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Wirtschaft läuft Sturm gegen Groko-Pläne

9. April 2019

Nicht nur die Industriestrategie von Wirtschaftsminister Altmaier steht in der Kritik. Wirtschaftsverbände gehen auch gegen den Aktionsplan der Bundesregierung für Wirtschaft und Menschenrechte auf die Barrikaden.

Deutschland BDA Deutscher Arbeitgebertag in Berlin
Bild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Der Großen Koalition bläst kräftiger Gegenwind aus der Wirtschaft entgegen. Mit der Fokussierung auf Großkonzerne, die er zu europäischen Champions machen will, hat Wirtschaftsminister Peter Altmaier den deutschen Mittelstand gegen sich aufgebracht. Aber auch die Ideen aus Entwicklungshilfeministerium und Auswärtigem Amt lösen Kopfschütteln bei manchen Spitzenvertretern der deutschen Wirtschaft aus. Für Ingo Kramer (Artikelbild) sind die Vorgaben aus der Politik einfach nur "absurd" und schlichtweg "Unsinn", von dem die Bundesregierung hoffentlich absehen werde. Der Chef der Arbeitgeberverbände (BDA) hatte sich zum Wochenauftakt regelrecht in Rage geredet über den Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) der Großen Koalition. Besonders für den deutschen Mittelstand sieht Kramer große Schwierigkeiten, bis ins letzte Glied ihrer globalisierten Zulieferketten die Einhaltung von sozialen Standards zu garantieren.

2016 auf den Weg gebracht

Unverhofft kommt der jetzt so kritisierte Aktionsplan allerdings nicht. Die Große Koalition hatte ihn bereits 2016 beschlossen und dann 2018 bei der Neuauflage des Regierungsbündnisses aus Union und SPD in den Koalitionsvertrag geschrieben. Der Aktionsplan fordert von Unternehmen eine "menschenrechtliche Sorgfaltspflicht" in ihren internationalen Lieferketten. Zuerst auf freiwilliger Basis. Sollten aber bis 2020 nicht mindestens die Hälfte der deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten freiwillig auf die Einhaltung von Menschenrechten achten, will die schwarz-rote Bundesregierung die Daumenschrauben ansetzen. Dann soll ein Gesetz die Wirtschaft zur Umsetzung zwingen.

Abgeleitet sind die Kernforderungen des NAP von den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die 2011 vom Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf verabschiedet wurden - dem Gremium, das die USA vor knapp einem Jahr verlassen hatten, aus Protest gegen Staaten, die zwar Im Menschrechtsrat sitzen, aber selbst die Menschenrechte mit Füßen treten. Länder wie Saudi-Arabien, Katar oder Bahrain sorgen regelmäßig für Negativ-Schlagzeilen - etwa, wenn es um die Behandlung ausländischer Arbeitskräfte auf den Baustellen der Golf-Monarchien geht. Sie hatten sich außerdem bei der US-Regierung unter Präsident Donald Trump unbeliebt gemacht, weil sie regelmäßig Israel Menschrechtsverletzungen im UN- Menschenrechtsrat vorgeworfen hatten.

Entwicklungsminister Müller im Oktober 2014 bei Textilarbeiterinnen in Bangladesch, Beim Einsturz des Fabrikgebäudes Rana Plaza im April 2013 waren dort 1136 Menschen getötet worden, die für westliche Modefirmen gearbeitet hattenBild: DW/S. Burman

Ungewöhliche Allianz – beraten von Ernst & Young

Bei den Befürwortern des NAP hat sich in Deutschland eine breite Allianz gebildet: Entwicklungsminister Gerd Müller von der CSU unterstützt den Aktionsplan mit seinen sozialdemokratischen Ministerkollegen Hubertus Heil und Heiko Maas. Dazu kommen kirchliche Organisationen wie Brot für die Welt und Misereor oder die Nichtregierungsorganisationen Südwind und Germanwatch.

Der Entwicklungsminister hatte nach den Verbalattacken von Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer die Regierungspläne am Dienstag noch einmal verteidigt. "Ausbeuterische Kinderarbeit bei der Erzeugung von Produkten für Deutschland, egal ob Kleidung, Kaffee oder Bananen, ist nicht akzeptabel", sagte der CSU-Politiker der "Augsburger Allgemeinen". "Das sollte auch in der Unternehmerschaft Konsens sein, hier gibt es keine Ausreden", so Müller.

Den NGOs gehen die Pläne der Bundesregierung nicht weit genug. Sie kritisieren, dass die Bundesregierung bis 2020 die Einhaltung ihres Aktionsplans nur durch die Befragung von Unternehmen überprüfen will - die Teilnahme ist freiwillig. Der grüne Bundestagsabgeordnete Uwe Kekeritz befürchtete gegenüber der Tageszeitung 'taz', dass "nur die Firmen antworten, die keinen Dreck am Stecken haben".

Freiwillig - und trotzdem repräsentativ?

In wenigen Wochen soll die Befragung von knapp 2000 Firmen starten, die aus insgesamt mehr als 7000 größeren deutschen Unternehmen ausgelost werden. Das Auswärtige Amt, das die Federführung hat, heuerte dafür die Beratungsfirma Ernst & Young (EY) an. Doch wie viele an der Umfrage beteiligte Unternehmen sollen dann für ein aussagekräftiges Ergebnis sorgen?

Michaela Spaeth, der Beauftragten für Wirtschaft und Menschenrechte im Auswärtigen Amt, eine ehemalige enge Mitarbeiterin des grünen Urgesteins Tom Koenigs, bleibt nichts anderes übrig, als an die Unternehmen zu appellieren, an der Befragung teilzunehmen. Insgesamt geht man dort und bei EY offenbar von der eher bescheidenen Teilnahme von etwa 400 Firmen aus.

 

Thomas Kohlmann Redakteur mit Blick auf globale Finanzmärkte, Welthandel und aufstrebende Volkswirtschaften.
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