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Logistik-Serie: Interview

27. August 2010

Dachser fällt aus der Rolle. Es will ein globaler Logistikkonzern sein und trotzdem Familienunternehmen bleiben. Wie das funktionieren kann, das erklärt Bernhard Simon, Enkel des Gründers, im Gespräch mit DW-WORLD.DE.

Bernhard Simon (Foto: Dachser)
Enkel des Firmengründers Thomas Dachser: Bernhard SimonBild: Dachser

DW-WORLD.DE: Herr Simon, woran merkt man bei ihrem 17.500 Mitarbeiter-Unternehmen denn eigentlich noch, dass es sich um ein Familienunternehmen handelt?

Bernhard Simon: Wenn sie durch die Eingangstüre einer unserer Filialen gehen, dann werden sie vor allen Dingen von Mitarbeitern empfangen, denen es Freude macht, anderen zu zeigen, was den "Dachser-Spirit" ausmacht. Sie werden Leute sehen, denen die Freude ins Gesicht geschrieben ist.

Kann ein Global Player aber wirklich noch ein Familienunternehmen sein?

Es geht vor allen Dingen darum, diesen familiären Geist nicht nur als Familie zu leben, sondern von innen heraus aus dem Unternehmen lebendig zu gestalten. Jeder Mitarbeiter muss sich ein stückchenweit als Familienmitglied fühlen.

Über 8000 LKW fahren für die blau-gelbe Flotte durch EuropaBild: DW

Das scheint in der Praxis schwer vorstellbar. Sie haben ja wahrscheinlich kaum ein Drittel ihrer Belegschaft wirklich persönlich kennengelernt?

Na, ein Drittel sind es aber schon. Aber, die Antwort auf ihre Frage lautet: Man muss sehr, sehr viel unterwegs sein, man kann nicht irgendwie vom Schreibtisch aus entscheiden. Sie müssen viele Kommunikationsstrukturen aufbauen, teilweise auch sich überlappende. Man muss dafür sorgen, dass die Leute, die Dachser ein Gesicht geben, das Gefühl haben, sie können unternehmerisch mitgestalten. Nur so entsteht über Jahre hinweg das Empfinden, dass es ein gemeinsames Unternehmen ist, das man zusammen geschaffen hat.

Gegründet wurde das Unternehmen, um den Allgäuer Bergkäse gekühlt zum Verbraucher zu bringenBild: Dachser

Sind sie als Privatmensch nicht insgeheim manchmal traurig, dass die vertrauten kleinen Strukturen eines Mittelständlers jetzt doch anonymeren Großstrukturen eines globalen Konzerns weichen mussten?

Ganz im Gegenteil. Als ich meine Lehre im eigenen Unternehmen gemacht habe, war es schon schön, Heimat zu spüren. Das ist auch gut, wenn wir das weiterhin als unsere Wurzeln und unsere Herkunft begreifen. Aber das ist nicht das, was uns langfristig stark macht, sondern langfristig sind das eben die globalen Märkte. Es ist wunderschön über die Jahre hinweg miterlebt zu haben, wie das Unternehmen die Chancen des globalen Marktes ergriffen hat. Und trotzdem dieses ganz Besondere, was es ausmacht, bewahren konnte.

Also wollen sie vom dritt- oder viertgrößten deutschen Logistikunternehmen, je nach Statistik und Teilmärkte gerechnet, zum größten und besten Unternehmen wachsen?

Der Beste heißt nicht, gleichzeitig der Größte zu sein. Ich habe intern immer wieder davor gewarnt, sich nicht in selbst überhitzendem Wachstum zu Tode zu wachsen. Es gilt, immer wieder darauf zu achten, warum man überhaupt größer werden will. Der Grund ist nämlich nicht, um irgendwelche politischen Barometer in unserer Branche häufig staatlicher Unternehmen zu optimieren, oder den Börsenkurs zu optimieren [Anm. der Redaktion: gemeint sind hier die staatlichen oder halb-staatlichen Konkurrenten DB Schenker und Deutsche Post DHL]. Wir wachsen und kaufen andere Unternehmen aus einem einzigen Grund: nämlich um einen Mehrwert für unsere Kunden zu bieten.

