"Neue Sicht auf MH370 nötig"
10. Juni 2014 DW: Ihr Partner Philip Wood war Passagier der verschwundenen Air Malaysia Maschine. Was wollen Sie und weitere sechs Angehörige der Vermissten mit der Aktion "Reward MH370" erreichen?
Sarah Bajc: Wir wollen Gelder sammeln, um "Whistleblower" belohnen zu können, die uns Informationen über den Verbleib von MH370 liefern. Dazu planen wir eine Spendenkampagne über die Crowdfunding-Website Indiegogo. Ein Teil des Fonds soll auch für die Gründung einer privaten Ermittlungsfirma genutzt werden, die uns helfen soll, solchen Hinweisen auf die Spur zu kommen.
Wir sind zuversichtlich, dass wir unser Spendenziel von fünf Millionen Dollar erreichen und vielleicht sogar übertreffen können. Sollte es mehr werden, gibt es auch eine höhere Belohnung für die Informanten.
Warum glauben Sie, dass "Whistleblower" nötig sind um mehr Informationen über das Schicksal der verschwundenen Maschine zu erfahren?
In den vergangenen drei Monaten gab es mehrere Anzeichen dafür, dass Informationen zurückgehalten und/oder vor der Veröffentlichung verändert wurden. Wir glauben, dass es Menschen gibt, die mehr wissen, als das, was öffentlich bekannt wurde. Darunter könnte auch jemand sein, der weiß, wo das Flugzeug ist und was genau passiert ist. Unsere Hoffnung ist, dass so jemand seine Informationen mit uns teilt. Wir brauchen eine neue Sichtweise der Ereignisse.
Welche Beweise haben sie dafür, dass Informationen zurückgehalten wurden?
Neben dutzenden von veränderten Geschichten gibt es da vor allem den vorläufigen Bericht. Im Ladungsverzeichnis von MH 370 fehlen Seiten, die Audio-Aufzeichnungen der Luftverkehrskontrolle scheinen verändert worden zu sein, und es gibt eine Menge Unkorrektheiten in der Liste der unternommenen Schritte. Außerdem wurden von Inmarsat veröffentlichte Daten verändert.
Welche Art Informationen sollen Whistleblower liefern?
Wir brauchen konkrete Beweise, die deren Informationen untermauern. Solche Beweise können Fotos, Audio-Aufzeichnungen, echte Dokumente und für rechtsgültig erklärte Augenzeugenberichte sein. Theorien, die sich auf Indizienbeweise beziehen und uneindeutige Satellitenfotos werden nicht anerkannt.
Sie scheinen mit den bisherigen Schlussfolgerungen der Behörden nicht zufrieden zu sein. Warum?
Die Schlussfolgerungen erscheinen uns einfach nicht plausibel. Wenn wir sie akzeptieren würden, dann müssten wir auch das Folgende als plausibel hinnehmen:
Erstens: Es ist möglich, dass eine voll geladene Boeing 777 ins Wasser stürzt, ohne dass innerhalb von drei Monaten auch nur ein einziges Trümmerstück im Meer, an einem Strand oder in Fischernetzen auftaucht.
Zweitens: Die in eine Verteidigungsvereinbarung von fünf Staaten (Großbritannien, Australien, Neuseeland, Malaysia und Singapur) eingebundene Butterworth Militärbasis im Norden von Malaysia hat ein riesiges Flugobjekt, dass fast direkt darüber hinweg flog, nicht gesehen.
Drittens: Australiens hochmodernes und weitreichendes Verteidigungs-Radarsystem (Jindalee Operational Radar Network - JORN) war ausgerechnete am Unglückstag, dem 8. März, außer Betrieb.
Und schließlich: Ein mechanischer Fehler ist aufgetreten, der bedeutend genug war, alle Kommunikationsmöglichkeiten auszuschalten und jeglichen menschlichen Eingriff zu unterbinden - dem Autopilot aber dennoch erlaubte, die Maschine viele weitere Stunden lang weiterfliegen zu lassen.
Sehen Sie Anzeichen dafür, dass die Behörden Malaysias die Untersuchung bewusst in die falsche Richtung geführt haben?
Dafür haben wir bisher noch keine Beweise. Aber wenn es keine bewusste Irreführung war, dann war es sicherlich schwere Inkompetenz. Die Regierung Malaysias kontrolliert immer noch eine Operation, bei der sie ganz klar gescheitert ist. Es ist eine bewusste Entscheidung, ein Hindernis zu bleiben - und das kann man dann als bewusste Irreführung durch eigensinnige Ignoranz und Stolz bezeichnen.
Wie gehen Sie und die anderen Angehörigen mit dieser schwierigen Situation um?
Ich habe zu viele Gefühle, um sie in Worte zu packen. Deshalb will ich Fakten finden. Nur Beweise können uns zu dem Flugzeug und den Passagieren führen.
Momentan können wir nur aktiv bleiben und weiter nach der Wahrheit suchen. Alles andere würde uns in Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung stürzen. Ich will mich mit aller Kraft dafür einsetzen, meinen Partner Philip nach Hause zu bringen - zu einer großen Feier oder zu seiner letzten Ruhestätte.
Ein internationales Team will nun die Suche auf ein Gebiet von bis zu 60.000 Quadratkilometern ausdehnen. Was erhoffen Sie sich von den Behörden bei der weiteren Suche nach dem verschwundenen Flugzeug und seinen Passagiere?
Unser Ruf nach "Whistleblower"-Informationen zielt darauf, den richtigen Ort zu identifizieren, um die Maschine zu finden. Dafür und für den Bergungsprozess brauchen wir natürlich die Behörden. Wir vertrauen auf die Fähigkeit Australiens, eine kompetente Unterwassersuche durchzuführen. Was uns bewegt, ist allerdings die Frage ob man durch die Fehler in den frühen Phasen der Untersuchung auch wirklich in der richtigen Region sucht.
Wir hoffen natürlich, dass uns die Behörden unterstützen werden, sollten wir beweiskräftige Hinweise verfolgen, die über die Möglichkeiten unserer Untersuchungsfirma hinaus gehen.
Sarah Bajc unterrichtet Betriebswirtschaftslehre in Chinas Hauptstadt Peking. Ihr Partner Philip Wood war Passagier der Air Malaysia Maschine, die am 8. März verschwand.