Gläubigerversammlung bei Prokon
22. Juli 2014Die Hamburger Messehallen; ein moderner Bau aus Stahl und Glas. Für die Gläubigerversammlung dennoch der falsche Rahmen – denn diese Versammlung müsste eigentlich im Wilden Westen stattfinden. Mitten auf der staubigen Hauptstraße, um Zwölf Uhr Mittags – "High Noon" eben. Auf der einen Seite des Duells: Carsten Rodbertus - Prokon-Gründer und, bis zu seiner fristlosen Kündigung Ende April, auch Geschäftsführer des Unternehmens. Auf der anderen Seite: Dietmar Penzlin, Prokon-Insolvenzverwalter. Beide streiten mit Worten und Zahlen darum, wie es bei Prokon weitergehen soll und kann. Beide haben einen Teil der Anleger hinter sich versammelt. Wie viele – und damit auch die Frage, wie dieses Duell ausgeht – ist bisher offen.
Wenn Gier und gutes Gewissen sich paaren
Dass hier zwei Welten dermaßen aufeinanderprallen, ist dem Unternehmen Prokon in gewisser Weise in die Wiege gelegt worden. Seit der Gründung 1995 hat Carsten Rodbertus für den Aufbau des Unternehmens einen eher unkonventionellen Weg eingeschlagen. Die sonst übliche Finanzierung durch Banken hat er vermieden wie der Teufel das berühmte Weihwasser. Stattdessen hat man mit groß angelegten Werbeaktionen um private Anleger geworben. Die beiden wichtigsten Argumente: Wer sein Geld bei Prokon anlegt, tut etwas für die Umwelt. Vor allem die Planung, Finanzierung und den Betrieb von Windparks hat sich Prokon auf die Fahnen geschrieben. Darüber hinaus – Argument Nummer Zwei – sollte sich die Investition auch lohnen: Bis zu acht Prozent Zinsen wurden den Anlegern versprochen. In Zeiten, in denen konventionelle Geldanlagen vielleicht noch zwei Prozent Zinsen bringen, eine unerhört hohe Zahl.
Prokon – alles nur ein Schneeballsystem?
Hat dieses Zins-Versprechen all jene angelockt, die zwar gierig auf die hohe Rendite geschielt haben, zugleich ihr Gewissen aber beruhigen wollten, indem sie in eine ökologische Zukunft investieren? Der Verdacht liegt nahe; im Laufe der Jahre wurde von verschiedenen Experten und Anlage-Ratgebern zumindest immer mal wieder vor Prokon gewarnt; die bis zu acht Prozent seien mit dem Windpark-Geschäft nicht zu erwirtschaften, hieß es. Der Verdacht: Das Ganze war ein sogenanntes Schneeballsystem; Anleger der ersten Stunde bekamen ihr Geld von denen, die neu bei Prokon investierten – so lange, bis nicht mehr ausreichend neue Investoren aufzutreiben waren. Die Zahlen, die Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin an diesem Dienstag (22.07.2014) vorlegen will, können diesen Verdacht stützen. Laut Penzlin macht Prokon derzeit gerade einmal 35 Millionen Euro Gewinn im Jahr. Demgegenüber steht ein Zins-Versprechen von etwa 85 Millionen Euro.
Auch Vertreter der Anleger werfen Rodbertus Fehler vor
Bei der Gläubigerversammlung in Hamburg treffen nun beide Welten aufeinander. Carsten Rodbertus, der um seinen persönlichen Einfluss kämpft, der die Zahlen des Insolvenzverwalters in Frage stellt und der das Unternehmen offenbar am liebsten so weiterführen möchte, wie vor der Insolvenz. Und Insolvenzverwalter Dietmar Penzlin, der zu Taschenrechner und spitzem Bleistift greift und vorrechnet, dass es so wie bisher auf keinen Fall weitergehen kann. Dazwischen die Anleger – etwa 10.000 werden in Hamburg erwartet – die sich für einen der Wege entscheiden müssen. Eine größere Gruppe, nach eigenen Angaben etwa 9000 der insgesamt 75.000 Anleger, haben sich in dem Verein "Freunde von Prokon" zusammengefunden. Der Verein sieht eine Zukunft für Prokon, hat sich von Firmengründer Rodbertus aber klar losgesagt, so Wolfgang Siegel, einer der Vereinssprecher: "Prokon hat ein sehr großes Potenzial mit Windparks in Deutschland, Polen und vor allem auch Finnland. Wir möchten, dass das fortgeführt werden kann. Dazu ist der erste Schritt, dass überhaupt wieder Vertrauen in das Unternehmen hergestellt wird. Das ist nicht möglich mit Herrn Rodbertus – noch dazu, wie er sich die letzten Monate aufführt." Rodbertus, so Siegel weiter, habe schwerwiegende Fehler gemacht und alles alleine entschieden.
Frischer Wind für Prokon?
Siegel und seinen Mitstreitern ist es wichtig, dass die ökologische Idee von Prokon weitergeführt wird. "Wir haben einen sehr guten Kontakt zum Insolvenzverwalter. Und es ist darüber gesprochen worden, dass wir die Möglichkeit bekommen, Prokon so fortzuführen, dass es in seinem Kerngeschäft als soziales, ökologisches Unternehmen bestehen bleibt." Die Banken komplett außen vor halten – so wie Firmengründer Rodbertus es gemacht hat – das wollen die "Freunde von Prokon" nicht; ihnen geht es eher darum, sich nicht den Großbanken auszuliefern. Die wichtigsten Entscheidungen in diese Richtung werden auf der Gläubigerversammlung getroffen werden. Und Wolfgang Siegel ist zuversichtlich, dass die meisten der Anleger dem Plan des Insolvenzverwalters zustimmen werden: "Wenn Dietmar Penzlin Insolvenzverwalter bleiben wird – wovon ich ausgehe – dann werden wir zügig im nächsten halben Jahr den Insolvenzplan aufstellen. Wir werden uns daran beteiligen und dann besteht eine echte Chance, dass Prokon im ersten Quartal 2015 wieder auf eigene Beine kommt."