Wirbel um linke Glückwunsche an Fidel Castro
22. August 2011Erich Honecker, der 1989 gestürzte DDR-Staats- und Parteichef, hätte den Glückwunsch an den "lieben Genossen Castro" nicht besser formulieren können. Huldvoll und unkritisch der Inhalt, floskelhaft und gestelzt die Sprache. So liest sich der Brief, den die Vorsitzenden der Linken, Gesine Lötzsch und Klaus Ernst, an den kubanischen Revolutionsführer und Diktator geschrieben haben. Von einem "kampferfüllten Leben und erfolgreichen Wirken" ist in dem Brief die Rede. So viel ungewohnte Anerkennung aus einem kapitalistischen Land von einer kapitalismuskritischen Partei nahm die Botschaft Kubas in Deutschland zum Anlass, den Brief auf ihre Internet-Homepage zu stellen.
Zwar hatte Fidel Castro schon am 13. August Geburtstag, aber das erst jetzt einer breiteren Öffentlichkeit bekannt gewordene Schreiben, löste eine Welle von überwiegend empörten Kommentaren aus. Der General-Sekretär der regierenden Christdemokraten, Hermann Gröhe, sagte der Zeitung "Die Welt", die Äußerungen der Linkspartei würden immer "skandalöser". Gröhes Fraktionskollege im Deutschen Bundestag, Stefan Müller, sagte im TV-Sender "ARD", eine Partei, die solche Briefe an Diktatoren schreibe, habe "offensichtlich ein gespaltenes Verhältnis zur Demokratie". Er sei in jedem Fall dafür, dass die Verfassungsschutz-Behörden die Linken "weiterhin sorgfältig beobachten und dass diese Beobachtung auch noch verstärkt wird", forderte Müller.
"Unverbrüchliche Freundschaft und Solidarität"
Die Linke wehrt sich seit Jahren gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz, teilweise mit juristischen Mitteln. Durchschlagenden Erfolg hatte sie bislang nicht. Der Verfassungsschutz seinerseits betont, man bediene sich bei der Beobachtung der Linken ausschließlich öffentlich zugänglicher Quellen. Deshalb ist den Sicherheitsbehörden natürlich schon lange bekannt, dass es innerhalb der Partei eine traditionell, aus DDR-Zeiten resultierende Sympathie für Kuba und zuweilen auch für die Galionsfigur Fidel Castro gibt.
Die Linken-Chefs Lötzsch und Ernst würdigen das Land als "Beispiel und Orientierungspunkt für viele Völker der Welt". Auch andere Länder in Lateinamerika hätten inzwischen "ihr Schicksal in die eigenen Hände genommen" und beschritten "einen Weg, der ihren eigenen Interessen und nicht denen des internationalen Kapitals entspricht". Lötzsch und Ernst versichern Castro zudem tatkräftige Unterstützung der kubanischen Unabhängigkeit und "unsere unverbrüchliche Freundschaft und Solidarität mit dem kubanischen Volk".
Gysi: "In Kuba muss sich etwas ändern"
Inhaltliche Kritik aus den eigenen Reihen blieb der Linken-Spitze weitestgehend erspart. Der Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag, Gregor Gysi, sagte im Interview mit der "ARD", der Brief entspreche nicht seinem Stil, schränkte aber gleichzeitig ein, wenn man einem 85-Jährigen schreibe, schreibe man ihm nicht alles auf, was man kritisiere. "Aber trotzdem sage ich: In Kuba muss sich etwas verändern", betonte Gysi.
Gysi meint damit eine spürbare Verbesserung der Menschenrechte, die den Kubanern in vielen gesellschaftlichen Bereichen vorenthalten sind. Dazu gehören unter anderem die Meinungs- und Reisefreiheit. Allerdings bemängelt Gysi auch, dass freundliche Briefe etwa von Bundeskanzlerin Angela Merkel an den Regierungschef der sozialistischen Republik Vietnam offenbar kein Anlass für Kritik seien. Zudem habe der kubanische Revolutionsführer auch seine Verdienste. So habe er unter Einsatz seines Lebens Kuba unabhängig gemacht. Vorher sei es "das Bordell der Eliten der USA" gewesen. Castro habe zudem ein Gesundheits- und Bildungssystem aufgebaut, "das vorbildlich war", sagte Gysi.
Özdemir: "Für die Freilassung von Gefangenen einsetzen"
Mit dieser Argumentation kann der Vorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, überhaupt nichts anfangen. Er erwarte von den Linken eine klare Position. "Wenn sie schon einen Brief an Fidel Castro schreiben, dann sollten sie sich für die Freilassung von politischen Gefangenen einsetzen", forderte Özdemir.
Glaubt man den Worten der Briefschreiberin Gesine Lötzsch, haben zahlreiche Linken-Politiker bei Besuchen Kubas ihren Gesprächspartnern ins Gewissen geredet. Sie hätten auch Anregungen gegeben, wie Reformen umgesetzt werden können. Sie persönlich würde es gut finden, "wenn auch die Kubaner einen friedlichen Weg zu Reformen finden können", sagte Lötzsch.
Wahlkämpfende Genossen sind verärgert
Der Versuch, die Brisanz des Brief an Fidel Castro herunterzuspielen, ist den Linken-Chefs letztlich nicht einmal in den eigenen Reihen ganz gelungen. Im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern und im Stadtstaat Berlin sind die Genossen verärgert, weil ihnen die Diskussion im Wahlkampf schaden dürfte. In beiden Ländern wird im September ein neues Parlament gewählt. In Berlin hoffen die Linken auf eine Fortsetzung der Koalition mit den Sozialdemokraten. Die Chancen könnten mit jedem weiteren rhetorischen Fehltritt der Bundesvorsitzenden sinken.
Anfang 2011 hatte Gesine Lötzsch mit missverständlichen Äußerungen über "Wege zum Kommunismus" für Irritationen gesorgt. Und anlässlich des 50. Jahrestages des Berliner Mauerbaus am 13. August sprach sie von einer Folge des Zweiten Weltkriegs. Ironie der Geschichte: Fidel Castro hat am 13. August Geburtstag. Dieses Datum scheint der Linken einfach kein Glück zu bringen...
Autor: Marcel Fürstenau
Redaktion: Stephan Stickelmann