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Politik

"Wir sind stolz auf unsere Familie"

Leonie von Hammerstein
23. Oktober 2019

Ein AfD-Politiker hatte ihre Familien als "Gesindel" bezeichnet. Die Nachfahren von ehemaligen Gastarbeitern setzen sich jetzt in den sozialen Netzwerken zur Wehr.

Türkische Bergarbeiter in Deutschland
Gehören zur deutschen Geschichte: türkische Gastarbeiter in der Zeche Neu-Monopol in BergkamenBild: picture-alliance/dpa/Schulte

"Meine Onkels haben Jahre Tag & Nacht am Fließband von VW und Conti gestanden, nie gejammert, dankbar für Arbeit, akkurat ihre Arbeitszeiten eingehalten, damit ihre Kinder es einmal besser haben", schreibt die deutsch-jesidische Journalistin und Filmemacherin Düzen Tekkal auf Twitter. "Wir lassen uns deutsche Einwanderungsgeschichte nicht kaputt reden als Gesindel".

Sie ist nicht die einzige, die sich wehrt. Gegen die Aussage des Politikers der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) Nicolaus Fest: "Wir riefen Gastarbeiter, bekamen aber Gesindel", AfD-Version des Satzes von Max Frisch "Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen." Fest veröffentlichte die Aussage auf seinem privaten Blog, schon 2017. Damals wurde der AfD-Politiker für diese und weitere Aussagen wegen Volksverhetzung angezeigt, das Verfahren wurde kurze Zeit später jedoch eingestellt.

Die AfD mit ihren eigenen Worten schlagen

Vor knapp einer Woche tauchte das Zitat nun wieder auf, auf einer Facebook-Seite mit dem Titel "Wir werden sie jagen", auch das ein Zitat eines AfD-Politikers. Der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland hatte direkt nach der Bundestagswahl 2017 angekündigt, die Bundeskanzlerin jagen zu wollen... "und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen". 

Eine satirische Initiative hat nun unter Gaulands Zitat die Seite aufgesetzt und sammelt dort rassistische Äußerungen von AfD-Politikern, verpackt in einem AfD-Wahlplakat-Look. "Mögen diese Aussagen sich selbst ins letzte Hirn brennen, das der AfD (noch) wohlgesonnen ist", schreibt die Initiative auf ihrer Facebook-Seite. Und: "Hauptsache, am Ende sagt niemand, man hätte von nichts gewusst". Nur wenige Tage später folgen der Seite über 23.000 Leute.

Und das "Plakat" von Nicolaus Fest hat seinen Weg auf die Timelines von Gegnerinnen und Gegnern der AfD gefunden. Es sind Deutsche mit Migrationsgeschichte in der Familie, die sich gegen die rassistische Diffamierung ihrer Eltern und Großeltern zur Wehr setzen.

Zu Wort meldeten sich unter anderem Grünen-Politikerin Gönül Eğlence

oder die CDU-Politikerin und Staatssekretärin für Integration in Nordrhein-Westfalen Serap Güler:

oder Marineoffizier Nariman Hammouti:

Kamen als Gastarbeiter

Wie die Eltern und Großeltern von Eğlence, Güler und Hammouti kamen in den 1950er und 1960er Jahren viele sogenannte "Gastarbeiter" in die Bundesrepublik. Die Wirtschaft boomte, doch es fehlten Arbeitskräfte. Diese wanderten ein - erst aus Italien, später aus Griechenland, Spanien und dann ab 1961 auch aus der Türkei. Deutschland und die Türkei schlossen ein sogenanntes Anwerbeabkommen ab, das Dokument war nur zwei Seiten lang, führte aber dazu, dass viele Arbeiter nach Deutschland migrierten.

Jetzt - mehrere Generationen später - sind die ehemaligen "Gastarbeiter" und ihre Nachkommen fester Bestandteil der deutschen Gesellschaft.

Nicolaus Fest möchte die Kampagne nicht so stehenlassen. Auf seiner Facebook-Seite nennt er den Satz "aus dem Zusammenhang gerissen" und die Zitatkachel ein "Fake". Um dann weiter zu argumentieren: "Im übrigen bin ich der Überzeugung, dass für importierte Ehrenmörder, Clankriminelle, Antisemiten und Folterer der Begriff 'Gesindel' nicht falsch ist." Ein Satz, mit dem er den Zusammenhang des Original-Zitats anscheinend wieder herstellen möchte.

Kritik an aggressiver Rhetorik der AfD nimmt zu

Es häufen sich die Vorwürfe an die AfD, mit einer "menschenverachtenden" Rhetorik auch aktiv als "Brandstifter" zu wirken. Etwa für Anschläge wie den in Halle, wo ein Rechtsradikaler eine Synagoge und einen Döner-Imbiss attackierte und aus antisemitischen und rassistischen Motiven zwei Menschen umbrachte. 

In einer Woche wird im ostdeutschen Bundesland Thüringen ein neuer Landtag gewählt. Dort wird die Partei geführt von Björn Höcke, der sinnbildlich für diese Brandstifter-Rhetorik steht. Er will die Partei weiter nach rechts rücken. 2015 gründete er den sogenannten "Flügel" der AfD, der die Hardliner der Partei vereint und vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Immer wieder fällt Höcke mit Rhetorik auf, die stark an Formulierungen aus dem Nationalsozialismus erinnert. Aktuelle Prognosen besagen, dass die AfD in Thüringen zweitstärkste Kraft werden könnte. 

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