Logistik ist die Kunst, weltweit organisiert zu bleibenBild: DW

2009 brach auch ihr Umsatz um zehn Prozent ein? Ein Zeichen, dass trotz aller Anstrengungen ihr intelligentes Logistikkonzept nicht aufgeht?

Nein, entscheidend ist doch immer zu wissen, wie man sich im Markt schlägt. Für uns war die Krise durchaus auch eine Zeit, in der wir uns wieder sehr genau besinnen konnten, machen wir alles richtig, wo gibt es noch Optimierungsbedarf. Insofern hat uns dieses Jahr 2009 durchaus sehr gut getan, neue Kräfte zu schöpfen, mit denen es uns gelungen ist, unsere Positionierung am Markt noch ein Stück weiter zu verbessern.

Schwieriger ist die Lage aber ja auch deswegen geworden, weil der deutsche Staat in höchstem Sparzwang sich neue Steuern für die Logistikbranche ausgedacht hat, beispielsweise die anvisierte Luftverkehrsabgabe. Ein Eingriff auch für Sie?

Seit ich logistisch denken kann, weiß ich, dass wir immer mit staatlicher Intervention zu tun haben. Es gibt keine andere Branche, die jedes Jahr so sehr mit Überraschungen von staatlichen Interventionen beschäftigt ist. Jedem Verkehrsminister ist bislang eine Überraschung eingefallen. Wir haben es einfach gelernt, uns darauf flexibel einzustellen. Und wir können so lange damit umgehen, so lange es alle gleichermaßen trifft.

Setzt auf die integrative Kraft, die nur Familienunternehmen entwickeln könntenBild: Dachser

Ist der Logistikstandort Deutschland für Sie also trotzdem noch attraktiv? Was hat der Standort zu bieten?

Zuallererst ist es die Mitte Europas, nicht nur geografisch, sondern vor allen Dingen strategisch. Von hier können die wesentlichen industriellen Zentren Europas mit den Hauptverbraucherregionen Europas schnell verbunden werden. Deutschland und sein Nachbarland Frankreich sind eben nun mal die Wirtschaftslokomotiven in Europa. Wer den Markt in Deutschland beherrscht, und ich füge hinzu, zusätzlich in Frankreich, der beherrscht ganz Europa. Insofern ist es schon ein absolutes Muss, die Logistik in Deutschland zu beherrschen. Darüber hinaus bietet noch - ich betone noch – die deutsche Infrastruktur erhebliche Vorteile gegenüber vielen anderen europäischen Ländern, in denen die Infrastruktur nicht so stark weiterentwickelt ist.

Warum sagen sie "noch"?

Wegen der öffentlichen Sparzwänge, wegen der schwierigen Vermittelbarkeit notwendiger Infrastrukturbaumaßnahmen gegenüber einer kritischen Öffentlichkeit, wegen den sehr schwierigen Verwaltungsprozessen. Wie lange dauert es, bis in Deutschland ein Hafen gebaut werden kann, wie lange dauert es, bis eine neue Flughafen-Startbahn gebaut wird. Wie lange dauert es, bis eine neue Autobahn fertig ist? In der Regel 30 Jahre, wenn nicht noch länger. In China dauert so etwas nur wenige Jahre. Wenn dort einmal eine Entscheidung getroffen ist, kann bereits die Planung darauf aufbauen - um entsprechend die Logistikströme zu planen. Das ist also sicherlich ein großes Problem. Die Infrastruktur läuft Gefahr, zu veralten, nicht mehr den Ansprüchen gerecht zu werden, die wir einfach haben, damit wir Logistik in Deutschland als einen der Wertschöpfungs-Faktoren für die Zukunft sehen können, der eben auch Arbeitsplätze schafft.

Bernhard Simon ist Jahrgang 1960. Er ist seit 1999 bei Dachser in der Geschäftsführung am Hauptsitz Kempten im bayrischen Allgäu. Seit 2005 ist er Sprecher der Geschäftsführung. Er ist der Vertreter der dritten Generation der Familie an der Unternehmensspitze.

Das Interview führte Richard A. Fuchs

Redaktion: Henrik Böhme

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