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"Wir werden für die Bremer Sammlung das Doppelte von dem bekommen, was Gubenko verlangt"

24. März 2003

– "Baldin-Sammlung" wird nicht am 29. März in Bremen ausgestellt

Moskau, 21.3.2003, NESAWISSIMAJA GASETA, INTERFAX, INTERFAX-MOSKWA

NESAWISSIMAJA GASETA, russ., 20.3.2003, Grigorij Saslawskij

Anfang Februar hat der Kulturminister Russlands, Michail Schwydkoj, bei Verhandlungen in Berlin versprochen, an Deutschland die sogenannte "Baldin-Sammlung", eine Sammlung der Bremer Kunsthalle, zurückzugeben. Genau einen Monat später kritisierte Nikolaj Gubenko, der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Kultur und Tourismus, die entschädigungslose Rückgabe der Kunstschätze scharf. Die Konfrontation erreichte ihren Höhepunkt als sich sowohl die eine als auch die andere Seite an die Generalstaatsanwaltschaft wandte. Gestern (19.3.) äußerte Nikolaj Gubenko seine Meinung in der "Nesawissimaja gaseta" (siehe Monitor-Dokumentation vom 19.3.2003 – MD). Heute veröffentlichen wir ein Interview mit Kulturminister Michail Schwydkoj.

Frage:

Michail Jefimowitsch, was halten Sie von der jetzigen Entwicklung der Ereignisse um die "Baldin-Sammlung"?

Antwort:

Ich freue mich sehr darüber, dass die Ereignisse sich so entwickeln, wie sie sich entwickeln. Das zeugt davon, dass es derzeit keinen Konflikt zwischen den Machtzweigen, verschiedenen staatlichen Institutionen und der Gesellschaft gibt. Und das sogar in so delikaten Fragen wie Probleme, die etwas mit den Folgen des Zweiten Weltkrieges im Kulturbereich zu tun haben. Für mich ist wichtig, dass diese Diskussion davon zeugt, dass die Gesellschaft daran interessiert ist, dass das ganze Vorgehen den Gesetzen und internationalen Verträgen der Russischen Föderation entspricht.

Für sehr ungünstig halte ich die Hysterie, zu der einige Teilnehmer der Diskussion neigen, da das die Aufklärung der Wahrheit behindert. Für mich als Beamten ist es wichtig, dass alles nach dem Gesetz abläuft. Aus diesem Grund bin ich sehr erfreut darüber, dass das Problem der "Baldin-Sammlung" in der Staatsduma erörtert wird, dass das Vorgehen des Ministeriums von der Staatsanwaltschaft überprüft wird, dass die Situation unter der Kontrolle des Präsidenten steht. Ich wiederhole, hier handelt es sich nicht um einen Konflikt der Seiten, schon gar nicht um einen Konflikt zwischen Gegnern. (...) Die ganze Polemik und Diskussion, die um die "Baldin-Sammlung" stattfindet, halte ich sowohl für die Gegenwart als auch für die Zukunft für nützlich.

(...)

Frage:

Was halten Sie vom Schreiben des stellvertretenden Generalstaatsanwaltes?

Antwort:

Da die Staatsanwaltschaft ihr Gutachten mit dem Vermerk "Für dienstliche Zwecke" versehen hat, kann ich als Beamter es nicht veröffentlichen. Ich kann nur sagen, dass die Erklärungen von Herrn Gubenko meiner Meinung nach voreilig sind. Das Kulturministerium wird sich an die Generalstaatsanwaltschaft mit der Bitte wenden, einige Punkte dieses Gutachtens zu erläutern, da wir nichts unternommen haben, was die russische Gesetzgebung verletzten würde. Dessen bin ich mir sicher. (...) Ich gehe davon aus, dass wir für die Bremer Sammlung doppelt so viel bekommen können, wie Nikolaj Nikolajewitsch Gubenko verlangt. Dafür sprechen die bereits geführten Verhandlungen.

(...)

Frage:

(...) Werden sich nach dem jetzigen Beschluss der Generalstaatsanwaltschaft, der praktisch die Ausfuhr der Sammlung verbietet, nicht die Beziehungen zum offiziellen Berlin verschlechtern?

