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Wirbel um Warhol-Bilder

Nikolas Fischer5. November 2014

Der geplante Verkauf zweier Bilder Andy Warhols durch den Spielbank-Betreiber Westspiel sorgt seit Wochen für Unruhe. In Bremen will Westspiel nun auch zwei Werke Paula Modersohn-Beckers verkaufen. Eine Bestandsaufnahme.

Andy Warhol Triple Elvis Four Marlons Ausstellung Versteigerung
Bild: AFP/Getty Images/Justin Tallis

Der 12.11.2014 ist vielen deutschen Museumsdirektoren und Galeristen schon jetzt ein Dorn im Auge: An diesem Tag sollen die beiden Warhol-Werke "Four Marlons" und "Triple Elvis" im Auktionshaus Christie's in New York versteigert werden. Von der Auktion der beiden Bilder erhofft sich der Eigentümer – die Westdeutsche Spielbanken GmbH (Westspiel) – einen Erlös von rund 100 Millionen Euro. Eigentümer des Unternehmens ist das Land Nordrhein-Westfalen, denn Westspiel gehört zur landeseigenen NRW-Bank.

Maximal 80 Millionen Euro des Auktionserlöses sollen in die Sanierung der Aachener Spielbank und in einen Neubau in Köln fließen. Ein möglicher Mehrerlös kommt wohl dem Landeshaushalt von Nordrhein-Westfalen zugute. Ein wesentlicher Anteil des Geldes soll laut Westspiel der Stiftung Wohlfahrtspflege zufallen, mit der das Land Menschen mit Behinderung, alte Menschen und benachteiligte Kinder unterstützt.

Das Casino in AachenBild: imago/Sven Simon

Köhne: "Warhols sind im Besitz der Bürgerinnen und Bürger"

Eckart Köhne, der Präsident des Deutschen Museumsbundes, nennt dieses Argument Teil einer "Scheindebatte, die dazu dient, gegen Kunst und Kultur Stellung zu beziehen". Im Gespräch mit der DW betont er, auf diese Diskussion dürfe man sich gar nicht erst einlassen: "Denn kulturelle Werte sind nicht mit Geld zu messen. Die Kunstwerke sind im Besitz der Bürgerinnen und Bürger. Und da sollten sie auch bleiben. Wenn es im Bereich der Hilfe für bedürftige Menschen Probleme gibt, dann ist das Land doch ohnehin gefordert, das anzugehen und zu lösen." Das mit dem Erlös aus Kunstverkäufen zu legitimieren, sei nicht zulässig. Köhne fordert, die Sammlungen des Landes unter Kulturschutzgut zu stellen, damit sie in Zukunft nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern verwendet werden können.

Eckart Köhne, Direktor des Badischen Landesmuseums in Karlsruhe und Präsident des Deutschen MuseumsbundesBild: picture-alliance/dpa/U. Deck

Offener Brief der Museumsdirektoren: "Tabubruch"

In einem offenen Brief an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, die Chefin der rot-grünen Landesregierung Nordrhein-Westfalens, hatten 26 deutsche Museumsdirektoren am 15.10.2014 ihren Unmut über das Vorhaben geäußert und die Auktion als "Tabubruch" bezeichnet. Sie stehe "in schroffem Gegensatz zu den internationalen Konventionen, die den öffentlichen Kunstbesitz zu schützen suchen", heißt es in dem Brief. Es handele sich um einen "grundlegenden Kulturwandel", der das Image Nordrhein-Westfalens und Deutschlands als Kulturland und Kulturnation infrage stelle. Die Direktoren forderten, die beiden Warhols an Museen in Nordrhein-Westfalen zu übertragen.

Kraft: "Warhols sind kein nationales Kulturgut"

Ein solcher Ankauf der Bilder aus Steuergeldern zum Marktwert sei "zurzeit nicht darstellbar", beantwortete die Ministerpräsidentin den Brief – und wies darauf hin, dass sie den Verkauf nicht verhindern könne. Denn "Four Marlons" und "Triple Elvis" seien "kein nationales Kulturgut gemäß dem Kulturschutzgesetz". Westspiel habe die Bilder aus eigenen Mitteln erworben und müsse "als rechtlich selbstständiges Unternehmen Investitionen aus vorhandenen Vermögenswerten bestreiten", schrieb Kraft. Westspiel hatte die beiden Warhols 1977 und 1978 für zusammen rund 389.000 Euro gekauft – zur Ausstattung der Spielbank, wie es heißt. Bis 2009 konnten die Aachener Casino-Besucher die Bilder auch noch dort bewundern, somit waren sie also – zumindest einem speziellen Publikum – zugänglich. Wegen ihres inzwischen massiv gestiegenen Wertes sind sie allerdings vor fünf Jahren im Safe verschwunden.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD)Bild: Reuters

Kraft versicherte, die Landesregierung habe nicht die Absicht, Kunstwerke aus direktem Besitz des Landes zu verkaufen, um Haushaltslücken zu schließen: "Diesen Tabubruch wird es nicht geben." Am 23. Oktober hatten sich die Museumsdirektoren in einem zweiten, nicht-öffentlichen Brief an die Ministerpräsidentin gewandt – der bisher anscheinend noch ohne Antwort geblieben ist.

