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Wir müssen leider draußen bleiben

29. Oktober 2009

Sind Stadionverbote auf bloßen Verdacht hin zulässig? Darüber entscheidet der Bundesgerichtshof am Freitag (30.10.2009). Ob Verbote gewaltbereite Hooligans von den Spielorten fernhalten, bezweifeln Szene-Kenner.

Anpfiff zur "3. Halbzeit": Hooligans vor dem Stadion (Foto: dpa)
Anpfiff zur "3. Halbzeit": Hooligans vor dem StadionBild: dpa

Samstagnachmittag, Heimspiel des geliebten Klubs. Pflichttermin für den eingefleischten Fußball-Fan. Doch was, wenn es am Eingangstor heißt: "Du kommst hier nicht rein"? Stadionverbot - ein Reizwort, ja, die härteste aller möglichen Strafen für einen Fußballfan, meint auch Andreas Paffrath, Fan-Beauftragter von Bundesliga-Tabellenführer Bayer Leverkusen. "Man nimmt ihm etwas weg. Er darf Spiele in der ersten, zweiten, dritten und vierten Liga nicht besuchen und das Gelände des jeweiligen Vereines nicht betreten. Man nimmt ihm da sein Hobby weg, auch seinen Freundeskreis im Fanclub, in der Ultrabewegung. Er ist dann nicht mehr mit dabei."

Andreas Paffrath, Fan-Beauftragter von LeverkusenBild: Bayer 04 Leverkusen

Paffrath muss es wissen, denn er ist seit 21 Jahren die Vertrauensperson für alle Bayer-Fans – auch für die gewaltbereiten. Er kennt seine "Pappenheimer" wie er sagt und meint auch, dass die meisten Stadionverbote berechtigt seien. Das derzeitige Verfahren findet er jedoch ungerecht: "Wegen Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wird ein bundesweites Stadionverbot ausgesprochen. Also eine Vorverurteilung. Der Richter hat noch keinem gesagt, du warst das jetzt, aber die Strafe müssen die Leute schon absitzen."

"Ein Eingriff ins Persönlichkeitsrecht"

Ein Verfahren, das nun auf dem Prüfstand steht. Ein Fan des FC Bayern München hatte gegen das "Stadionverbot auf Verdacht" geklagt. Dessen Anwalt Achim Krämer sieht seinen Mandanten zu Unrecht bestraft. "Erstmal wurde ihm vom FC Bayern die Mitgliedschaft gekündigt, außerdem hat er seine Dauerkarte eingebüßt und ist natürlich gebrandmarkt, sowohl innerhalb seines Fanclubs wie auch gegenüber anderen. Also das ist aus meiner Sicht sogar ein Eingriff ins Persönlichkeitsrecht."

Gewalt im Stadion: Die Polizei schreitet einBild: AP

Die Deutsche Fußballliga tut viel um Gewaltszenen in deutschen Stadien zu verhindern. 20 Millionen Euro geben die Profiklubs jährlich für Sicherheitsmaßnahmen aus um Krawalle zu vermeiden. Auch die Polizei zeigt massive Präsenz in den Stadien, um es gar nicht erst zu Ausschreitungen kommen zu lassen. Das Bundeskriminalamt führt seit 15 Jahren sogar eine eigene Datei mit gewaltbereiten Sportfans. 10000 Personen tauchen darin auf – Tendenz steigend.

Gewalt als Eventkultur

Die gewaltbereite Szene nutzt den Fußball als Anlass um sich mit verfeindeten Gruppen zu prügeln – und scheint mittlerweile auch auf Unbeteiligte loszugehen, wie Fan-Forscher Gunter Pilz berichtet: "Gewalt gehört zu einer jugendlichen Eventkultur und diese Jugendlichen suchen gerade bei Auswärtsfahrten die Gewalt zunehmend als Möglichkeit um einen Kick zu finden. Insofern hat die Gewalt eine neue Qualität. Die jugendlichen Fans greifen mittlerweile jeden an – auch Unbeteiligte."

Der schwarze Block: Rostocker Hooligans legen FeuerBild: picture-alliance/dpa

Soziologe Gunter Pilz hat bei seinen Studien über die Fanszene festgestellt, dass ein Großteil der gewaltbereiten Fans gar nicht mehr im Stadion, sondern davor agiert. Die Stadien seien längst zu Hochsicherheitszonen geworden, so dass sich die Hooligans ihre Scharmützel im Umfeld der Arenen liefern. "Interessant ist, dass aber viele von denen, die Stadionverbote haben, genau die sind, die jetzt die Gewalteventkultur pflegen, die jetzt also die Auswärtsfahrten nutzen. Man kann also sagen, mit den Stadionverboten habe ich erreicht, dass in den Stadien nichts passiert, aber dafür haben wir die Probleme außerhalb. Oder noch deutlicher gesagt, ist ja interessant, dass 80 Prozent der Stadionverbote ausgesprochen werden für Vergehen, die gar nicht im Stadion stattfinden. Wo man also auch fragen muss, welche Sinnhaftigkeit hinter einem Stadionverbot steht." Nur mit Stadionverboten allein ist das Problem somit nicht zu lösen.

Autor: Joscha Weber

Redaktion: Stefan Nestler