Sie bilden sich über dem Meer, brauchen eine bestimmte Wassertemperatur und ein großes Tiefdruckgebiet. Bei einem so zerstörerischen Hurrikan wie "Harvey" muss einiges zusammenkommen. Zutaten für eine Naturkatastrophe.
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Es könnte sein, dass Hurrikan "Harvey" das Festland der USA bald wieder verlässt und auf den Golf von Mexiko hinauszieht, glauben Experten vom National Hurricane Center (NHC). Grund zur Erleichterung ist das allerdings nicht, denn das warme Wasser des Golfs ist mitverantwortlich für die zerstörerische Kraft der Wirbelstürme. "Harvey" könnte sich also noch einmal "aufladen", um dann mit neuer Wucht auf die Küste prallen. Das ist zwar ein Zukunftsszenario, doch auch gegenwärtig richtet der Hurrikan gewaltige Schäden an.
Aber von vorne: Wie entsteht so eine Naturgewalt wie "Harvey" überhaupt?
Rezept für einen Wirbelsturm
"Harvey" trat laut dem Deutschen Wetterdienst (DWD) bereits am 13. August als "tropisches Wellentief" auf. Er war zunächst ein harmlos anmutendes Tiefdruckgebiet, das sich allerdings in der Folge zu einem Tropischen Sturm entwickelte.
"Hurrikans brauchen einige Grundvoraussetzungen, um entstehen zu können", sagt Andreas Friedrich, Meteorologe und Tornadobeauftragter beim DWD. Zum Einen sei das eine Oberflächentemperatur des Meeres von mindestens 26 Grad Celsius. Das Gebiet mit dem warmen Meereswasser müsse zudem ausreichend, das heißt mehrere 100 Quadratkilometer groß sein.
Dazu fehlt dann noch ein Tiefdruckgebiet als weitere wichtige Voraussetzung. "Häufig ziehen kleine Tiefdruckgebiete von der Westküste Afrikas mit der Monsun-Strömung über den Atlantik in diese warmen Gewässer", sagt Friedrich. In der Entstehungsphase des Hurrikans dürfe es außerdem keine großen Windunterschiede dicht über dem Meer und in größeren Höhen geben. Die würden den Sturm auseinander treiben.
Kommt alles zusammen, kann aus einem Tiefdruckgebiet ein Wirbelsturm entstehen. Dabei steigt feuchtwarme Meeresluft nach oben, kondensiert in den kälteren Höhen und bildet Gewitterwolken. Durch die schnell aufsteigende Luft entsteht ein Unterdruck an der Meeresoberfläche, sodass weitere feuchte Luft aus der Umgebung angesogen wird.
"Harvey“ überflutet Texas
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Wie in einem Kamin werden die Luftmassen nach oben gezogen. Die Corioliskraft, die mit der Drehung der Erde zusammenhängt, versetzt die Luftmassen in Rotation. "In der Mitte dieses Wirbels entsteht das für einen Hurrikan typische 'Auge', in dem es ganz ruhig und wolkenlos ist, während sich die Wolken am Rand des Auges immer höher auftürmen", sagt Friedrich.
"Harvey" bewegt sich kaum vom Fleck
Je nachdem wie lange diese günstigen Wirbelsturm-Bedingungen anhalten, desto gewaltiger wird das, was sich da zusammenbraut. "Harvey" entwickelte sich so prächtig, dass ihn das NHC als einen Wirbelsturm der Kategorie vier von fünf einstufte. "Die Wirbelstürme bewegen sich mit Hilfe von Luftströmungen in fünf bis acht Kilometern Höhe. Sie bestimmen, wo der Wirbelsturm hinzieht", erklärt Friedrich. In "Harveys" Fall war es das texanische Festland: Mit Spitzenwindgeschwindigkeiten von 215 Kilometer pro Stunde traf der Wirbelsturm am Freitagabend auf die amerikanische Küste.
Normalerweise verlieren die Hurrikans nach ihrem "Landgang" schnell an Kraft: Die Luftströmungen der höheren Atmosphäre treiben den Sturm schnell ins Landesinnere und schneiden ihn so von seiner Hauptenergiequelle ab - der feuchtwarmen Meeresluft. Dort werden sie zu Tiefdruckgebieten abgeschwächt und verlieren ihre zerstörerische Kraft.
Nicht so jedoch "Harvey": "Es herrschen kaum Winde über dem Golf von Mexiko und in den Südstaaten. Deshalb verlagert sich "Harvey" nur sehr langsam", sagt Friedrich. Der Sturm werde in Küstennähe weiter von feuchter Meeresluft gespeist. Feuchtigkeit, die als sintflutartiger Regen wieder vom Himmel fällt.
Stärkere Hurrikans dank Klimawandel
Der Klimawandel sorge für insgesamt höhere Meeresoberflächentemperaturen und somit für noch bessere Bedingungen für Hurrikans. "Je größer die Meeresgebiete mit einer Temperatur über 26 Grad, desto größer sind auch die Gebiete, in denen sich Hurrikans bilden können", sagt Friedrich. Klimamodelle lassen befürchten, dass es in Zukunft nicht nur mehr, sondern auch stärkere Wirbelstürme geben wird, sagt der Meteorologe.
