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Skigebiete rüsten sich für Klimawandel

Bob Berwyn hf
6. Februar 2018

Der Schnee kommt später und schmilzt früher als noch vor 30 Jahren. Wissenschaftler wollen den Wintersportregionen helfen, sich an den Klimawandel anzupassen - aber sind Schneekanonen und Snowfarming die Lösung?

Klima - Skifahren in den Rocky Mountains
Bild: DW/B. Berwyn

In den 1960er und 70er Jahren war es keine Frage, ob es in der Gemeinde Lackenhof - die auf 800 Metern am östlichen Rand der österreichischen Alpen liegt - Schnee gibt. Natürlich gab es ihn. Seit den 2000er Jahren ist das jedoch nicht mehr so selbstverständlich.

Wegen der Erderwärmung mussten hier zahlreiche Skigebiete, die unterhalb der hochalpinen Zonen (1500-2500m) liegen, schließen. Lackenhof könnte der nächste sein.

"Im vergangenen Jahr hatten wir etwa 20 Tage Schnee, im Jahr davor sogar noch weniger", sagt Karl Oberreiter, der am Steuerpult einer Sesselbahn arbeitet. "Seit den 1980er Jahren hatten wir keine komplette Saison mehr. Irgendwann wird es einen Punkt geben, an dem es eben nicht mehr reicht - und dann? Ich weiß es auch nicht." 

Abschied von der weißen Pracht?

Die Winter in den Alpen sind mittlerweile zehn bis 30 Tage kürzer als noch in den 1960er Jahren. Bis 2100 wird es kaum noch Schnee unter 1200 Metern geben - was eine durchschnittliche Höhe für Skigebiete ist. Die gesamte Schneedecke in den Alpen wird laut aktuellen Sudien um 70 Prozent zurückgehen.

Damit es auch nach 2100 noch Wintertourismus und -sport in den Alpen gibt, reicht es nicht, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen, sondern es müsste das ehrgeizigere Klimaziel von 1,5 Grad - was viele für unmöglich halten - durchgesetzt werden. 

Doch selbst dann wird erwartet, dass die alpinen Winter immer kürzer werden, bevor sie sich gegen Ende des Jahrhunderts in einem wärmeren und weniger verschneiten Zustand stabilisieren könnten.

In Hinblick auf diese nicht gerade rosige Zukunft der Ski- und Tourismusbranche hat ein internationales Wissenschaftlerteam - das zum Teil von der Europäischen Union finanziert wird - im November das Forschungsprojekt "ProSnow" ins Leben gerufen.

So selbstverständlich ist die weiße Pracht im Winter nicht mehrBild: DW/B. Berwyn

Ziel ist es, die Skiorte in den Alpen durch das präzise Vorhersagen von saisonalem Schneefall und Temperaturen für den Klimawandel zu wappnen. Zusammen mit langfristigen Klimavorhersagen sollen diese Informationen den Alpenregionen helfen, für die Zukunft zu planen - und sogar den Mangel an natürlichem Schnee durch künstliche Beschneiung mit Schneekanonen und Snowfarming auszugleichen.

Künstliches Pulver

Die traurige Prognose für viele Städte und Skigebiete unter 1000 Metern ist, dass in den kommenden Jahrzehnten der Großteil ihrer weißen Pracht aus industriellen Beschneiungsanlagen kommen wird.

Viele Skigebiete haben bereits kilometerlange Wasserleitungen installiert, Reservoirs und Pumpen gebaut, um mithilfe von Schneekanonen selbst Schnee zu produzieren. Aus der Not heraus sind Skigebietsbetreiber mittlerweile zu Schneefarmern geworden: Bevor die Saison beginnt, nutzen sie die Schneekanonen, um an bestimmten Punkten auf dem Berg große Schneeberge anzuhäufen. Die Pistenraupen verteilen und glätten sie später. 

Naturschutzorganisationen wie die International Commission for the Protection of the Alps (CIPRA) kritisieren die Beschneiung jedoch wegen ihres enormen Energieverbrauchs und dem Eingriff ins Ökosystem. So stören die Kanonen zum Beispiel Wildtiere während ihrer Ruhephasen, was zu Stress und erhöhtem Energieverbrauch führt. 

Einige auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Gemeinden - die sogenannten "sanften Tourismus" betreiben - lehnen diese Art der Beschneiung deshalb ab.

Immer öfter müssen Skigebiete auf sogenannten "technischen Schnee" zurückgreifen, weil der echte ausbleibtBild: picture-alliance/dpa/U. Lein

ProSnow-Projektleiter Samuel Morin ist jedoch der Meinung, dass sich die Methode trotzdem durchsetzen wird. Die Orte wüssten, dass auf natürlichen Schnee in den kommenden Jahrzehnten noch weniger Verlass sein wird.

"Schnee reagiert sofort auf den Klimawandel, und seit den frühen 1990er Jahren ist Schnee keine Gewissheit mehr", sagt Morin. "ProSnow wurde zunächst wegen langfristiger Sorgen ums Klima begonnen. Heute gibt es da mehr Variabilität. Die Frage ist: Inwieweit können Beschneiung und andere technische Maßnahmen dem Klimawandel entgegenwirken?"

