Wieder wird der Stammtorhüter des DFB-Teams vor einem WM-Turnier durch eine Verletzung ausgebremst. Reicht es für Manuel Neuer erneut? Oder steht Marc-Andre ter Stegen in Katar im Tor der deutschen Nationalmannschaft?
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Wie sich die Bilder gleichen: Eine WM steht vor der Tür und Manuel Neuer sitzt auf der Tribüne. Wie schon vor den Turnieren 2014 und 2018 wird der deutsche Nationaltorhüter auch vor den Titelkämpfen in Katar von einer Verletzung ausgebremst. Diesmal ist es wieder die Schulter, die seine Einsätze derzeit auf dem Feld verhindert.
Zugezogen hat sich Neuer die Prellung im Eckgelenk im Training vor dem Bundesligaspiel gegen Borussia Dortmund (2:2) Anfang Oktober, weshalb er schon die Partien gegen Viktoria Pilsen (4:2) in der Champions League, gegen den SC Freiburg (5:0) und bei der TSG Hoffenheim (2:0) sowie im DFB-Pokal gegen den FC Augsburg (5:2) verpasste. Auch für das Prestige-Duell in der Königsklasse an diesem Mittwoch mit dem FC Barcelona muss Julian Nagelsmann ohne seinen Kapitän planen. Neuer habe "immer noch Schmerzen", so der Bayern-Trainer am vergangenen Freitag vor dem Spiel in Hoffenheim.
Comeback für Ende Oktober erwartet
Nagelsmann jedoch fürchtet nicht um die WM-Teilnahme des fünfmaligen Welttorhüters: "Ich gehe nicht davon aus, dass die WM in Gefahr ist", er rechne Ende Oktober in Mainz wieder mit der Verfügbarkeit des 36-Jährigen. Nur nichts übereilen, scheint die Devise beim Rekordmeister. Schließlich gibt man sich dort eine Teilschuld am langen Ausfall Neuers. Der Einsatz im Spiel gegen Borussia Dortmund trotz Verletzung sei "im Nachgang zu früh" gekommen, bekennt Nagelsmann inzwischen selbstkritisch. Wobei offenbar auch der Torwart selbst unbedingt auf den Platz wollte.
Bereits vor der Weltmeisterschaft 2014 hatte sich Neuer an der rechten Schulter verletzt. Damals war es im letzten Pflichtspiel vor dem Turnier in Brasilien, dem Pokalfinale, das die Bayern in der Verlängerung mit 2:0 gegen Dortmund gewannen. Neuer hielt zwar bis zu Schlusspfiff durch, verpasste dann aber sämtliche Vorbereitungsspiele des Nationalteams. Gerade noch rechtzeitig zum ersten Gruppenspiel gegen Portugal (4:0) war er aber wieder fit und zurück. Der Ausgang ist bekannt - das DFB-Team gewann den Titel.
Geheimniskrämerei um die Schwere der Verletzung
Vier Jahre später musste er dann sogar über ein halbes Jahr pausieren. Nach einem Bruch des Mittelfußes verzögerte sich die Heilung immer wieder, Neuer hatte keinerlei Spielpraxis. Wie auch heute, drang wenig über die Schwere der Verletzung oder über die mögliche Dauer seines Ausfalls nach draußen.
Im Gegensatz zum Turnier in Brasilien, als die Ersatzleute Roman Weidenfeller und Ron-Robert Zieler keine Hochkaräter waren, scharrte in Marc-Andre ter Stegen ein anderer hochqualifizierter Schlussmann mit den Hufen. Das sorgte für heiße Diskussionen vor der WM in Russland, möglicherweise auch für Verunsicherung in der Mannschaft. Doch auch in diesem Fall schaffte es Neuer, im letzten Moment auf den Zug aufzuspringen. Wenngleich sich der Einsatz und das Risiko kaum lohnten. Deutschland flog nach der Vorrunde raus.
