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Politik

"Wind of Change"

Katarzyna Domagala-Pereira | Alexandra Jarecka
2. Oktober 2020

Konzerte in der Sowjetunion waren für sie eine Friedensmission. Danach entstand die Ballade "Wind of Change". Die Wende begann jedoch mit Solidarnosc in Polen, sagen Klaus Meine und Rudolf Schenker von den Scorpions.

Hannover | Band Skorpions - Rudolf Schenker und Klaus Meine
Bild: DW/M. Martinović

30 Jahre "Wind of Change"

03:53

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DW: Welche Erinnerungen wecken in Ihnen die 1980er Jahre?

Klaus Meine: Damals, vor 40 Jahren, haben wir schon Konzerte in Westeuropa und Tokio hinter uns gehabt. Wir fingen an, in den USA zu spielen. Was uns aber fehlte, war, in den Osten zu gehen, in der DDR zu spielen. Das ist erst 1988 gelungen. Wir haben zehn Konzerte in Leningrad gespielt. Das war für uns eine sehr spannende und emotionale Zeit. 

Bei dem großen Hit "Wind of Change" denkt man an den Mauerfall. Die Ballade entstand aber früher.

Klaus Meine: Mit den Erfolgen in Amerika waren wir eine internationale Band, aber in Leningrad 1988 haben wir uns als deutsche Band empfunden, als musikalische Botschafter. Das war wie eine Friedensmission. Die Russen haben uns mit offenen Armen empfangen, auch ein Jahr später auf dem Moscow Music Peace Festival. All das, was wir erlebt haben, war die Inspiration für "Wind of Change", das kurz vor dem Mauerfall im September '89 entstanden ist. 

Scorpions in Moskau, Dezember 1989Bild: picture-alliance/I. Mikhalev/RIA Novosti

Was faszinierte Sie an Russland?

Rudolf Schenker: Musik ist ein Brückenbauer. Wir haben diese Brücke genutzt, um nach Russland zu gehen und zu zeigen, dass in Deutschland eine neue Generation aufwächst. Sie kommt nicht mit Panzern und Krieg, sondern mit Gitarren, macht Musik und bringt Liebe.

Klaus Meine: Es gab viele besondere Momente in Leningrad. Und da war eine unglaubliche Spannung in der Luft. Wir waren eine der ersten westlichen Bands, die dort gespielt haben. Mit unseren Konzerten haben wir die Tür ganz weit für andere aufgemacht, die im August 1989 beim Moscow Music Peace Festival waren: Bon Jovi, Ozzy Osbourne, Mötley Crüe usw. Die amerikanischen Bands sind nach Hause gefahren und haben gesagt: "Yes, we rocked the Soviet Union". Für uns war es aber eine emotionale Geschichte und wir haben sehr deutlich die Veränderungen wahrgenommen.

Wenn Sie dort heute Konzerte spielen, wie hat sich Russland verändert?

Klaus Meine: 1988 war der Beginn einer langen Lovestory mit den russischen Fans. Wir beobachten auch das, was weltweit in der Politik passiert. Aber als Rockband, die unterwegs ist, um zu unterhalten, haben wir die Erfahrung gemacht, dass es ein schmaler Grat ist, sich darüber hinaus politisch zu engagieren. Wir spielen auf einer globalen Bühne und wenn man in jedem Land zu den politischen Verhältnissen Stellung beziehen würde... es ist nicht so einfach, wie es von außen vielleicht ausschaut. Scorpions ist eine Band, die sowohl in Israel als auch im Libanon spielt. Und wir haben immer versucht das, was trennt, rauszuhalten, und das Verbindende zu suchen und zu unterstützen.

Rudolf Schenker, Gitarrist und KomponistBild: DW/M. Martinović

Ihre Beziehung zu Russland ist besonders. Zu Polen auch?

