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Wirtschaftskrise

Das Interview führte Günther Birkenstock9. Oktober 2008

Lässt sich die Weltwirtschaftskrise mit der Krise der 1930-Jahre vergleichen? DW-WORLD.DE sprach darüber mit dem Wirtschaftshistoriker Werner Abelshauser.

Prof. Werner Abelshauser, Foto: Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
Prof. Werner AbelshauserBild: WZB

DW-WORLD.DE: Die Wirtschaftskrise nach dem US-amerikanischen Börsencrash von 1929 ist die bekannteste und spektakulärste der Geschichte. Ist die heutige Finanzkrise mit ihr vergleichbar?

Werner Abelshauser: Nicht in allem, aber im Kern ist sie durchaus vergleichbar. Es fehlt an Vertrauen, der Staat muss schließlich einspringen, um wenigstens Reste des Vertrauens zu sichern und es allmählich wieder aufzubauen.

Wenn man Bilder aus der damaligen Zeit sieht und Berichte liest, dann hat man endlose Schlangen von Arbeitslosen vor Augen und hungernde Menschen. Haben wir das auch zu befürchten?

Das glaube ich nicht. Der Unterschied zu den frühen 1930er Jahren ist ja, dass der Crash und die Bankenkrise ein Ergebnis realwirtschaftlicher Probleme waren. Es hat sozusagen in der Realwirtschaft angefangen und hat dann die Banken in die Knie gezwungen, weil die Banken Anlagen aus der Industrie in ihrem Portfolio hatten und dann ihr Kapital verloren haben. Das ist heute ganz anders. Ob das nun zu einer Rezession oder gar zu einer Depression führt, kann heute niemand wissen. Ich kann nur sagen: Wir in Deutschland sind relativ gut aufgestellt, wenngleich wir natürlich leiden werden, wenn die Weltwirtschaft schrumpft. Wenn es zur Flucht aus der Weltwirtschaft kommt, dann wäre es natürlich für die Deutschen eine Katastrophe.

Hat man aus den bisherigen Wirtschaftskrisen nichts gelernt?

Doch, wenn sie daran denken, dass am Mittwoch (08.10.08) die Notenbanken der Triade - also Amerika, Europa, Asien - gemeinsam gehandelt und die Zinsen gesenkt haben, das ist eine Lehre aus der Krise der 1930er Jahre. Damals hat man gegeneinander gearbeitet, aus politischen Gründen vor allem. Und das ist jetzt ganz anders. Als ich die Nachrichten hörte, war mir klar: Die Bankenkrise dürfte über kurz oder lang im Griff sein. Denn die sind offensichtlich fest entschlossen, die Krise nicht zur Katastrophe werden zu lassen. Vielmehr befürchte ich, dass jetzt im amerikanischen Wahlkampf sozusagen der Schutz des amerikanischen Arbeiters vor der Überflutung mit chinesischen Billigprodukten dazu führt, dass die Amerikaner immer stärker protektionistisch handeln und auch die EU möglicherweise der Versuchung erliegen könnte, sich in ihren eigenen Binnenmarkt, der ja gut genug ist, zurückzuziehen. Das wäre ein Problem. Und das wäre für Deutschland deswegen schwierig, weil wir zwar unseren Schwerpunkt in Europa haben - von daher würde es uns nicht existentiell treffen - aber natürlich ist die weltweite Verflechtung in Deutschland besonders groß.

Was hat sich denn mit Blick auf die heutige Finanzkrise geändert? Ist der Finanzmarkt zu global geworden?

Das würde ich nicht sagen. Das Problem sind die Regeln des Finanzmarktes. Wenn es in Europa oder in Deutschland nach den Regeln des rheinischen Kapitalismus ginge, also sozusagen langfristige Finanzperspektiven da wären und überschaubare Verhältnisse, wie es bis vor wenigen Jahren noch war, dann wäre die amerikanische Hypothekenkrise an uns vorbei gezogen. Nein, das Problem ist, dass unsere Institute völlig unkontrolliert amerikanische Regeln übernommen haben. Diese Mentalität, 25 Plus bei der Rendite, und dann ein immer noch größeres Rad zu drehen, immer kurzfristiger zu agieren: Das ist das Gift, das in unser Bankensystem eingeträufelt wurde und da müssen wir ganz klar einen Trennungsstrich ziehen. Und das muss die Regierung machen.

Prof. Werner Abelshauser lehrt an der Universität Bielefeld Wirtschaftsgeschichte. Sein Buch "Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945" gilt als Standardwerk.

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