Es ist Herbst, in Deutschland hat die Weinlese begonnen und die neue Weinkönigin wird gewählt. Mit welchen Problemen Winzer zu kämpfen hatten und wie der Jahrgang 2019 ausfällt, erklärt Weinexpertin Romana Echensperger.
Anzeige
11 spannende Fakten rund um Wein
Was muss eine Weinkönigin können, wo steht der höchste Weinberg und warum hat der deutsche Wein amerikanische Wurzeln? Wir verraten es.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/McPHOTO
Der steilste Weinberg Europas
An der Mosel liegt der kleine Winzerort Bremm. Hier erhebt sich der Berg Calmont, der mit 300 Metern Höhe und einer Steigung von bis zu 60 Grad nichts für Menschen mit Höhenangst ist. Tatsächlich ist der Calmont der steilste Weinberg Europas.
Bild: picture-alliance/dpa/T. Frey
Das größte Weinfest der Welt
Auf dem Dürkheimer Wurstmarkt ist man nicht zimperlich mit den Portionen. Bei diesem Oktoberfest für Weintrinker im pfälzischen Bad Dürkheim gibt man sich nicht mit den üblichen Gläsern ab, sondern schenkt direkt richtig ein. Gerne würde man sich mit der Bundeskanzlerin nach so einem Glas mal unterhalten... Neben vielen Promis kommen jedes Jahr im September fast 700.000 Besucher hierher.
Bild: picture-alliance/dpa/R. Wittek
Diese Königin muss trinkfest sein
Jedes Weinanbaugebiet, das etwas auf sich hält, wählt für ein Jahr seine höchste Repräsentantin: die Weinkönigin. Sie ist volljährig und durchschnittlich 25 Jahre alt. Bis 1999 durfte eine Weinkönigin noch nicht verheiratet sein. Das gilt inzwischen nicht mehr. Aber: Die Kandidatinnen müssen eine "eindeutige und starke Verbundenheit mit deutschen Weinen" nachweisen.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Kalaene
Warum nicht auch mal ein Weinkönig?
Als das Moseldorf Kesten im Sommer 2016 keine Weinkönigin fand, sprang der Jurastudent Sven Finke-Bieger als römischer Weingott Bacchus ein. Nach zwei Jahren gab er den Staffelstab weiter - wieder an eine Frau. Zwei tolle Jahre seien es gewesen, so der Student, aber nach 200 Terminen sei es auch genug. Sein Fazit lautete: "Ich kann es nicht besser als Frauen, aber genauso gut."
Bild: picture-alliance/dpa/B. Reichert
Der feinste Tropfen
Baron de Rothschild hat zwischen 1945 und 2006 jedes Jahr einen anderen Künstler damit beauftragt, die Etiketten seiner Weine zu gestalten. Namen wie Picasso, Kandinsky, Warhol oder Chagall sorgten dafür, dass die Flaschen einen hohen Sammlerwert haben. So ist dieser 1945er Mouton Rothschild im Jahr 2006 für 28.750 US-Dollar (ca. 23.000 Euro) versteigert worden.
Bild: picture-alliance/dpa/J. Woitas
Was den Eiswein so besonders macht
Risiko und Herausforderung für jeden Winzer: Die Trauben bleiben so lange am Rebstock, bis sie den ersten Frost abbekommen. In eiskalten Winternächten werden sie geerntet und in gefrorenem Zustand in die Presse befördert. Der Wein wird dickflüssig, süß und aromatisch, mit einer feinen Säure. Deutsche Eisweine sind eine weltbekannte Delikatesse und werden gerne zum Dessert gereicht.
Bild: Imago/Felix Abraham
Im Norden wird's zu kalt
In Deutschland gilt der 52. Breitengrad als Polarkreis des deutschen Weinanbaus. Dort etwa liegt der Ort Werder in Brandenburg, der als offiziell nördlichstes Weinanbaugebiet der Welt gilt. Es geht aber noch nördlicher: In Finnland etwa mithilfe eines Atomkraftwerks: Das warme Wasser des Kühlsystems wird durch Plastikrohre geleitet und hält den Boden unter den Rebstöcken frostfrei.