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Mangel an Alternativen
Diesmal rechnet DFB-Geschäftsführer Oliver Bierhoff fest mit seinem Stammtorwart: "Ich habe keine Rückmeldung, dass das eine langwierige Geschichte ist", sagte Bierhoff kürzlich in der ARD. Sollte es wider Erwarten anders kommen: Die seit Jahrzehnten verbreitete Ansicht, Deutschland habe eine nahezu unerschöpfliches Reservoir an erstklassigen Torhütern, lässt sich in Zahlen inzwischen nicht mehr belegen:
Nur acht der 18 Bundesligisten setzen derzeit auf Deutsche als Stammkräfte zwischen den Pfosten, laut transfermarkt.de gibt es unter den 30 wertvollsten Schlussleuten der Welt nur einen, der das DFB-Trikot tragen könnte - Marc-Andre ter Stegen vom FC Barcelona auf Rang acht. Und der hat mit dem Adler auf der Brust bisher eher selten wirklich glänzen können. Es bleibt also auch diesmal nur das Hoffen auf eine rechtzeitige Genesung Manuel Neuers.
Das ewige Duell ums deutsche Tor
Die Besetzung der Torhüterposition im DFB-Team ist eine heikle Angelegenheit. Nicht erst seit Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen wird um den Status der Nummer eins gestritten - gerne auch neben dem Platz.
Bild: picture-alliance/N. Schmidt
Hans Tilkowski & Wolfgang Fahrian
Ist es denn zu glauben? Vor der WM 1962 rechnet Hans Tilkowski (Foto) fest damit, beim Turnier in Chile Nummer eins im DFB-Tor zu sein, doch Sepp Herberger entscheidet sich einen Tag vor dem ersten WM-Spiel für Zweitliga-Keeper Wolfgang Fahrian. Tilkowski schäumt, will sofort abreisen und zerlegt in seinem Zimmer das Mobiliar. Er selbst behauptet, es sei nur ein Stuhl gewesen, der im Weg stand.
Bild: picture-alliance/United Archives/TopFoto
Sepp Maier & Norbert Nigbur
In den 70er Jahren ist die Position im DFB-Tor zementiert: Bayern-Keeper Sepp Maier (l.) hält konstant gut und hat mit Franz Beckenbauer einen starken Fürsprecher. Schalkes Norbert Nigbur (r.) sagt 1975 trotzdem: "Er wird mir nicht verdenken, dass ich, zumal ich bedeutend jünger bin als er, Nationaltorwart werden will." Maiers Antwort: "An mich kommt keiner heran, es gibt nur einen Sepp Maier."
Bild: picture-alliance/dpa/R. Witschel
Sepp Maier & Wolfgang Kleff
Nervöser reagiert Maier zuvor auf Gladbachs Nummer eins, Wolfgang Kleff (Foto). Als Maier in der Bundesliga gegen Schalke fünf Tore kassiert, schiebt er es darauf, dass die Presse Kleff so gelobt habe und er sich darüber Gedanken mache. Kleff kommt dennoch nur auf vier Länderspiele. Sein Lieblingswitz: "Sepp Maier hat seinen Dackel erschlagen. Warum? Weil er dauernd "Kleff! Kleff!" gemacht hat."
Bild: picture-alliance/dpa/R. Scheidemann
Harald Schumacher & Uli Stein
1986 läuft es weniger humorvoll: Teamchef Franz Beckenbauer (r.) sagt HSV-Torhüter Uli Stein (l.), er sei zwar der beste Torhüter der Welt, könne bei der WM aber dennoch nicht spielen. Stein vermutet Sponsor Adidas dahinter, der sowohl einen Vertrag mit dem DFB, als auch mit Beckenbauer und der Nummer eins, Harald Schumacher (2.v.r.), hat. Stein beschimpft Beckenbauer daraufhin als "Suppenkasper".
