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Gewalt zwischen Flüchtlingen vorbeugen

Andrea Grunau29. September 2015

Viele Flüchtlinge fliehen vor Gewalt in ihrer Heimat, doch auch in Unterkünften in Deutschland eskalieren Konflikte. Wolfgang Bautz hat das in Brandenburg erforscht. Im DW-Interview sagt er, was man dagegen tun sollte.

Flüchtlinge sitzen in einer Notunterkunft auf Feldbetten in einer großen Halle (Foto: Wolfram Kastl/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/W. Kastl

Deutsche Welle: Sie haben im Bundesland Brandenburg untersucht, warum Konflikte eskalieren - wann kommt es zu Gewalt?

Wolfgang Bautz: Jeder Fall ist anders. Dennoch zeigten sich bei unseren Befragungen Ende 2014 unter Mitarbeitern und Bewohnern von 48 Unterkünften bestimmte Linien, wo Konflikte sehr schnell in gewalttätige Auseinandersetzungen umschlagen können. Wo viele Menschen unter schwierigsten Bedingungen eng zusammenleben, kann es schnell zu Konflikten kommen. Die bauliche Situation spielt eine sehr große Rolle: Wo Rückzugsmöglichkeiten fehlen und keine zumindest minimale Privatsphäre möglich ist, baut sich schnell eine angespannte Atmosphäre auf, die rasch in gewalttätige Auseinandersetzungen umschlagen kann.

Ein weiterer wichtiger Faktor sind die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter: Sind genug da, sind sie ausreichend qualifiziert und gut vorbereitet? Und es gibt weitere Gründe: Flüchtlinge kommen aus sehr unterschiedlichen kulturellen und sozialen Milieus und beherrschen zumindest anfangs nicht die deutsche Sprache, manchmal auch keine andere Weltsprache, so dass Verständigung untereinander kaum möglich ist. Das führt schnell zu Missverständnissen und Auseinandersetzungen. Auch fehlende Möglichkeiten, die Freizeit einigermaßen sinnvoll zu verbringen, können dafür verantwortlich sein, dass sich Spannungen in den Unterkünften aufbauen.

Die Gewerkschaft der Polizei hat gefordert, Flüchtlinge nach Religionen und Ethnien getrennt unterzubringen. Wie sehr geht es um religiöse und politische Konflikte aus den Heimatländern?

In den Unterkünften, die wir untersucht haben, lässt sich das nur bedingt bestätigen. Ich glaube daher, dass für die gewalttätigen Auseinandersetzungen in den Unterkünften weder religiöse noch politische Ursachen aus dem Heimatland verantwortlich sind. Es sind in der Regel Auseinandersetzungen um das Alltagsleben in den Gemeinschaftsunterkünften und Konfliktfälle, die sich aus der spezifischen Stress-Situation von Flüchtlingen ergeben, der Unsicherheit in Bezug auf ihre Zukunft.

Soziologe Wolfgang BautzBild: picture-alliance/dpa/B. Settnik

Ich halte es für wenig praktikabel, Personen nach Religionen zu trennen. Wir sehen: Es bekriegen sich Schiiten und Sunniten, eigentlich Angehörige einer Religion. Wir haben auch schon gesehen, dass sich Katholiken und Protestanten heftige Auseinandersetzungen liefern. Ich halte das für einen Vorschlag, der die Probleme nicht lösen kann und auch im Blick auf die Integration nicht sinnvoll ist. Es gibt vereinzelte Fälle, in denen Menschen anderen aus religiösen Gründen vorschreiben wollen, wie sie in Deutschland leben sollen. Das kann Ursache für Konflikte und Gewalt sein. Man muss das unterbinden.

Was können die Behörden tun, um Konflikte in den oft überfüllten Unterkünften zu entschärfen?

