Verharren in der Vergangenheit
11. Mai 2009In Klerksdorp, einem kleinen Städtchen zwei Stunden außerhalb von Johannesburg, wollte Estie mit ihrem afrikaanssprachigen Schultheaterstück Premiere feiern. Doch aus der Feier wurde nichts. Die weiße Lehrerschaft war entsetzt und überfordert. In Esties Stück geht es um Ablehnung und wie man damit umgehen kann. Die Hauptfiguren: eine weiße Mutter, ein farbiger Vater und ein gemeinsames Kind. "Für so was sind wir noch nicht bereit", sagte eine der Lehrerinnen im Anschluss, während der Schulleiter bedrippst dreinschaute. Um im Geschäft zu bleiben, musste Estie das Skript ändern. Ein schwarz-weißes, bzw. weiß-farbiges Pärchen ist außerhalb von Südafrikas Großstädten undenkbar. Im umgeschriebenen Stück gibt es keinen Vater mehr, stattdessen einen guten Freund des Hauses, einen Farbigen, der als Berater und Vertrauter agiert. Das ist akzeptabel und Estie erklärt, dass man eben langsam und berechnend vorgehen müsse in Südafrika, um Veränderung zu bewirken.
Verharren in alten Strukturen
Ihre ethnisch gemischte Schauspielgruppe regt sich allerdings auf, wie hinterrücks Weiße in Südafrika noch immer sind. Inge, die in Orania, der rein weißen Enklave innerhalb Südafrikas, aufgewachsen ist, sagt, dass ihre Eltern es ganz bestimmt nicht akzeptieren würden, wenn sie mit einem schwarzen Liebhaber nach Hause käme: "Die meisten finden, dass man ja zusammen arbeiten kann, aber zusammen leben, das ist was ganz anderes, gar nicht zu reden von einer Beziehung oder Kinder miteinander haben, da hört es auf. Ich würde beinahe sagen, sobald es um Körperlichkeit und Sex geht, gibt es echt ein Problem." Ihre Schauspielkollegen Marco und Deolano pflichten ihr bei, indem sie sagen, dass Südafrika lange nicht so liberal und frei sei wie es tut. Die Hautfarbe spiele immer noch eine große Rolle. Viele Weiße, so Deolano, verharrten in der Vergangenheit und versuchten ihre Kinder immer noch so wie zu Apartheidzeiten großzuziehen. Esties Vorschlag und Erklärung lauten: "Wir mussten uns in zu kurzer Zeit zu stark umgewöhnen. Meiner Meinung nach müssten alle Südafrikaner einer Psychotherapie unterzogen werden."
Hoffen auf die junge Generation
Trotzdem sind sich eigentlich alle einig, dass in fünfzehn bis zwanzig Jahren, wenn die Kinder, die nicht mehr unter Apartheid groß geworden sind, erwachsen sind, Südafrika nicht mehr vom Denken in Hautfarben bestimmt sein wird. Bis dahin ist es noch ein langer Weg. Im Südafrika von heute kommt es immer noch vor, dass Lehrer Schüler auffordern: "Alle weißen Mädels bitte jetzt den Finger heben." Oder dass Lehrer einem schwarzen Schüler sagen: "Hier bei uns geht das aber nicht, dass kannst du zuhause im Township machen." Die Lehrerin Jentina Frahm-Arp blickt trotz aller Schwierigkeiten optimistisch in Südafrikas Zukunft: "Die Schüler spielen miteinander und freunden sich an, egal welcher Hautfarbe sie sind. Die ganz Kleinen sehen Hautfarbe überhaupt nicht. Die Teenager sind sich ihrer ethnischen Zugehörigkeit schon bewusst, nichtsdestotrotz hören sie alle dieselbe Musik und gucken die gleichen Fernsehserien. Ich habe seit 1994 in gemischten Schulen unterrichtet und ich habe kein einziges Mal einen Streit oder Kommentare gehört, die sich auf die Rasse oder Hautfarbe bezogen haben."
Autorin: Dagmar Wittek
Redaktion: Katrin Ogunsade