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"Wir brauchen gute Ideen"

Steffen Leidel2. April 2003

"Der Irak-Krieg ist eine Schlächterei." Im Gespräch mit DW-WORLD kritisiert der norwegische Friedensforscher Johan Galtung den "geofaschistischen" Vormarsch der USA und macht einen Vorschlag zur Lösung des Konflikts.

Träger des alternativen Friedensnobelpreises, Johan GaltungBild: AP

Die erste Frage, die der Träger des alternativen Friedensnobelpreises Johan Galtung in Tagen des Krieges am häufigsten zu hören bekommt, ist die nach dem Scheitern der Friedensforschung. Ein Frage, die der stets freundliche und geduldige Friedensforscher indirekt immer mit Nein beantwortet. "Wenn ein Epidemie ausbricht, sagt auch niemand, dass die Medizin versagt hat, sondern dass die besser angewendet werden muss", sagte Galtung kurz nach dem 11. September. Außerdem weiß jeder, dass sich gerade Regierungen, die Krieg als Mittel der Politik ansehen, sich wenig um die Ansichten von Friedensforschern scheren.

Reisen für den Frieden

Der Pazifismus sei allerdings nie am Ende, am wenigsten in Kriegszeiten. Dies hat Galtung immer wieder klar gemacht. Seine Stimme hat Gewicht, nicht nur unter Forscherkollegen und in der Friedensbewegung. Seit über vierzig Jahren reist der 72-Jährige an Konfliktherde in der ganzen Welt. Bereits 1959 gründete er das Institut für Internationale Friedensforschung in Oslo und war Berater für zahlreiche Sonderorganisationen der Vereinten Nationen. Der Irak-Krieg sei eine "Tragödie", für die das Wort "Krieg" nicht angebracht sei. "Das Wort Krieg setzt eine gewisse Gleichheit voraus, doch wenn die größte Macht der Welt sich einsetzt gegen ein relativ kleines Volk wie das irakische, ist das mehr eine Schlächterei, ein Massentöten als Krieg im eigentlichen Sinne", sagt Galtung im Gespräch mit DW-WORLD.

Für ihn ist der Irakkrieg ein weiterer Schritt der USA auf dem Weg zur Welthegemonie. "Bush und seine Leute, das sind keine Demokraten, das sind Geofaschisten", sagt Galtung. Faschistisch deshalb, weil die USA ihre Staatsmacht rücksichtslos ausnutzten, um ihre "Drei-Punkt-Strategie" – Öl, Militärbasen, Israel – durchzusetzen. Bush lasse sich nicht von Völkerrecht leiten. Er glaubt im Mandat Gottes zu handeln. "Der lebt jetzt in der Offenbarung, Kapitel 19". Der Friedensforscher glaubt, dass die Bush-Regierung sogar vor der Anwendung von Massenvernichtungswaffen wie der 10-Tonnen Moab-Bombe nicht zurück schrecken. "Die positiven Möglichkeiten einer friedlichen Lösung sind nicht genutzt worden". Galtung begrüßt zwar die Haltung Deutschlands und Frankreichs, sie geht ihm aber nicht weit genug.

KSZE als Vorbild

"Es wäre wunderbar wenn Deutschland und Frankreich jetzt die Initiative ergreifen könnten zu einer Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit im Mittleren Osten", so Galtung. Daran müssten alle Staaten in der Region, einschließlich des Irak, teilnehmen. Als Vorbild dient Galtung die Helsinki-Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) von 1975. Damals ging die Initiative von Finnland aus.

Galtung schwebt ein Irak als Bundesstaat vor mit einem kurdischen, einem sunnitischen und einem schiitischen Teil. Kuwait könnte assoziiertes Mitglied des Irak werden. Die Grenzen wären offen, Häfen und Öl würden gemeinsam verwaltet. Den Kurden müsste eine hochgradige Autonomie, aber keine Abspaltung gewährt werden. Außerdem spricht er sich für ein dauerhaftes UN-Inspektorenregime ein, das aber auch in Israel einzurichten sei. Statt Sanktionen müssten in der Region Nothilfe-Maßnahmen ergriffen werden.

"Wir brauchen gute Ideen"

Natürlich könnte eine solche Konferenz bis zu fünf Jahre dauern, räumt Galtung ein. Aber für Deutschland, Frankreich oder Russland würde es gerade einmal fünf Minuten in Anspruch nehmen, diesen Vorschlag einzubringen, und diese fünf Minuten hätten eine beachtliche Wirkung. Galtung ist nicht so naiv, zu glauben dass sein Plan eins zu eins umgesetzt werden kann. Vielmehr gehe es darum, immer wieder Alternativen vorzuschlagen. "Wir brauchen gute Ideen", sagt er. Kreativität und Phantasie seien die besten Medikamente gegen den Krieg.

Überraschend ist sein Vorschlag, die Europäische Union könnte als Modell für die Region in Frage kommen. Galtung gilt schließlich als Kritiker der EU, da er glaubt, dass diese sich langfristig zu einer neuen Großmacht entwickeln könnte. Bei allen Vorbehalten glaubt er, dass in der EU – trotz aller Unzulänglichkeiten und inneren Rissen - kreative Mechanismen der Konfliktlösung stecken. Die EU als Modell zu präsentieren sei wirkungsvoller als ihr eine Rolle als Mediator in der Region zuzuweisen. "Die Europäer könnten sagen: Wir haben das oder jenes getan, wäre das nicht auch für euch interessant." Für eine solche Initiative bräuchte man auch nicht auf die Zustimmung der USA zu warten. "Die wären dann zwar wütend, aber das ist ihr Problem.

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