Ein ganz wichtiges Ergebnis unserer Studie ist, dass die Unterbringung, besonders die Größe der Einrichtung und ihr baulicher Zuschnitt, direkten Einfluss darauf hat, wie schnell Konflikte in Gewalt umschlagen. Wir brauchen möglichst kleine Unterkünfte und sollten vermeiden, dass Hunderte Menschen eng aufeinander leben müssen. Das zweite ist ausreichend Personal und Qualifikationen, damit Sozialarbeit auch deeskalierend wirken kann.

Viele Initiativen unterstützen Menschen, die zu uns gekommen sind. Diese Ressource muss genutzt werden, um sinnvolle Freizeitmöglichkeiten zu organisieren. Deutschkurse - praktisch vom ersten Tag an - sind wichtig. Das Erlernen der deutschen Sprache ist ein ganz entscheidendes Instrument, um sich in Deutschland zurechtzufinden, den Alltag zu meistern und um sich mit Bewohnern der Gemeinschaftsunterkunft zu verständigen - auch über Konflikte.

Nach den Ergebnissen unserer Untersuchung entstehen Konflikte nicht entlang von Religionsgrenzen oder politischen Grenzen. Sie entstehen in Alltagsfragen: "Kann ich mein Essen kochen, ist die Kochplatte besetzt? Wer hat sie? Wie lange kocht der? Warum so lange, ich will kochen."Es sind ganz banale Dinge des Alltags. Je größer die Unterkünfte sind, umso größer ist die Anspannung in Bezug auf den Alltag: das Kochen, das Duschen, das Waschen. Lärm, Alkohol und Drogen sind weitere Komponenten.

Was wurde in Brandenburg nach den Erkenntnissen Ihrer Studie umgesetzt?

Wir haben für die Mitarbeitenden in den Gemeinschaftsunterkünften - ich schließe das Wachpersonal mit ein, denn es spielt eine wichtige Rolle - Trainingsseminare entwickelt. Es geht darum: Wie kann ich in angespannten Situationen deeskalierend wirken, auch wenn ich mich sprachlich nicht verständigen kann? Es geht auch um Selbstschutz und Selbstverteidigung.

In Gemeinschaftsunterkünften gibt es immer Bewohnerinnen und Bewohner, auf die man aufgrund ihres Alters oder ihrer sozialen Position hört. Diese identifizieren wir und helfen ihnen, das Werkzeug zu entwickeln, um als Streitschlichter zu wirken.

Wie kann man deeskalieren, wenn man sich sprachlich nicht verständigen kann?

Wir wissen, dass viele Botschaften über die Körpersprache übermittelt werden. Das soll bewusst zur Deeskalation eingesetzt werden. Wir beobachten häufig, dass in stressbelasteten Reaktionen genau das Gegenteil eintritt: dass wild gestikuliert wird oder dass die Stimme lauter wird. Das trägt nicht zur Deeskalation bei.

Aber extreme Gewalttäter muss man aus den Unterkünften herausholen, oder?

Das ist völlig klar. Wo nur noch die Polizei das Problem lösen kann, muss auch die Polizei zum Einsatz kommen. Aber vieles kündigt sich vorher an. Durch ein genaues Beobachten und angemessenes Reagieren sollte verhindert werden, dass es zur Gewaltanwendung kommt. Es wird immer die Gefahr bestehen, dass es Personen gibt, die aufgrund dessen, was sie erlebt haben, oder aufgrund psychischer Erkrankungen, ausbrechen.

Wir wollen Personen vorbereiten, dass sie solche Situationen erkennen und angemessen reagieren können. Man braucht mehr Personal und entsprechend qualifiziertes Personal. Die gegenwärtige Entwicklung macht mir sehr viel Sorgen: Da wird nicht ausreichend darauf geachtet, dass wir genug gut ausgebildete Sozialarbeiter haben.

Der Soziologe Dr. Wolfgang Bautz leitet den "Fachberatungsdienst Zuwanderung, Integration und Toleranz im Land Brandenburg - FaZIT".

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