Bild: Imago/Chromorange
Weißwein oder Rotwein?
Weißwein natürlich! Oder? Vielleicht handelt es sich ja doch um einen Rotwein! Wenn es so ist, dann heißt er "Blanc de Noir" und ist nichts anderes als eine weiß gekelterte rote Traube. Wird die Schale von roten Trauben entfernt, sind Saft und Fruchtfleisch hell. Der Wein ist säurearm und bekömmlich. Vorbild ist der französische Champagner: Er wird oft aus roten Spätburgundertrauben gekeltert.
Bild: AP
Der junge Wein
Wenn die Fässer durch Lyon rollen, ist November: Ab dem dritten Donnerstag des Monats darf der Beaujolais Nouveau entkorkt, getrunken und verkauft werden. Der Wein aus dem gleichnamigen Anbaugebiet nahe Lyon war der erste, der noch im Jahr seiner Ernte verkauft werden durfte. Hochnäsige Experten dichteten ihm dafür niedere Qualität an, seiner weltweiten Beliebtheit konnte das aber nichts anhaben.
Bild: Reuters/E. Foudrot
Baden: höchstes Weinanbaugebiet Deutschlands
"Badischer Wein - von der Sonne verwöhnt" lautet ein alter Werbespruch. Der Südwesten ist das sonnenverwöhnteste Gebiet Deutschlands. Hier gedeihen berühmte Weine wie Riesling oder Spätburgunder. Mit 560 Metern ist der Hohentwieler Olgaberg das höchstgelegene Anbaugebiet. Es geht aber noch viel höher. Auf dem Weingut Colomé im argentinischen Salta wächst die Weinrebe noch in 3111 Meter Höhe.
Bild: picture-alliance/dpa/Alexandra Schuler
Warum deutscher Wein amerikanische Wurzeln hat
Um 1850 herum kam die amerikanische Reblaus in Europa an und begann mit einem Zerstörungswerk. Sie breitete sich in allen Weingebieten aus und vernichtete über Jahrzehnte die Ernte. Es gab nur eine Lösung: Den empfindlichen europäischen Wein mit den läuseresistenten Pflanzen aus Amerika zu kreuzen, indem man Setzlinge auf Wurzeln pfropfte. Et voilà! Der europäische Wein war gerettet. Bis heute.
Bild: picture-alliance/dpa/B. Munker
11 Bilder1 | 11
DW: Überall in Deutschland beginnt dieser Tage die Traubenernte. Erwarten die Winzer ein gutes Jahr?
Romana Echensperger: Es wird ein sehr gutes Jahr! Es gab allerdings schon einige Herausforderungen für die Winzer, vor allem die Hitzewelle - da ist einiges an Ertrag an Sonnenbrand verloren gegangen. Der Reifeverlauf hat sich etwas verlangsamt im Vergleich zu 2018, es ist relativ normal. Man kann also auf einen sehr vielversprechenden Jahrgang schauen. Letztes Jahr war der Ertrag super, dieses Jahr wird er etwas geringer sein aber es bleibt im Rahmen.
Welche Trends gibt es denn 2019 bei Deutschlands Winzern, was haben sie Spannendes im Programm?
Ganz groß im Kommen ist deutscher Winzersekt. Die Qualitäten sind enorm gut geworden. Beim Verbraucher hieß es früher oft "Hauptsache, es sprudelt". Aber mittlerweile haben die Verbraucher erkannt dass es tolle Qualitäten im Schaumweinbereich gibt. Bei den Winzern tut sich unglaublich viel, sie lernen wie man tollen Schaumwein macht, denn es braucht viel Knowhow über die Feinheiten.