Klaus Meine: Ich glaube ja, denn wir haben ja viele Male in Polen gespielt. Ich habe mir nochmal das Konzert in Danzig (2009) angeschaut, wo wir "Wind of Change" für Lech Walesa spielten. Und gesagt haben: "He was the one, who opened the door for democracy". Viele im Westen denken oder stellen Berlin, den Fall der Mauer mehr in den Vordergrund, dass damit alles angefangen hat. Sie vergessen dabei, dass diese Geschichte eigentlich in Polen ihren Anfang genommen hat. 1980, als Solidarnosc gegründet  wurde, Anfang 1989 der Runde Tisch, wo man sich mit der Opposition zusammengesetzt hat. Vor unserem Konzert haben Lech Walesa und andere symbolische Dominosteine angestoßen: Von Polen, von der Danziger Werft, von Solidarnosc nach Ungarn, bis nach Berlin. Das ist die historische Reihenfolge, die man nicht vergessen darf.

Rudolf Schenker: Wir haben auch einen polnischen Bassisten, Pawel Maciwoda. Unser Tourmanager, Alex Malek, kommt aus Polen.

Vor drei Jahren haben Sie in Polen in der Nähe von Auschwitz einen Friedenspreis bekommen. Was haben Sie damals gespürt?

Klaus Meine: Das kann man gar nicht in Worte fassen. Der Holocaust ist ein dunkler Teil der deutschen Geschichte und man darf nie vergessen, was passiert ist. Es muss immer an die junge Generation weitergegeben werden. An diesem Ort zu sein und dort ein Konzert zu spielen, ist schon mal eine hoch emotionale Angelegenheit. Das Publikum hat sich eine Choreographie mit weißen und roten Blättern ausgedacht. Von oben sah es wie die polnische Flagge aus und wir haben "Wind of Change" gespielt. Das sind Bilder, die man im Leben nicht vergisst. Wir haben viele Preise in all den Jahren bekommen und viele Gold- und Platin-Platten, aber dieser Preis nimmt einen ganz besonderen Platz ein.

Sänger Klaus Meine in Moskau, September 2003Bild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene

Weil Musik nicht nur Brücken zwischen Generationen und Mentalitäten schlagen kann, aber auch Frieden stiftet?

Klaus Meine: Ja, das ist es ja. Es reicht auch nur ein Song, der vielleicht dafür steht, der dann aber so stark geworden ist, dass die ganze Welt ihn singt. Und alle können wir diese Message von Brüderlichkeit, von Hoffnung auf eine friedlichere Welt teilen. Und wenn wir auf der Bühne stehen, egal ob in Rio, Moskau oder Los Angeles, hat man das Gefühl, in dem Moment verbindet sich die Musik mit den Fans auf ganz besondere Weise. Wir wollen alle das Gleiche: Leben in Frieden und Freiheit.

Letztes Jahr in Moskau haben Sie Michail Gorbatschow und Lech Walesa zusammen getroffen. Was war das für ein Moment?

Klaus Meine: Er war unglaublich. Diese historischen Persönlichkeiten in einem Streitgespräch zu erleben, mit welcher Energie sie sich über diese Zeit auseinandersetzen und jeder seine Position verteidigt. Ich habe diesen Moment genutzt, um "Danke" zu sagen, dass die deutsche Einheit überhaupt möglich wurde. Nicht nur an Gorbatschow, sondern auch an Lech Walesa, der diese Freiheit angestoßen hat.

Seit der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Erscheinen von "Wind of Change" sind 30 Jahre vergangen. Haben sich die Hoffnungen, über die Sie singen, erfüllt?

Klaus Meine: Die Hoffnung auf eine friedliche Welt hat sich am 11. September zerschlagen, als die Twin Towers einstürzten. Die fürchterlichen Anschläge, der weltweite Terror... Eine friedliche Welt sieht anders aus. Die Sehnsucht nach Frieden wird uns immer begleiten. Und auch "Wind of Change" wird immer daran erinnern, dass man die Freiheit nicht geschenkt bekommt und dass sie auch ganz schnell wieder zu Ende gehen kann.

