde, falls die Campbewohner sich an dem christlichen Schrein in der Nähe zu schaffen machen sollten.

Extremisten nutzen wachsenden Unmut

Die Frustration kommt der rechtsradikalen Partei "Goldene Morgenröte" gerade recht. Vor Kurzem organisierte sie einen "Anti-Islamierungs"-Protestmarsch in Piraeus, welcher in einen Kampf mit antifaschistischen Gruppen ausartete. Die Bereitschaftspolizei sah zu. "Die Mehrheit der Griechen teilt die Meinung von Goldene Morgenröte nicht, auch wenn die Koalitionsregierung von einer fremdenfeindlichen, nationalistischen Partei (ANEL) gestützt wird. Sie sind unsicher, was die Etablierung von Minderheiten bedeuten wird", sagt Economides.

"Die Migration ins eigene Land ist für die Griechen ein neues Phänomen und daher vielen noch fremd", fügt er hinzu. "Zudem handelt es sich um einen nicht-europäischen Zustrom, wodurch die Unsicherheit steigt. Das kann zeitweise zu Fremdenhass führen, wird sich aber wieder legen."

Die Partei "Goldene Morgenröte" versucht, die politische Lage auszunutzenBild: Getty Images/AFP/L. Gouliamaki

Wenn jemand das Ausmaß der Anti-Flüchtlings-Bewegung mitbekommen hat, dann ist es DW-Auslandskorrespondentin Marianna Karakoulaki. Seit über einem Jahr berichtet sie über die Lage in Idomeni. Die Stimmung dort habe sich im Laufe der Zeit kontinuierlich verändert. "Ich bin mir nicht sicher, ob diese flüchtlingsfeindliche Bewegung etwas Neues ist oder schon immer da war. In den letzten zwei Monaten habe ich vor allem einen Unterschied zwischen der Einstellung gegenüber Syrern und anderen migrierenden Nationen festgestellt. Nur Syrer seien wirklich auf der Flucht. Die Leute fragen sich warum, Afghanen und Pakistaner hier sind. In ihren Augen sind das keine Flüchtlinge, sondern illegale Immigranten."

Karakoulaki wurde Opfer von zahlreichen Online-Drohungen. Darunter solche, von nationalistischen Griechen, die sie dafür kritisieren, dass sie in ihrer Berichterstattung stets von Mazedonien und nicht von der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien (FYROM) spricht. Einige Nicht-Griechen drohten ihr wegen ihrer flüchtlingsfreundlichen Einstellung. "Letzten Monat ist es nochmal deutlich schlimmer geworden", sagt sie.

Widerspruch von Denkweisen und Handlungen

Theodoros Rakopoulos, ein Postdoktorand in Sozialanthropologie an der Universität Bergen in Norwegen, ist seit einiger Zeit als Freiwilliger in Idomeni aktiv. Sein Forschungsgebiet bezieht sich auf Solidarität, Kooperationsinitiativen und alternative Wirtschaftsordnungen angesichts der griechischen Krise. Die Flüchtlingssituation in seinem Heimatland verfolgt er eher aus persönlichem Interesse.

"Ich habe mich mit Menschen in Idomeni unterhalten, die islamfeindliche Aussagen machen, aber gleichzeitig in Suppenküchen aushelfen. Es gibt in privaten Haushalten zunehmend interessante Widersprüche: Die Sympathiewelle trifft auf die mit der überforderten Regierung einhergehende, schwierige Lage."

Durch die geschlossenen Grenzen ist Griechenland gezwungen, sich mit der neuen Situation abzufinden. Mit der Wirtschaftskrise im Nacken macht sich bei den Griechen Unbehagen breit. Schließlich ist noch offen, was diese Aufgabe ihrem Land noch abverlangen wird.

Idomeni: Frustration und Rangelei unter Flüchtlingen

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