Andy Warhol vor Andy-Warhol-PorträtsBild: AP

Online-Petition: "Verrat am Steuerzahler verhindern "

Seit Anfang November gibt es auch eine Online-Petition gegen den Verkauf der Warhols. Verantwortet wird sie von Paul Witting aus Düsseldorf. Die Petition ruft dazu auf, den "kulturlosen Verrat am Steuerzahler zu verhindern". Der Brief an Frau Kraft sei "lapidar und mit fadenscheinigen Ausreden" zurückgewiesen worden. "Staatlichen Museen ist der Verkauf von Werken bereits untersagt, aber dasselbe muss auch für andere staatliche Einrichtungen gelten, die Kunst aus Steuergeldern erworben haben", wird dort gefordert. Fast 1300 Menschen haben die Petition bisher (Stand: 05.11.2014) unterzeichnet.

Grütters: "Kunstwerke sind keine Spekulationsobjekte"

Auch die deutsche Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat sich deutlich gegen den Verkauf der Warhols ausgesprochen: "Kunstwerke sind keine Spekulationsobjekte. Ich appelliere daher nachdrücklich an das Land Nordrhein-Westfalen, seiner Verantwortung gerecht zu werden und den Verkauf der Kunstwerke umgehend zu stoppen."

Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und MedienBild: picture-alliance/dpa

Ihr Appell wurde nicht erhört: Der Verwaltungsrat der NRW-Bank unter dem Vorsitz von Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) hatte dem Verkauf der beiden Warhols bereits zugestimmt. Der Landtag von Nordrhein-Westfalen schloss sich dieser Haltung am 24.10.2014 an und bestätigte die geplante Auktion noch einmal. Die Verträge mit dem Auktionshaus Christie's seien abgeschlossen, es bestehe eine Auktionsgarantie, teilte der Kulturausschuss des Düsseldorfer Landtags mit.

Gemälde Modersohn-Beckers: Ein ähnlicher Fall in Bremen?

Die Westspiel GmbH betreibt Spielbanken in Aachen, Bad Oeynhausen, Dortmund-Hohensyburg, Duisburg, Erfurt, Bremerhaven und Bremen. Und genau dort scheint jetzt ein vergleichbarer Fall erkennbar zu werden. Denn auch die Bremer Spielbank will zwei Gemälde verkaufen, um damit das Unternehmen zu sanieren.

Eingang zum Casino BremenBild: imago/Eckhard Stengel

Westspiel besitzt eine Sammlung von über 250 Kunstwerken – neben den beiden Warhols auch die Gemälde "Häuser, Birken und Mond" und "Anbetung" von Paula Modersohn-Becker. Die als Wegbereiterin der Moderne geltende Malerin (1876-1907) war eine der bedeutendsten Vertreterinnen des frühen Expressionismus.

Borgmann: "Keine Angst, die Bilder zu verlieren"

Ein Unterschied zu Aachen: Die Modersohn-Becker-Bilder befinden sich seit Ende der achtziger Jahre als Dauerleihgabe im Bremer Paula Modersohn-Becker Museum. Und dort sollen sie auch bleiben, sagt Westspiel-Sprecher Christof Schramm. Gespräche dazu liefen bereits länger. Man strebe "eine bremische Lösung" an.

Die wissenschaftliche Leiterin des Paula Modersohn-Becker-Museums, Verena Borgmann, weiß schon seit einigen Monaten von dem geplanten Verkauf – und gibt sich entspannt: "Wir haben keine Angst, die Bilder zu verlieren", sagte sie. "Wir haben eine ganz andere Ausgangslage als in Nordrhein-Westfalen." Die beiden 1902 entstandenen Gemälde könnten der Bremer Spielbank Schätzungen zufolge mehrere hunderttausend Euro einbringen. Ein Gutachten zu ihrem Wert liegt laut Westspiel aber nicht vor. Ähnlich wie Nordrhein-Westfalen im Falle der Aachener Spielbank ist auch der Stadtstaat Bremen am Casino beteiligt – hier über die Bremer Landesbank. Die Bremer Kulturbehörde hat sich bislang aber noch nicht zu dem geplanten Verkauf geäußert.

Das Gemälde "Anbetung" von Paula Modersohn-Becker (1902)Bild: Modersohn-Becker-Museum/dpa
Das Gemälde "Häuser, Birken und Mond" von Paula Modersohn-Becker (1902)Bild: Modersohn-Becker-Museum/dpa
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