Wirtschaftskrise in Lettland
11. Oktober 2008Salins ist Anfang 30, liebt wertvolle Uhren und Designerkleidung. Sein Projekt am Stadtrand von Riga liegt erst einmal auf Eis. Niemand wolle diese Wohnungen kaufen, sagt Salins. Jedenfalls nicht zu dem Preis, den er verlange. "Und wenn wir nicht verkaufen können, bekommen wir auch kein Geld mehr von der Bank, um weiterzubauen. Wir müssen unsere Projekte einfrieren, sonst werden wir nicht überleben."
Victors Salins ist nicht der Einzige in einer solchen Situation. Überall in Lettland zeugen stillgelegte Baustellen vom einstigen Immobilienboom, der nun ins Stocken geriet. Wolkenkratzer enden im fünften Stockwerk, kleine Schwarzwaldhäuschen bleiben ohne Dachstuhl. Der Bauboom begann vor rund vier Jahren mit Lettlands Beitritt zur Europäischen Union.
Viele Letten haben von der eigenen Wohnung geträumt
Über Bankfilialen aus dem Westen floss viel Geld ins Baltikum. Zum ersten Mal konnten die Menschen in der ehemaligen Sowjetrepublik billige Kredite aufnehmen. Viele hätten früher mit ihren Familien über Generationen in winzigen Plattenbauwohnungen gehaust und lange von der eigenen Wohnung oder dem eigenen Haus geträumt, erklärt Teodors Tverijons vom lettischen Bankenverband. Heute stoppe auch die amerikanische Finanzkrise den Geldfluss.
"Die Geldquellen unserer Banken liegen im Westen, bei den Mutterhäusern. Weil die viel Geld verloren haben, bekommen unsere Bankfilialen nicht mehr genügend Geld, um die Immobilien-Kredite zu stützen", sagt Tverijons. Das betreffe die alten Kredite, die sie bereits vergeben haben und auch die neuen Kredite. Die würden dadurch teurer.
17 Prozent Preissteigerung
Die hohe Kreditvergabe der vergangenen Jahre und steigende Energiekosten führten in Lettland bereits zu einer Preissteigerung von 17 Prozent. Vielen privaten Hausbauern reicht ihr Geld kaum zum Leben und sie können ihre Bankschulden nicht mehr zurückzahlen.
Der lettische Ministerpräsident Ivars Godmanis tritt im Moment täglich vor die Presse, um die Menschen zu beruhigen. Die Gewerkschaften fordern vom Staat Lohnerhöhungen, aber Godmanis will seinen Haushalt nicht belasten. Er wolle ein Haushaltsdefizit von 1,85 Prozent erreichen, sagt der Politiker. Deshalb müsse er die Gehälter im öffentlichen Dienst einfrieren. "Wir sind nicht alleine. Die Esten haben es gemacht, die Litauer werden es tun. Wir können uns Gehaltserhöhungen unter solchen Umständen unmöglich erlauben."
Hoffnung in der lettischen Bevölkerung
Obwohl die Gewerkschaften weiter protestieren und mit Streiks drohen, sind die Betroffenen selbst eher gelassen. "Ich arbeite im Staatsorchester, habe Mann und Kinder. Lohnverzicht macht mich sehr nervös, aber ich hoffe, dass wir es schaffen", sagt eine Lettin. "Seit unserem Austritt aus der Sowjetunion haben wir schon so viele Krisen überlebt. Wir werden daraus lernen", ist sich ein anderer sicher.
Immobilienhändler Savins hofft, dass sich die Krise bald wieder legen wird. Denn er kann maximal bis zum nächsten Frühjahr durchhalten. "Ich hoffe, dass entweder die Preise für unsere Wohnungen wieder steigen oder die Baukosten fallen werden. Das Wichtigste aber ist, dass die Leute jetzt Ruhe bewahren und keine Panik schieben", sagt er. Dann werde sich der Markt auch wieder beruhigen und die Geschäft würden wieder laufen.