Chardonnay ist ebenfalls ein Trend, da sind wir mittlerweile bei 2000 Hektar Anbaufläche, in den 1990er-Jahren waren das vielleicht 200 Hektar. Dieser Wein ist mit einer neuen Stilistik wieder da, nicht mehr so üppig, sondern mit Schmelz und ein Bisschen Holzfaßeinsatz - es sind unglaublich tolle, balancierte Weine. Generell ist Weißwein bei uns im Trend. Vor 20 Jahren war Rotwein im Kommen, heute wird in Deutschland wird wieder mehr Weißwein als Rotwein getrunken.
Nach dem Glutsommer 2018 war es auch dieses Jahr wieder heiß und sehr trocken. Wie wirkt sich das auf die Pflanzen aus, und damit auf den Wein?
Der Weinbau an sich wird einfach herausfordernder, das muss man klar sagen. Man hat mit Wetterextremen zu kämpfen. 2017 hat es unfassbar viel geregnet, dann wieder Hitze und Trockenheit. 2017 haben die Winzer die Traubenzone entblättert, damit Luft an die Trauben kommt und die Feuchtigkeit abtrocknet, und keine Pilzkrankheiten entstehen. 2019 hat man das auch gemacht - und hat in manchen Regionen 30 Prozent der Trauben an Sonnenbrand verloren!Die Maßnahme, die 2107 goldrichtig war, war 2019 total verkehrt. Der Winzer muss genau beobachten, klug und schnell eingreifen. Am Ende gehört aber immer auch eine Portion Glück dazu.
Jeder vernünftige Winzer lässt mittlerweile Glyphosat weg, auch aufgrund des Klimawandels, denn bei langen Trockenzeiten ist es wichtig, dass der Boden vital ist, mit viel Humus der Wasser speichert.
Werden Winzer umdenken müssen bezüglich der Traubensorten, die sie anpflanzen, braucht man andere Rebsorten?
Es gibt zur Zeit eine sehr große Diskussion. Man kann durch weinbauliche Maßnahmen sehr viel abfangen. Riesling aber wächst auch in noch wärmeren Regionen. Was die Rebsorten angeht wird es erst mal keine Veränderungen geben.
Es gibt aber Probleme, die der Klimawandel mit sich bringt, da wird man neue Antworten finden müssen: Ich war gerade in der Pfalz, da gibt es große Probleme mit ESCA, eine Art Bakterium, das die Pflanzen befällt. Der Rebstock stirbt innerhalb von eine paar Monaten ab. Es gibt große Ausfälle durch ESCA, man kennt aber die Ursachen noch nicht. Früher kannte man ESCA nur im südlichen Europa, zum Beispiel in Bordeaux und Sizilien. Durch die Klimaerwärmung scheint das Problem voll bei uns angekommen zu sein. Es ist ein Riesenverlust und es gibt noch keine Gegenmaßnahmen.
Stichwort Umweltschutz, ökologischer Anbau: Wie wichtig ist das Thema resistente Rebsorten?
Man denkt, bezüglich der Vorteile von pilzresistenten Rebsorten, das ist doch eine tolle Idee - und dann probiert man den Wein und denkt, das ist doch nicht so eine gute Idee. Ich finde es schmeckt einfach nicht. Diese Sorten werden auch nur relativ verhalten angebaut.
Gibt es neue Absatzmärkte für gute deutsche Tropfen, steigt das Interesse im Ausland?
In China und USA hat man gute Aufbauarbeit geleistet. Skandinavien ist ganz vorne dabei: in Norwegen ist Deutschland die Nummer 1, der größte Lieferant für Wein.
Romana Echensperger trägt den Titel Master of Wine. Die Weinexpertin war Chef-Sommeliere in verschiedenen Spitzenrestaurants, und ist seit 2011 als Beraterin und Ausbilderin für Kunden aus dem In- und Ausland tätig.
Als Weinjournalistin schreibt Echensperger regelmäßig für deutsche und niederländische Magazine, für das Deutsche Wein Institut gestaltet sie Workshops über die vielen Facetten des Deutschen Weines. 2017 erschien ihr Buch "Von wegen leicht und lieblich. Das ultimative Weinbuch (nur) für Frauen."