Scorpions in Russland: Lech Walesa, Michail Gorbatschow, Klaus Meine (1. Reihe von li-re)Bild: picture-alliance/dpa/M. Markov

Scorpions gibt es seit über 50 Jahren. Wie machen Sie das?

Rudolf Schenker: Ich habe mich sehr früh mit Yoga und Meditation beschäftigt, habe versucht, einen Platz zu finden, wo man Kraft bekommt, Ausgleich in sich schafft, um dann eine Vision entstehen zu lassen. Wenn man eine Band aufbaut, ist es wichtig, gute Musiker zu finden, aber auch Menschen, mit denen man eine Freundschaft aufbauen kann. Und das war eine wichtige Grundlage, dass diese Band heute noch besteht.

Vom Sternzeichen ist Klaus Zwilling, ich bin Jungfrau. Wir haben den gleichen Planeten, ich bin der Mond, er ist die Sonne. Das passt ganz gut, dass er Sänger ist, ich wiederum Gitarrist und Komponist. Wenn zwei Sonnen zusammenkommen, gibt es nur Theater!

Die Musikbranche erlebt jetzt schwierige Zeiten. Auch Ihnen durchkreuzte das Coronavirus die Pläne: Mikkey Dee ist an Covid-19 erkrankt, Konzerte finden nicht statt. Wie überstehen Sie die Krise?

Klaus Meine: Wir sollten in Los Angeles sein, in Las Vegas Konzerte geben, unser Album in den USA fertig machen. Jetzt arbeiten wir in Hannover und unser US-Produzent schaltet sich per Video dazu. Es ist nicht optimal, denn wir wünschten uns, zusammen zu sein. Wochenlang konnten Mikkey und Pawel nicht nach Deutschland reisen. Wir waren hier ein bisschen wie auf einer Insel. Gleichzeitig ist es ein Privileg, dass wir an neuen Songs arbeiten und diese Zeit sinnvoll nutzen können.

Scorpions-Konzert in Rio de Janeiro, Oktober 2019Bild: Imago Images/Fotoarena/Moreira

Die Krise trifft jedoch viele Musiker und Künstler, vor allem junge Menschen. Von staatlicher Seite ist die Unterstützung für die Industrie groß, aber die Kulturschaffenden haben noch nicht so viel davon mitbekommen.

Und wieder ist "Wind of Change" aktuell. Wie ändert sich die Welt nach Corona?

Klaus Meine: Ich würde mir wünschen, dass wir aus dieser Pandemie auch ein paar positive Dinge mitnehmen. Man hat das Gefühl, dass sich die Menschen doch ein bisschen näher gekommen sind. Nur wenn wir jetzt zusammenstehen, können wir die Pandemie bewältigen. Es gibt auch andere Sachen, die wir gelernt haben: Video-Meetings, Homeoffice. Wir vermissen jedoch Konzerte und hoffen, dass wir mit einem starken Album im nächsten Jahr wieder für unsere Fans spielen können.

Haben Sie schon einen Titel für das Album?

Klaus Meine: Noch nicht, aber ich habe gerade überlegt, was Rudolf gesagt hat: Sonne und Mond. Das bringt es eigentlich auf den Punkt!

Die Scorpions sind eine weltbekannte Rockband aus Hannover, gegründet 1965 von Rudolf Schenker (Gitarre). In der Band spielen: Klaus Meine (Gesang), Matthias Jabs (Gitarre), Paweł Maciwoda (Bass), Mikkey Dee (Schlagzeug).

Aus der Beitragsreihe "Zeit der Solidarnosc". Ein Projekt von DW Polnisch mit Newsweek Polska. www.dw.com/czassolidarnosci

 

Katarzyna Domagala-Pereira Journalistin und Publizistin, stellvertretende Leiterin von DW-Polnisch.
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