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Gelassene Wirtschaft

Rolf Wenkel23. September 2013

Die meisten Ökonomen haben den Ausgang der Bundestagswahl schnell abgehakt. Sie wünschen sich, dass eine neue Regierung schnell zur Tagesordnung übergeht. Denn Reformbedarf gibt es genug.

Angela Merkel mit BDI-Chef Ulrich Grillo (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: JOHANNES EISELE/AFP/Getty Images

Die Finanzmärkte reagierten kaum auf die sich abzeichnende Fortsetzung der Kanzlerschaft Angela Merkels (CDU). Sowohl die Börse als auch der Euro traten am Montag (23.09.2013) praktisch auf der Stelle. Das Resultat sei an den Märkten "eingepreist" gewesen - also schon vorausgesehen worden, sagen Ökonomen. Belasten könnten allenfalls zähe Koalitionsverhandlungen. Bedauern gab es bei der Wirtschaft über das Abschneiden der FDP.

Viele Vertreter aus der Wirtschaft hätten sich einen Verbleib der FDP im Deutschen Bundestag und eine Fortführung der schwarz-gelben Koalition gewünscht. Nun aber fehlt aus ihrer Sicht nicht nur eine Partei, die schon immer der Wirtschaft sehr nahe gestanden hat, sondern auch ein wichtiges Korrektiv - zum Beispiel in der Steuerpolitik. So ist das Thema Finanztransaktionssteuer in fast allen Parteien salonfähig geworden, während die Freien Demokraten bis zuletzt zu den Gegnern dieser Abgabe zählten.

Ohne FDP: Was will die Wirtschaft von der neuen Regierung?

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Korrektiv vermisst

Doch genau diese Korrektivfunktion hat Joachim Scheide, Konjunkturchef beim Kieler Institut für Weltwirtschaft, zuletzt bei der FDP vermisst: "Sie war in der Vergangenheit nicht mehr das, was sie sein sollte", so Scheide zur DW, "nämlich das marktwirtschaftliche Korrektiv in der Regierung. Und dafür wurde sie von den Wählern abgestraft."

Mit den jetzt im neuen Bundestag vertretenen Parteien ist auch die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes wahrscheinlicher geworden - ein aus Sicht der Wirtschaft eher ungeliebtes Thema, bei dem die FDP künftig nicht mehr mitreden kann. Für Ulrich Grillo (Artikelbild links), den Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), ist zuletzt ohnehin zu viel über Umverteilung geredet worden: "Wir haben in den letzten Monaten im Wahlkampf zu wenig über eine zielführende Wirtschafts- und Industriepolitik gesprochen", sagte Grillo im Ersten Deutschen Fernsehen.

Kontinuität gibt Planungssicherheit

Themen gebe es genug, so Grillo weiter: Energiewende, Steuern, Investitionen. Der BDI spreche für "mindestens acht Millionen Beschäftigte. Und die wollen Wachstum sehen, die wollen mehr Beschäftigung sehen." Wenn diese Themen erfolgreich angegangen würden, "dann können wir auch mehr verteilen."

Ansonsten aber sind die meisten Vertreter der Wirtschaft erst einmal froh, dass ein mögliches Wahlchaos mit unklaren Verhältnissen ausgeblieben ist. Im Gegenteil: Mit dem deutlichen Sieg der Unionsparteien CDU und CSU ist aus Sicht der Wirtschaft - unabhängig davon, welche Koalitionen sich bilden werden - ein Stück Kontinuität und damit auch Planungssicherheit erhalten worden. Und egal wie die neue Regierungskoalition aussehen wird - einig sind sich die meisten Wirtschaftsvertreter darüber, dass zwar mehr in Bildung und Infrastruktur investiert werden sollte, zur Finanzierung aber bitteschön keine Steuern erhöht werden sollten.

Weitere Reformen angemahnt

Der Kieler Konjunkturchef Joachim Scheide wünscht sich zudem weitere Reformen in der Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik. Davon aber sei in den Wahlprogrammen der jetzt gewählten Parteien wenig zu lesen gewesen, sagt Scheide. "Insofern kann man nur hoffen, dass es nicht schlimmer wird." Lieber einen Reformstillstand als Reformen, die in die falsche Richtung gehen, sagt Scheide. "Es wäre eigentlich sehr viel mehr nötig, denn mittelfristig geht es uns in Deutschland gar nicht so gut, auch wenn es im Moment ganz anders scheint."

Wünscht sich mehr Reformen: Joachim ScheideBild: privat

Erleichterung herrscht in Wirtschaftskreisen indes darüber, dass es die Alternative für Deutschland (AfD) - trotz ihres für eine Debütantin sehr beachtlichen Wahlergebnisses - nicht in den Deutschen Bundestag geschafft hat. Schon vor der Wahl hatten viele Wirtschaftsvertreter von allen Parteien ein klares Bekenntnis zum Euro verlangt - ein Einzug der Euro-Gegner in das deutsche Parlament hätte vermutlich besonders in den südlichen Ländern der Eurozone Skepsis und Unruhe an den Finanzmärkten ausgelöst.

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