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"Wir haben eine Vaterfigur verloren"

10. November 2015

Vordenker, Staatsmann, großer Europäer. Spitzenpolitiker aus dem In- und Ausland würdigen über alle Parteigrenzen hinweg die Verdienste und die Lebensleistung des verstorbenen Altbundeskanzlers Helmut Schmidt.

Altkanzler Helmut Schmidt im Jahr 2010 in Berlin (Foto: dpa)
Helmut Schmidt im Jahr 2010 in BerlinBild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Bundespräsident Joachim Gauck erklärte zum Tod des ehemaligen Bundeskanzlers: "Wir trauern um einen der bedeutendsten deutschen Politiker der Nachkriegszeit. In seinen öffentlichen Ämtern, ganz besonders als Bundeskanzler, hat Helmut Schmidt Großes geleistet." Gauck lobte vor allem Schmidts "entschlossenes Handeln in schwierigsten Situationen, seine Fähigkeit, das Machbare zu erkennen und zu gestalten, aber auch seine Kompromissfähigkeit und sein Eintreten für die Verteidigungsbereitschaft der freien Staaten Europas in Zeiten der Bedrohung".

Der französische Präsident François Hollande würdigt den verstorbenen Kanzler als "großen Europäer". Helmut Schmidt habe als Bundeskanzler Entscheidungen vorbereitet, die anschließend sein Nachfolger Helmut Kohl und der französische Präsident François Mitterrand umgesetzt habe. Hollande bezeichnete den SPD-Politiker als "großen Staatsmann", der dafür plädiert habe, "der Marktwirtschaft eine soziale Dimension" zu geben.

Engagierter Europäer

Die Präsidenten von EU-Kommission und EU-Parlament nannten den verstorbenen Altkanzler einen großen und engagierten Europäer. "Ein besonderer Mut hat Helmut Schmidt ausgezeichnet: der Mut, in die Zukunft zu denken", erklärte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. "Dieser Mut ist auch sein Auftrag an uns, niemals aufzugeben, wenn es um Europa geht." Schmidt habe von sich selbst gesagt, er sei kein Idealist. Sein Engagement für Europa zeige, dass die EU kein Projekt für abgehobene Idealisten, sondern für Realisten sei.

Wie Juncker erinnerte auch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz an die Zusammenarbeit Schmidts mit dem französischen Staatsoberhaupt Valery Giscard d'Estaing, die die Grundlagen für die Wirtschafts- und Währungsunion sowie die Einführung des Euro geschaffen habe. "Für meine Politikergeneration bleibt Helmut Schmidt eine Leitfigur wegen seiner Geradlinigkeit und Prinzipientreue", sagte der SPD-Politiker. "Er hat Deutschland souverän und mit unvergleichlicher Führungsstärke in schwierigen innenpolitischen und weltwirtschaftlichen Zeiten gelenkt."

Erinnerung an Sturmflut-Senator

In einer Sitzung der Unionsfraktion in Berlin erinnerte Bundeskanzlerin Angela Merkel an Meilensteine in Schmidts politischer Karriere. Die in Hamburg geborene Kanzlerin berichtete auch über ihre ganz persönliche Erinnerung: Sie habe den Namen Helmut Schmidt erstmals gehört, als sie im Radio die Berichte über die Sturmflut 1962 verfolgte, weil sie und ihre Familie sich um Verwandte und Bekannte in der Stadt an der Elbe sorgten. Schmidt hatte sich als Hamburger Senator bei der Bewältigung der verheerenden Sturmflut im Februar 1962 einen Namen gemacht. Die Kanzlerin würdigte zugleich Schmidts Rolle bei der Etablierung der Weltwirtschaftsgipfel, seinen Kampf gegen den Terrorismus in Deutschland sowie seine Verdienste um den NATO-Doppelbeschluss.

Für SPD-Chef Sigmar Gabriel ist Altkanzler Schmidt einer der "bedeutendsten Staatsmänner Deutschlands". Gerade seine Mahnungen, Europa zusammenzuhalten, die deutsch-französische Freundschaft zu pflegen und Deutschlands Führungsrolle in Europa nicht zu überfordern, seien sehr wichtig, sagte am Rande der SPD-Fraktionssitzung in Berlin. "Ich glaube, dass sein Vermächtnis Europa ist."

"Vaterfigur verloren"

Helmut Schmidt - Krisenmanager und Welterklärer

09:19

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Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte: "Wir Deutschen haben eine Vaterfigur verloren." Generationen hätten seine Klugheit und Autorität bis an sein Lebensende gesucht und geschätzt. "Helmut Schmidt war ein großer Staatsmann, bis zur letzten Zigarette", sagte Steinmeier. Er bezeichnete ihn als Kanzler des Fortschritts und Vordenker der Globalisierung. "Als Hanseat war ihm Inseldenken zutiefst zuwider."

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer nannte Schmidt einen "herausragenden Nachkriegspolitiker und Staatsmann". "Strategisches Geschick und politische Weitsicht - so hat Helmut Schmidt als Bundeskanzler die Bundesrepublik Deutschland sicher durch die schwierige Zeit des RAF- Terrorismus und des Kalten Krieges geführt", erklärte der bayerische Ministerpräsident. Ein "überzeugter Einsatz für die deutsch-französische Freundschaft sowie die europäische Einigung" seien auf immer mit Schmidts Namen verbunden. "Ich verneige mich vor der Lebensleistung von Helmut Schmidt, einem Hanseaten, der Bayern in Sympathie verbunden war."

Die Grünen-Vorsitzenden Simone Peter und Cem Özdemir nannten Schmidt "einen hoch geachteten Politiker und Staatsmann". Er sei bis zuletzt einer der führenden Intellektuellen des Landes gewesen. Die Fraktionsvorsitzenden der Linken, Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, erklärten: "Mit Helmut Schmidt verliert Deutschland einen Staatsmann, der die Politik der Bundesrepublik und die Sozialdemokratie in seinem langen Leben bedeutsam mitgeprägt hat."

kle/cr (dpa, rtr, afp)

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