Winnetou, der Retter des deutschen Films
24. Dezember 2001Der Film ließ zwischen Flensburg und Konstanz über zehn Millionen Besucher vor die Leinwände strömen. Diese Zahl zu erreichen, wird selbst dem britischen Zauberknaben "Harry Potter" bis zum Jahresende nicht leicht fallen. Und so kann die einheimische Branche, mit Erfolgen nicht gerade verwöhnt, endlich wieder den Kinohit des Jahres aus eigener Produktion vorzeigen.
Bei näherer Betrachtung hat dieser unerwartete Sensationserfolg allerdings einige Nebenaspekte, die weniger froh stimmen. Dazu zählt vor allem, dass "Der Schuh des Manitu" allein fast die gleiche Anzahl Zuschauer anzog wie alle anderen deutschen Filme zusammen. Der im Vergleich der Vorjahre annehmbare Marktanteil von etwa 15 Prozent hing also völlig ab von einem Streifen, dessen Erfolg niemand absehen konnte.
Im Ausland keine Chance
Im Ausland müssen allerdings "künstlerisch wertvollere" Werke präsentiert werden, um dem deutschen Film endlich wieder die Beachtung zu sichern, die er Ende der 70er Jahre besaß. Oliver Hirschbiegels reißerisches Psychodrama "Das Experiment", mit 1,5 Millionen Besuchern kommerziell gut im Rennen, ist exportierbare Kinokost. Auf diesem dramaturgisch wirksamen Film ruhen auch die deutschen Hoffnungen bei der Oscar-Vergabe für den besten fremdsprachigen Film in Hollywood. Allerdings hat er zu starke Konkurrenz aus Europa, um auch nur eine Nominierung zu erreichen.
Es ist bezeichnend für die einheimische Kinoernte 2001, dass außer dem "Experiment" weit und breit kein Film zu sehen war, der höheren Ansprüchen Genüge getan und zugleich eine größere Zahl an Zuschauern angezogen hätte. Erfolgreich an der Kasse waren Zielgruppenfilme wie "Mädchen, Mädchen" (1,7 Millionen Besucher), vor allem aber für Kinder samt Begleitpersonen attraktive Streifen wie "Emil und die Detektive" (1,5 Millionen), "Der kleine Eisbär" (2,1 Millionen) und "Das Sams" (1,4 Millionen). Recht befriedigend lief die historische Ganovenballade "Sass" mit 425.000 Kinogängern.
Ohne "Kohle" keine Kassenschlager
Auch die bereits Ende 2000 gestartete Komödie "Jetzt oder nie - Zeit ist Geld" holte mit über 700.000 Besuchern den Hauptanteil ihres Einspiels in den ersten Monaten 2001. Große Beachtung fanden die sich mit dem RAF-Terrorismus auseinander setzenden Filme ‚"Die innere Sicherheit" und "Black Box BRD", allerdings mehr bei der Kritik und kleinen speziellen Zuschauergruppen.
Allerdings gibt es für solche Filme auch kaum nennenswerte Werbung oder Raum in den auf Hollywood-Hits konzentrierten Multiplexkinos. Ein entscheidender Nachteil der einheimischen Kinofabrikate, da sind sich die Fachleute einig, ist der viel zu geringe Etat, mit dem gedreht wird. Durchschnittlich acht Millionen Mark werden hier zu Lande für einen Film ausgegeben. In Großbritannien sind es 14, in den USA sogar über 60 Millionen, auch französische Filme können meist ganz andere Summen verbrauchen.
Nun hat Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin ein neues Konzept für die künftige Filmförderung vorgelegt, dazu steht 2003 die fällige Novellierung des Filmfördergesetzes an. Diesem Konzept zufolge soll Erfolg besser belohnt werden, an den Drehbüchern soll mehr gefeilt werden vor ihrer bislang oft zu raschen Realisierung, die unabhängigen Produzenten sollen gestärkt, die Außendarstellung jenseits der Grenzen verbessert, im Inland die kulturelle Bedeutung aufgewertet werden. Viele gute und viele gar nicht so neue Absichten also.
Doch was dem deutschen Film letztlich einzig hilft, sind Werke, die spannend, handwerklich perfekt und glaubwürdig Geschichten für Millionen erzählen. Der erfolgreiche Export einheimischer TV-Produkte in viele Länder der Welt zeugt davon, dass Interesse an deutscher Ware besteht. Es gibt keinen Grund zu Annahme, deutsche Kinofilmen könnte das nicht auch gelingen. Aber sie müssen halt erst einmal gemacht werden. Die Hoffnung darauf richtet sich nun auf 2002.