Antwort:

Ich glaube nicht, dass diese sich grundsätzliche verschlechtern werden. Für mich ist hier jedoch entscheidend, dass wir uns nicht an die internationalen Gesetze halten, wo sich unser deutscher Partner daran hält. Ich spreche hier nicht davon, was die Sammlung wert ist. Ich spreche davon, dass uns Gegenstände aus Russland gleich nach der ersten Aufforderung zurückgegeben werden in dem Moment, in dem sie als russische identifiziert werden. Natürlich wird das die Beziehungen zu Berlin beeinflussen. Das ist jedoch keine Angelegenheit meiner Behörde.

Frage:

Da die Ausstellung in Bremen am 29. März eröffnet werden sollte, hätte die Sammlung in diesen Tagen die Grenze überqueren sollen...

Antwort:

Ich habe meine Kollegen bereits gewarnt, dass es dazu nicht kommen wird, da ich keine Gesetze verletzen möchte.

Frage:

Wie sieht der weitere Weg der "Baldin-Sammlung" aus? Zurück in die Eremitage? Zurück ins Architekturmuseum?

Antwort:

Die Sammlung wird in der Vereinigung "ROSISO" (die formal dem Kulturministerium untersteht – MD) aufbewahrt werden. Das ist ein ganz normales staatliches Lager. Etwas anderes wird nicht benötigt. (...) (lr)

INTERFAX, russ., 20.3.2003, nach ECHO MOSKWY

Eine Entscheidung über die Ausfuhr der "Baldin-Sammlung" aus Russland nach Deutschland wird aufgeschoben, erklärte der Kulturminister der Russischen Föderation, Michail Schwydkoj. "Wir sind gesetzlich berechtigt, die Ausfuhr zu genehmigen, da der Teil der Sammlung der Bremer Kunsthalle, der nach dem Zweiten Weltkrieg gesetzwidrig von Wiktor Baldin ausgeführt wurde, unter das russische Gesetz über die Einfuhr und Ausfuhr fällt, was von der Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation bestätigt wurde, die in dieser Woche die Rechtmäßigkeit unseres Vorgehens und unserer Absichten überprüft hat", sagte Michail Schwydkoj bei Radio "Echo Moskwy". "Wir wollen jedoch, dass auch die Öffentlichkeit unseren Standpunkt richtig versteht, damit keine Unklarheiten und Meinungsverschiedenheiten übrig bleiben", unterstrich er. (...)

Michail Schwydkoj unterstrich, die Staatsanwaltschaft habe dem Kulturministerium zugestimmt, dass die sogenannte "Baldin-Sammlung" gesetzwidrig in die UdSSR eingeführt wurde und deshalb nicht unter das Gesetz über ausgeführte Kunstschätze, sondern unter das Gesetz über Einfuhr und Ausfuhr fällt und deshalb dem rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben werden muss. Es gäbe bestimmte Meinungsverschiedenheiten zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Kulturministerium was die Feststellung des gesetzlichen Eigentümers dieses Teil der Bremer Sammlung betrifft. "Hier müssen zusätzliche Gutachten und Verhandlungen durchgeführt werden", sagte Michail Schwydkoj. (...) (lr)

INTERFAX-MOSKWA, russ., 21.3.2003

Die Frage der Rückgabe der Bremer Sammlung an Deutschland ist vorläufig nicht gelöst, erklärte der Kulturminister der Russischen Föderation, Michail Schwydkoj, am Freitag (21.3.) auf einer Pressekonferenz. Ihm zufolge "wird die Frage nach meinem Treffen mit dem Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation Wiktor Ustinow gelöst werden", zu dem es aller Wahrscheinlichkeit nach in der nächsten Woche kommen wird. (...)

Er erinnerte daran, dass sich in Russland weitere etwa 130 Gegenstände aus der Bremer Kunsthalle befinden. Diese seien als "Beutekunst" ausgeführt und später von verschiedenen Museen erworben worden. Diese seien offen ausgestellt worden. Die Frage der Rückgabe dieser Kunstschätze müsse deshalb auf anderem Wege gelöst werden. (lr)

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