Die kalifornische Schneedürre

Diese Frage ist auch für das Kalifornien in den USA relevant.

In der Nähe der Mammoth Mountain Ski Area, etwa 300 Meilen nördlich von Los Angeles, wartet Skifahrer Jamie Shectman auf Schnee, nach einem viel zu trockenen Herbst. Seiner Meinung nach darf man die Skiindustrie nicht so isoliert sehen. Ein Sommer mit zerstörerischen Hurrikanen und Waldbränden zeigt, dass sich die Auswirkungen des Klimawandels weltweit verstärken und verheerende Folgen haben können. Mehr Beschneiung sei darauf nicht unbedingt die klügste Antwort. 

"Da ist eine riesen Diskrepanz zwischen Wintersport und dem Klimawandel", sagt Shectman. "Wir wissen, dass es ein Sport mit einem starken Einfluss ist. Eigentlich sollte die Skiindustrie ganz vorne mit dabei sein beim Kampf gegen die Erderwärmung."

Klimawandel bedroht Wintersport in den Alpen

02:42

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Skigebiete sollten zu autarken Produzenten von Wind-, Solar-, Biomasse- und Wasserkraft werden. Shectman ist selbst an der Entwicklung eines Solarstromprojekts im Mt. Abram Ski Resort in Maine (USA) beteiligt. 

Irgendwann übersteigt der Klimawandel wahrscheinlich unsere technischen Anpassungsfähigkeiten. Daher sollten wir dem entgegenwirken, oberste Priorität, meint er.

Im letzten Jahrzehnt - dem wärmsten in der Geschichte der Erde - stieg die Schneefallgrenze in der nördlichen Sierra Nevada auf 1200 bis 1500 Meter. "Die Stürme fegen nicht mehr wie früher über die Gipfel. Sie haben nicht mehr die gleiche Intensität", so Shectman.

Regionale Unterschiede

Es gibt jedoch regionale Unterschiede bei den Auswirkungen der globalen Erwärmung. Für einige Gemeinden in den Alpen - mit Zugang zu erneuerbaren Energien und hochgelegenen Skipisten - könnte die Beschneiung zumindest für eine Weile eine Option sein, um das Skifahren am Leben zu halten.

Zum ProSnow-Pilotprojekt gehören bislang fünf Alpenorte in Frankreich, Italien, der Schweiz, Österreich und Deutschland. Sie alle liegen im Mittelgebirge und sind so besonders anfällig für die globale Erwärmung.

Weniger Zeit zum Skifahren: Die Wintertage in den Alpen sind heute zehn bis 30 Tage kürzer als noch in den 1960ernBild: DW/B. Berwyn

In Mayrhofen (633m) sei die winterliche Schneedecke zum Beispiel in den letzten 30 Jahren fast auf Null gesunken - und dieses Entwicklung zeige sich fast in ganz Österreich, so Marc Olefs, Klimaforscher bei der Österreichischen Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG).

Die Winter hier haben sich seit den 1950er Jahren um zehn bis 20 Tage verkürzt, und die maximale Schneehöhe ist in allen Höhenlagen und fast allen Regionen des Landes gesunken, mit ein paar lokalen Ausnahmen, sagt Olefs. 

Er breitet eine Reihe von Karten aus, die alle deutlich zeigen, wie die Höhe der Schneedecke in den 1980er Jahren einen großen Sprung machte - genau zu dem Zeitpunkt, als die regionalen Temperaturerhöhungen auf das Doppelte des globalen Durchschnitts stiegen.

Die Karten stammen aus einer aktuellen Studie, die Wetterdaten von 1950 bis 2016 analysierte. Mit Daten über 66 Jahre konnten die Forscher die langfristigen Veränderungen durch die Treibhausgasbelastung von natürlichen Jahresschwankungen im Schnee abgrenzen.

Aber ihre Daten zeigten auch, dass die Winter über 1500 Meter kalt genug bleiben können, um die Schneedecke noch mindestens für ein paar Jahrzehnte zu erhalten, insbesondere, wenn wir es schaffen, die Treibhausgase zu reduzieren. Das breite Spektrum an Klimaergebnissen für 2100 und darüber hinaus zeigt, dass wir entschlossene Maßnahmen zum Schutz des Klimas ergreifen müssen, meint Olefs.

Paradoxerweise ist die Ungewissheit aber auch der Grund, warum Befürworter sagen, dass die energieintensive Beschneiung ein unverzichtbarer Bestandteil der Winterski- und Tourismusindustrie ist - zumindest auf absehbare Zeit.

ProSnow-Teamleiter Morin sagt, dass Beschneiung eine der Hauptoptionen für den Umgang mit Klimaschwankungen ist. Er hofft, dass die Forschung dazu beitragen wird, die Produktion von Schnee zu optimieren, indem den Skipistenbetreibern genaue Informationen darüber gegeben werden, wann Schnee produziert werden soll - und wann ausreichend natürlicher Schnee vorhergesagt wird.

Bildergalerie: Lebenslauf einer Schneeflocke 

 

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