Windräder wachsen
2. Juli 2012Zehn Prozent des deutschen Stroms kommen heute aus der Windkraft. Bis zum Jahr 2020 soll sich diese Zahl mehr als verdoppeln. Die Bundesregierung plant langfristig sogar, bis zu 25 Prozent des gesamtem Stromverbrauchs mit Windenergie zu decken - eine Herausforderung an die Entwickler von Windkraftanlagen.
Technologie entwickelt sich schnell weiter
Jonas Müller ist Projektverantwortlicher bei der Fuhrländer AG, einem deutschen Unternehmen, das sich auf die Produktion von Windrädern spezialisiert hat, die im Binnenland - also nicht auf hoher See - aufgestellt werden. Er arbeitet erst seit vier Jahren in der Windenergiebranche. Schon in dieser kurzen Zeit hat ihn die Geschwindigkeit überrascht, in der sich die Technik entwickelt hat: "Als ich bei Fuhrländer angefangen habe, waren Anlagen mit zwei Megawatt und 100 Meter hohen Türmen schon das Non-Plus-Ultra. Mittlerweile produzieren wir Anlagen mit einer Leistung von drei Megawatt und Höhen von 160 Metern."
Oben ist die Windernte größer
Das erste Windrad der Fuhrländer AG drehte sich im Jahr 1991. Es hatte eine Leistung von 30 Kilowatt. Die Windräder, die Fuhrländer heute üblicherweise aufstellt, leisten 80 Mal mehr: Mit 2,5 Megawatt können sie bis zu 1500 Haushalte versorgen.
Besonders Windmühlen im Binnenland wachsen unaufhaltbar in die Höhe, denn je höher das Windrad ist, desto stärker steigt der Ertrag. Ein weiterer Vorteil: Hoch oben herrschen bessere Windbedingungen. Das Rad bleibt von unregelmäßigen Windböen verschont.
Mitte Juni hat das Fraunhofer-Institut in Kassel einen Forschungsmast aufgestellt. Er misst 200 Meter und ist somit viel höher als die meisten deutschen Windkraftanlagen. Die Wissenschaftler möchten damit die Windbedingungen in großen Höhen erforschen. Je weiter die Windräder in die Höhe wachsen, desto mehr Möglichkeiten eröffnen sich nämlich.
Zum Beispiel sollen auch Wälder als potentielle Standorte erschlossen werden: "Inzwischen liegen die Naben der höchsten Windmühlen bei etwa 160 Metern. Wenn man den Windflügel hinzu rechnet, kommt man auf etwa 200 Meter Gesamthöhe," erklärt Jürgen Schmid, Leiter des Fraunhofer Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Kassel. Da spiele die Baumhöhe von 30 Metern keine Rolle mehr. Früher wäre es undenkbar gewesen, Windräder in Wäldern aufzustellen, da die Bäume einfach zuviel Strömungswiderstand erzeugt hätten, fügt der Wissenschaftler hinzu.
Große Türme passen nicht durch Tunnels
Noch vor sechs Jahren, waren Windkraftanlagen viel niedriger. Als die Fuhrländer AG 2006 ihre erste 160 Meter hohe Windkraftanlage aufstellte, war dies noch ein Weltrekord. Damit war Fuhrländer dem Trend schon damals ein paar Jahre voraus. Das Unternehmen möchte gerne auch Wälder für die Windkraft erschließen.
Die Riesenwindkrafträder bringen jedoch auch einige logistische Probleme mit sich. Bisher werden die meisten Windturbinen auf weißen, schlanken Stahlrohrtürmen montiert, die wie Spargel aus der Landschaft ragen. Diese Türme werden bisher in Einzelteilen mit Sattelschleppern dorthin gebracht, wo sie stehen sollen, und vor Ort aufeinander gesetzt.
Je höher die Türme, desto größer und schwerer werden aber auch die unteren Turmelemente. Irgendwann passen sie nicht mehr durch Tunnels und werden zu schwer für Brücken. Die Fuhrländer AG setzt deswegen auf Gittertürme. Sie erinnern ein bisschen an Strommasten, sagt Anlagenbauer Jonas Müller. Der Vorteil: "Der Gittermast kann in Einzelteilen angeliefert werden und wird erst auf der Baustelle montiert."
Windräder schauen in die Zukunft
Der Trend in die Höhe bezieht sich vor allem auf die Windkraft im Binnenland. Doch auch Offshore-Windräder, also Windmühlen, die auf dem Meer zu finden sind, entwickeln sich weiter: Sie haben schwimmen gelernt und werden auch intelligenter: "Wir haben Modelle entwickelt, die schon auf fünf Prozent genau vorhersagen können, was die Windmühlen am folgenden Tag produzieren werden", sagt IWES-Leiter Schmid. Solche Systeme können helfen, die Schwankungen, die durch erneuerbare Energien im Netz entstehen zu prognostizieren und dann mit anderen Energieträgern besser auszugleichen.