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Wird China Putins neuer Wunschpartner?

25. Februar 2022

Kann China die EU als Russlands Handelspartner ersetzen und was steht für Peking auf dem Spiel, wenn es sich zu stark an Putins Riesenreich bindet?

China | Wladimir Putin und Xi Jinping
Bild: Alexei Druzhinin/Sputnik/Kremlin Pool Photo via AP/picture alliance

Schon lange vor der Zuspitzung des Ukraine-Konflikts hat Russland seine Beziehungen mit China intensiviert und den Handel mit dem Reich der Mitte ausgebaut. Aber wie realistisch ist es, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China das EU-Geschäft kompensiert, das Russland durch Sanktionen und andere Folgen der Ukraine-Invasion verliert? Wäre es überhaupt klug von Peking, für einen geopolitischen Schulterschluss mit Russland die Gräben zur EU und den USA weiter zu vertiefen? Über diese Frage wird zur Zeit nicht nur in Moskau und Peking heftig diskutiert. Auch in westlichen Hauptstädten und Expertengremien werden seit dem russischen Überfall auf die Ukraine neue Konstellationen und Möglichkeiten der Zusammenarbeit zwischen russischem Bär und chinesischem Drachen durchgespielt.

Noch ist Chinas ökonomische Bedeutung für Russland nicht so groß wie die der Europäischen Union. Besonders deutlich wird das beim Blick auf den Energiebereich: Die EU importiert pro Jahr 200 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas, China noch nicht einmal 40 Milliarden Kubikmeter.

Russischer Messestand auf der Shanghai China International Import Expo 2019Bild: Imago Images/Xinhua/Fang Zhe

Ausbaufähige Handelspartnerschaft

Auch der Austausch von Waren und Dienstleistungen zwischen Russland und China ist im Vergleich zum Geschäft mit der EU geringer. Der bilaterale Handel ist zwar in den vergangenen Jahren stark gestiegen - aber mit einem Volumen von rund 150 Milliarden Euro reicht er noch nicht an den Warenaustausch mit der EU heran. Der lag selbst im Pandemiejahr 2020 bei fast 175 Milliarden Euro. Vor der Krim-Annexion hatte der Wert im Jahr 2013 noch bei fast 350 Milliarden Euro gelegen, so die Berechnungen des Informationsdienstes des Instituts der deutschen Wirtschaft (iwd). Seit der Krim-Annexion 2014 sorgten EU-Sanktionen, die Pandemie und seinerzeit niedrigere Ölpreise für diesen dramatischen Rückgang.

Russlands Möglichkeiten, im Warenaustausch mit Peking einen Ersatz für die EU zu finden, würde nach Einschätzung von Thomas Jäger viele Jahre dauern: "Das ist kurzfristig nicht sehr realistisch. Mittelfristig hat sich Russland schon, insbesondere was die Energielieferungen angeht, in Richtung China orientiert", sagt der Politikwissenschaftler, der an der Universität zu Köln Internationale Politik lehrt. "Das hatte aber einen Preis - und zwar den, dass die Chinesen so verhandelt haben, dass sie das russische Gas zu einem niedrigeren Preis bekommen."

Mit anderen Worten: Peking kauft gerne günstigeres russisches Erdgas, kann aber auch wie in den vergangenen Jahren auf das teurere Flüssiggas (LNG) etwa aus Katar, Indonesien oder Malaysia zurückgreifen.

Bau der Gaspipeline Power of Siberia Bild: Gazprom

Kaum Pipeline-Infrastruktur

Bisher verbindet mit der Pipeline Kraft Sibiriens erst eine Gasleitung das Reich der Mitte mit den Erdgasfeldern Sibiriens. Doch nach Schätzungen, die auf Angaben des russischen Gaskonzerns Gazprom beruhen, strömten durch diese rund 2200 Kilometer lange Pipeline 2021 mit rund elf Milliarden Kubikmetern gerade einmal weniger als ein Drittel der maximalen Kapazität von 38 Milliarden Kubikmetern pro Jahr. Allein die seit zehn Jahren existierende Nord Stream 1-Ostsee-Pipeline zwischen Russland und Deutschland (Länge 1200 Kilometer) hat ein Volumen von 55 Milliarden Kubikmetern pro Jahr. Die jetzt von der Bundesregierung vorläufig gestoppte Nordstream 2-Leitung könnte noch einmal so viel transportieren. Selbst im schwachen Pandemiejahr 2020 bezogen europäische Länder - zusammen mit dem Nachbarn Türkei - nach Zahlen des Energiekonzerns BP rund 168 Milliarden Kubikmeter russisches Erdgas im Jahr.

Es wird nicht Jahre, sondern eher Jahrzehnte dauern, bis Russland vergleichbare Mengen nach China liefern kann, betont Experte Thomas Jäger.