Wirbelstürme - Gewalten der Verwüstung
Wirbelstürme wie Zyklon Freddy haben eine verheerende Kraft. Wo sie durchziehen, hinterlassen sie eine Schneise der Verwüstung. Wie sie entstehen und was Taifune, Hurrikans und Tornados unterscheidet, sehen Sie hier.
Bild: NASA VIA REUTERS
Freddy - ein Ausnahmesturm
Zyklon Freddy ist Anfang Februar vor Australien entstanden. Er fegte über den Indischen Ozean hinweg, über Madagaskar bis zu Mosambik an der afrikanischen Ostküste. Wo der Wirbelsturm auf Land traf, richtete er große Schäden an. Nachdem Freddy einige Tage über Mosambik und Zimbabwe auf dem Festland zirkulierte und etwas abschwächte, zog er ostwärts Richtung Meer. Dort kam er wieder zu Kräften.
Bild: Luciano da Conceição/DW
Neuer Ausdauerrekord
Freddy hat über seine gesamte Lebensdauer bisher so viel Energie aufgenommen wie noch kein anderer Sturm auf der Südhalbkugel. Und er hat sogar noch einen weiteren Rekord gebrochen: Freddy gilt nun als langlebigster tropischer Zyklon. Bisher hielt Hurrikan John diesen Rekord. Er wirbelte 31 Tage lang vom 11. August 1994 bis zum 13. September 1994 über dem Pazifik, bis er vor Alaska endete.
Bild: NASA/ZUMA Press/picture alliance
Drei Namen - ein Phänomen
Taifun, Hurrikan und Zyklon - drei Begriffe für das gleiche Wetterextrem: den tropischen Wirbelsturm. Vor Ost- und Südostasien heißt er Taifun, vor der Küste Nordamerikas Hurrikan, vor Indien und Australien Zyklon. Trotz unterschiedlicher Namen entsteht er auf die gleiche Art.
Bild: Reuters
Ein Wirbelsturm entsteht
Tropenstürme entstehen über dem Meer, wenn mindestens 26° Celsius warmes Wasser verdunstet. Der Wasserdampf kondensiert, die Luft heizt sich auf und reißt kühlere Luft mit nach oben. Es entstehen Windgeschwindigkeiten von bis zu 350 Stundenkilometern.
Das Auge des Sturms
Durch die Erddrehung beginnt sich der Luftstrom um das bis zu 50 Kilometer große Auge des Sturms zu drehen. Hier ist es fast völlig wolkenlos und windstill.
Bild: picture-alliance/dpa
Wirbelsturm trifft Festland
Wenn der Wirbelsturm auf eine Küste trifft, geht ihm der Antrieb aus, da kein warmes Wasser mehr nachfolgt. Die schwersten Schäden richten oft die Wassermassen an, die der Sturm vom Meer mitbringt. Hier trifft Vongfong 2020 auf die Küstenstadt Catbalogan im besonders gebeutelten östlichen Teil der Philippinen.
Bild: picture-alliance/AP Photo/S. Sayat
Angekündigtes Chaos
Sandy traf 2012 auf die US-Ostküste. Es war von der Fläche her einer der größten Wirbelstürme, die jemals über dem Atlantik gemessen wurden. Flutwellen von vier Metern Höhe, Brände, Stromausfälle, gebrochene Deiche - Sandy tobte sich mit mehr als 145 Kilometern in der Stunde über Nordamerika aus. Besonders betroffen: New Jersey und New York.
Bild: Reuters
Verheerende Folgen
Schlimmer war aber Hurrikan Katrina, der 2005 New Orleans verwüstete. Dämme brachen. Weite Landstriche versanken im Wasser. Die Hilfskräfte waren durch die Naturgewalten völlig überfordert. Etwa 1800 Menschen starben. Zehn Jahre nach der Katastrophe am selben Ort: Einige Häuser sind wieder aufgebaut. Aber viele Betroffene sind nie zurückgekehrt.
Bild: Reuters/C. Barria
Zerstörerischer Wirbel
Tornados dagegen sind nicht-tropische Wirbelstürme. Sie können sich überall entwickeln, wo es Gewitter gibt. Durch lokale Temperaturunterschiede strebt warme Luft nach oben, kalte stürzt herab, und eine Warmluft-Säule schraubt sich immer schneller empor. Tornados haben meist nur einen Durchmesser von maximal einem Kilometer.
Geschwindigkeitsmeister unter den Stürmen
Durch die warme Luft, die schnell nach oben steigt, entsteht ein Rüssel - ganz charakteristisch für einen Tornado. Dort sind die Luftgeschwindigkeiten enorm: Bis zu 500 km/h schnell kann die Luft werden. Damit ist der Tornado der Geschwindigkeitsweltmeister unter den Wirbelstürmen.
Bild: Fotolia/Daniel Loretto
Straße der Verwüstung
Ein Tornado hinterlässt eine mehrere Kilometer lange Schneise der Zerstörung. Im mittleren Westen der USA treten Tornados bis zu einige hundert Mal pro Jahr auf: Dort trifft trocken-kalte Luft aus dem Norden auf feucht-warme Luft vom Golf von Mexiko. In Deutschland wüten Tornados meist an den Küsten.