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Wirecard überholt Deutsche Bank

Mischa Ehrhardt Frankfurt
15. August 2018

So unscheinbar die Dienste, so wertvoll das Unternehmen: Wirecard ist an der Börse erstmals mehr wert als die Deutsche Bank. Ein Zeichen für das Ende der klassischen Geldhäuser?

Zentrale der Wirecard AG
Bild: Imago/argum

Wer aus der Ecke Glücksspiel und Pornografie stammt, muss Einiges tun, um das Vertrauen von Anlegern an der Börse zu gewinnen. Damit hat Wirecard Erfahrung - und die ist positiv. Denn am Dienstag ist der Abwickler von Zahlungsdienstleistungen erstmals an der Deutschen Bank vorbei gezogen: Börsenwert: 21,3 Milliarden Euro - rund 300 Millionen mehr als die Deutsche Bank zu gleicher Stunde.

Die Idee für das Unternehmen wurde geboren in einer Zeit, in der quasi alles, was auch nur entfernt mit dem Internet zu tun hatte, reißenden Absatz an den Börsen fand. Der Hype um diese Tec-Blase zerplatzte allerdings im Jahr 2000 und machte viele ernüchterte Anleger ärmer. Und er stutzte die Träume vieler vermeintlicher Pioniere auf reale Dimensionen zurück.

Wirecard gehört als eines von wenigen Unternehmen zu den Überbleibseln dieser Zeit. 1999 gegründet, ging man 2000 an die Börse. Die Idee: Zahlungen über das Internet abzuwickeln. Die Idee kam gut an bei Online-Kollegen, die virtuelle Casinos für Glücksspiele aufbauten oder Pornografie anboten. Auch heute gibt es noch Kunden in diesem Bereich, allerdings ist ihr Anteil mittlerweile gering.

Ein Näschen für den Trend

Nach rasantem Wachstum vor allem in den vergangenen Jahren hat sich das Unternehmen zu einem etablierten Zahlungsabwickler gemausert: Von Überweisungen, dem Bereitstellen von Konten und deren Online-Services, bis hin zu mobilem Bezahlen über Apps via Smartphones: Wirecard bietet moderne Technologie - und das haben auch Anleger an der Börse gemerkt. Zwar regeln die Menschen weltweit nach wie vor rund 80 Prozent ihrer Einkäufe und Geschäfte mit Bargeld. Das dürfte sich aber ändern. In Asien ist es bereits jetzt für viele Menschen gängig, mit dem Smartphone zu bezahlen. In Deutschland wird das auch vermehrt kommen. Und die Erwartung treibt den Kurs.

Seit Jahresbeginn ist der Kurs der Aktien von Wirecard um über 80 Prozent geklettert. In dieser Zeit hat der Dax ein paar Prozentpunkte verloren und die Deutsche Bank ein Drittel ihres Börsenwertes eingebüßt. Und das ist nur die jüngste Börsenrallye von Wirecard. In den vergangenen fünf Jahren nämlich hat sich der Aktienkurs fast verachtfacht. Und das liegt auch daran, dass der - bereits seit 2002 - amtierende Unternehmenschef Markus Braun in manchen Dingen den richtigen Riecher bewiesen hat. 2007 gründete er eine Asien-Tochter, die heute die Hälfte des Konzerngeschäftes beisteuert. 2015 startete Wirecard die Smartphone Bezahllösung namens 'Boon". Und der Konzern kooperiert, ebenfalls seit 2015, mit dem chinesischen Bezahlgiganten Alipay, seit 2017 auch mit dessen größten Konkurrenten WeChat.

Die unbekannte Größe

Währenddessen beschäftigten sich die beiden klassischen großen deutschen Privatbanken Deutsche und Commerzbank überwiegend mit ihrer Vergangenheit und der Bewältigung hausgemachter Probleme. Der jüngste Kursverfall bei den klassischen Bankaktien allerdings geht dieses Mal nicht aufs eigene Konto: Grund ist der Kursverfall der türkischen Lira.

Durch den Verfall der Währung am Bosporus sorgten sich Anleger an den Börsen in den vergangenen Tagen, dass europäische Banken in den Sog des Strudels rund um den Verfall der Lira kommen könnten. Wirecard ist währenddessen in Sachen Börsenwert an der Deutschen Bank vorbeigeschlichen. Und der nächste Coup könnte schon bald folgen: Wenn nämlich die Deutsche Börse im September daran gehen wird, die Zusammensetzung ihrer Indizes zu prüfen, dürfte Wirecard aus seiner Nische heraus ins Rampenlicht rücken: Ein Aufstieg in den Dax ist möglich.

Dass Wirecard bis dato vergleichsweise unbekannt ist, liegt daran, dass das Unternehmen seine Online-Bezahlungen im Hintergrund anbietet. TUI zählt beispielsweise zu den Kunden, oder die Mobilfunkgesellschaft O2. Anders als der Name suggeriert, gibt es auch keine Wirecard, wie es eine Visacard oder Mastercard gibt.

Tschüss Commerzbank?

Noch ist das Rennen zwischen den Platzhirschen der Bankenbranche und Wirecard aber lange nicht entschieden. Denn augenscheinlich handelt es sich um einen Kampf zwischen David und Goliath: Der Umsatz von Wirecard lag im vergangenen Jahr bei 1,5 Milliarden Euro, der der Deutschen Bank bei 26 Milliarden Euro. Die Bilanzsumme des Konzerns mit Sitz in Aschheim bei München ist ein Klacks gegenüber einer Deutschen Bank: Rund fünf gegen 1500 Milliarden. Und die Mitarbeiterzahl schafft auch den Eindruck glasklarer Verhältnisse: Knapp 5000 gegenüber künftig rund 90.000 bei der Deutschen Bank.

An der Börse allerdings geht es neben diesen Zahlen eben auch um Erwartungen und Aussichten. Und da liegt Wirecard in der Gunst der Anleger offenbar vorn. Das wird möglicherweise bald für jeden sichtbar, sollte das Unternehmen wirklich in den Dax aufsteigen. Einer müsste dann den Platz dort räumen, ein Sinnbild: Es könnte die Commerzbank sein.

Made in Germany - Bargeld oder Bargeldlos?

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