"Es wurde bereits vereinbart, neue Pipelines zu bauen. Aber das ist ein Projekt, das ungefähr so einen Zeithorizont hat wie die Umstellung der deutschen Wirtschaft auf erneuerbare Energien, die - wenn es klappt - bis 2045 umgesetzt werden soll", so Jäger.

Und obwohl beide Seiten ihr Verhältnis als strategische Partnerschaft zur Neuausrichtung der internationalen Machtstrukturen (Redistribution of Power in the World) verstehen, ist sie eher eine Zweckgemeinschaft, meint Thomas Jäger im Interview mit der DW: "Das Verhältnis zwischen Russland und China bezeichnen beide Seiten als strategisch. Aber es ist alles andere als herzlich. Es ist eine Zweckgemeinschaft gegen die USA und beide Seiten versuchen in dem Verhältnis sehr kühl ihre eigenen Interessen umzusetzen."

Wladiwostok, September 2018: Die Präsidenten Xi und Putin inszenieren sich auf einem Wirtschaftsforum bei der Zubereitung eines Essens Bild: picture-alliance/dpa/S. Bobylev

Ian Bremmer, Chef der Beratungsfirma Eurasia Group, glaubt, dass Peking Moskau im Kräftemessen mit den USA durchaus als Verbündeten sieht: "Es ist wichtig, die wachsende Annäherung zwischen Russland und China zu sehen", schreibt Bremmer in einer aktuellen Einschätzung. Er glaubt, dass "im Falle einer weiteren Eskalation und amerikanisch-europäischer Sanktionen gegen Russland die chinesische Regierung wahrscheinlich eingreifen und eine stärkere wirtschaftliche und technologische Integration mit Moskau anbieten wird". Ein solcher Schritt würde "die Beziehungen zwischen den beiden wichtigsten Gegnern Amerikas dramatisch vertiefen", so Bremmer.

Was für China auf dem Spiel steht

Nach Einschätzung von DW-China-Experte Tsou Tzung Han in Taipeh wird es China allerdings nicht riskieren, dass das Verhältnis mit der EU weiter leidet und die Europäer ihre wirtschaftliche Verflechtung mit dem Reich der Mitte zurückschrauben. Am gefährlichsten wäre es für China, so Tsou Tzung Han, wenn die USA und die EU weniger Hightech-Produkte wie etwa Halbleiter-Technologie nach China liefern würden. "China könnte mit EU-Sanktionen belegt werden, wenn es Russland zu stark im Ukraine-Konflikt unterstützt."

Außerdem sei Russland als Handelspartner für Peking nicht so wichtig wie Europa: "Chinas Exporte in die EU und nach Großbritannien sind rund zehn Mal so groß wie die nach Russland", betont er. "Das alles birgt ein erhebliches Abwärtspotential für die chinesische Volkswirtschaft."

"Pekings Balanceakt wird schwieriger"

Eine Analyse der China-Denkfabrik MERICS in Berlin bringt das Dilemma Pekings in einer aktuellen Analyse auf den Punkt: "Die chinesische Regierung wird vermutlich weiter die Quadratur des Kreises versuchen, indem sie in vorsichtig formulierten diplomatischen Botschaften vermeidet, Moskau zu kritisieren und die Zustimmung zu russischen Positionen einflechtet (und im Hintergrund möglicherweise Russland dabei hilft, die Folgen der westlichen Sanktionen abzumildern)." Gleichzeitig werde sich Peking aber bemühen, die Beziehungen mit der EU und den USA nicht weiter zu beschädigen, was immer schwieriger werde, je weiter die Situation eskaliert.

"Jetzt, da der Krieg ausgebrochen ist, wird Chinas Balanceakt zwischen den für Beijing so wichtigen Beziehungen zu Moskau und der Notwendigkeit, die Beziehungen zum Westen nicht noch weiter zu belasten, noch schwieriger", unterstreicht MERICS-Analystin Helena Legarda. "Für die chinesische Führung geht es dabei nicht nur um die Zukunft der Ukraine. Es geht auch um die Frage, welche globalen Ambitionen China hat und wie es sich - jetzt und auf lange Sicht - gegenüber dem Westen und Russland positioniert", so Legarda.

Für Thomas Jäger ist klar, dass China Russland zwar als Kunden für chinesische Produkte und Lieferanten für Energie schätzt. Trotzdem bleibe die Staats- und Parteiführung in Peking gegenüber Putin auf der Hut, glaubt der Kölner Politikwissenschaftler. "Jetzt wendet sich praktisch die ganze russische Militärmacht gen Westen. Aber die Ruchlosigkeit, mit der sie hier eingesetzt wird, die wird natürlich auch in Peking registriert."

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
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