Bild: Imago Images/teutopress
Harald Schumacher & Uli Stein
In der Pause des ersten WM-Spiels provoziert Stein halbnackt mit einem Sonnenbad. Schumacher schreibt in seinen Memoiren: "Er schien auf den Hitzschlag zu warten. Verantwortungslos! Wer hätte für mich ins Tor gehen können?" Als Stein die Nachtruhe nicht einhält und mit Mitspielern um die Häuser zieht, reicht es dem DFB. Stein wird vorzeitig nach Hause geschickt - gegen Beckenbauers Willen.
Bild: Imago Images/F. Hartung
Eike Immel & Bodo Illgner
Nachdem auch Schumacher wegen einer Buchveröffentlichung 1987 beim DFB in Ungnade fällt, wird Eike Immel (l.) neue Nummer eins. Bei der EM 1988 kann er das Halbfinal-Aus gegen die Niederlande nicht verhindern. Als Teamchef Beckenbauer danach auch dem jungen Bodo Illgner (r.) mal eine Chance gibt, tritt Immel beleidigt aus dem DFB-Team zurück. Illgner ist nun Nummer eins und wird 1990 Weltmeister.
Bild: picture-alliance/dpa/A. Scheidemann
Oliver Kahn & Andreas Köpke
"Berti Vogts weiß genau, dass ich nicht zur ewigen Nummer zwei tauge. Bei der WM 1998 will ich spielen", so lautet die Ansage des damals schon 29-Jährigen Oliver Kahn (l.), der sein Reservisten-Dasein satt hat. Aber Vogts setzt weiter auf Andreas Köpke (r.). Erst nach der WM wird Kahn zur deutschen Nummer eins und bleibt es für die nächsten acht Jahre. Ab Januar 2002 ist er sogar Kapitän.
Bild: picture-alliance/dpa/O. Berg
Oliver Kahn & Jens Lehmann
Ausgerechnet bei der Heim-WM 2006, bei der Kahn (l.) sich zum Weltmeister krönen will, setzt Jürgen Klinsmann dem "Titanen" Konkurrent Jens Lehmann (r.) vor die Nase. Kahn ist zwar sauer, zeigt aber Größe, als er dem Widersacher vor dem Elfmeterschießen im Viertelfinale gegen Argentinien Glück wünscht. Später - die DFB-Elf wird Dritter - meckert Kahn: "Mit mir wären wir Weltmeister geworden."
Bild: picture-alliance/dpa/WDR
Manuel Neuer & Marc-André ter Stegen
Zuletzt kriselt es zwischen Manuel Neuer (l.) und Marc-André ter Stegen (r.). Ter Stegen beklagt sich nach der Länderspielpause im September öffentlich über seine Rolle als Nummer zwei. In den beiden Partien gegen die Niederlande und Nordirland auf der Bank zu sitzen, sei "ein harter Schlag" gewesen. Eine Aussage, die jede Menge - teils heftige - Reaktionen hervorruft.
Bild: picture-alliance/N. Schmidt
Manuel Neuer & Marc-André ter Stegen
Bayern-Präsident Uli Hoeneß springt seinem Torwart bei und teilt kräftig aus: Er erwarte vom DFB, "dass man den Herrn ter Stegen schon mal in die Ecke stellt und ihm klar sagt, dass es so nicht geht", mault Hoeneß und droht Konsequenzen an, sollte es einen Wechsel im DFB-Tor geben. "Bevor das stattfindet, werden wir keine Nationalspieler mehr abstellen." Später relativiert er diese Aussage.
Bild: picture-alliance/dpa/P. Kneffel
Manuel Neuer & Marc-André ter Stegen
Bundestrainer Joachim Löw sagt zum Hoeneß-Ausbruch nur, dass er sich davon nicht beeinflussen lasse. Gegen Argentinien steht ter Stegen im Tor, aber es sei klar, "dass Manuel Neuer mit Blick auf die EM unser Kapitän und somit auch unsere Nummer eins ist - wenn nichts Außergewöhnliches passiert". Auch ter Stegen gibt sich zahm und verspricht: "Wir werden uns unterstützen." Fortsetzung folgt..!?