1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Gabriel zeigt sich optimistisch in Athen

Jens Thurau, z.Z. Athen 30. Juni 2016

Wird schon werden hier in Griechenland, die EU hat gerade ganz andere Sorgen: Das ist die Botschaft des Bundeswirtschaftsministers bei seinem Athen-Besuch sechs Tage nach dem Brexit-Referendum. Jens Thurau aus Athen.

Griechische und EU-Flagge vor dem EU-Parlament (Foto: epa)
Bild: picture-alliance/dpa/S. Pantzartzi

Griechenland mit Reformen auf Kurs

01:46

This browser does not support the video element.

"Haben sie mit Herrn Tsipras über den Brexit und die Folgen für Griechenland gesprochen?", so lautet die Frage deutscher Journalisten an den Bundeswirtschaftsminister. Sigmar Gabriel steht auf der Straße im brütend heißen Athen, und seine Antwort lautet: "Ja, am Rande, aber bestimmend war das Thema hier nicht." Aus seiner Umgebung ist zu hören, dass der Austritt der Briten aus der EU eher beim Gespräch mit Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos zu Beginn der Reise im Mittelpunkt stand. Aber mit dem griechischen Premier Alexis Tsipras, das macht Gabriel deutlich, gab es Besseres zu bereden: Denn Gabriel findet, dass die Griechen ihre schwere Wirtschaftskrise so langsam in den Griff kriegen.

"Jetzt über Investitionen reden"

"Die Zeiten, als wir nur über Fiskalpolitik sprechen konnten, sind vorbei. Jetzt reden wir über Investitionen", ruft Gabriel den Journalisten zu. Und deshalb hat er 40 deutsche Unternehmer mitgebracht nach Athen, die mögliche lukrative Geschäfte nicht anderen überlassen sollten, etwa chinesischen oder russischen Investoren. Vor allem im Bereich der erneuerbaren Energien sieht Gabriel Potenzial, Solarworld-Chef Frank Asbeck ist deshalb in Griechenland dabei. Auch der Flughafenbetreiber Fraport will mehr als zehn griechische Regionalflughäfen übernehmen. Und das alles findet, so Gabriel, in einem neuen Geist statt. Vorbei die Zeiten, als deutsche Politiker, allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble, in Athen fast als unerwünschte Personen galten. Vor einem Jahr hat Tsipras sein Referendum gegen die Spar- und Reformpolitik der EU gewonnen - und regiert seitdem relativ unangefochten weiter, erstaunlich stabil mit seinem umstrittenen rechtspopulistischen Partner, der Anel-Partei. Tsipras' eigene Partei Syriza wird immer pragmatischer und bewegt sich langsam Richtung politischer Mitte. Gerade ist die erste Rate aus dem dritten Hilfsprogramm der internationalen Geldgeber bewilligt worden, über sieben Milliarden Euro verschaffen Luft zum Atmen.

Bundeswirtschaftsminister Gabriel findet, dass die Griechen ihre Krise langsam in den Griff bekommenBild: picture alliance/dpa/M. Scholz

Nach dem Brexit der Grexit? "Ist längst vom Tisch"

Die EU verlassen wollte Athen nie, und jetzt schon gar nicht mehr: "Das mit dem Brexit finde ich sehr traurig. Ich habe zehn Jahre in England gelebt und leide mit. Und hier bei uns ist die Idee eines Grexit doch längst vom Tisch, bei allen Gesprächen", beeilt sich Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis zu sagen, den Gabriel am Nachmittag trifft.

Aber die Lage ist dann doch anders nach dem Brexit: Nun dürfe den Griechen nicht noch mehr Spardruck gemacht werden, so Gabriel, die EU müsse sozialer werden. "Gegen die griechischen Reformen, vor allem die dieser Regierung, war unsere Agenda 2010 in Deutschland doch ein laues Lüftchen", lobt Gabriel seine Gesprächspartner. Er kann sichtbar gut mit den griechischen Kollegen. Auch weil er weiß, wie viel es wert sein kann, wenn sich seine SPD und die Syriza annähern. Schon nimmt die einst linksradikale Partei, deren Schwesterpartei in Deutschland eigentlich die Linke ist, an sozialdemokratischen Treffen auf europäischer Ebene teil - als Gast. Perspektivisch will der deutsche Minister, der auch SPD-Chef ist, die Zusammenarbeit noch weiter verbessern. Und Stathakis freut sich, als Gabriel verkündet, dass deutsch-griechische Kooperationen künftig aus einem deutschen 600-Millionen-Euro-Programm für kleine-und mittelständische Unternehmen Förderungen bekommen können. "Daran dürfen bislang nur Firmen aus Polen und Israel beteiligt werden", macht Gabriel das seinen griechischen Partnern schmackhaft.

Die Wirtschaftslage bleibt bedrückend

Alles gut also? Natürlich nicht. 50 Prozent der Jugendlichen sind arbeitslos, 26 Prozent beträgt die allgemeine Beschäftigungslosigkeit in Griechenland. "Das ist natürlich bedrückend", gibt der Gast aus Deutschland zu. Nach einem leichten Wachstum im letzten Jahr ist Griechenlands Wirtschaft in den ersten Monaten 2016 wieder leicht geschrumpft. Die Regierung will jetzt die Renten reformieren, aber solche Strukturänderungen sind schon viele angekündigt worden in Athen, eine Skepsis bleibt. Doch Gabriel ist einfach froh, dass Griechenland quasi parallel zu den Briten nicht mehr ganz die Baustelle von früher ist. Keine weitere Revolution im Süden, könnte man auch sagen. Auch für kleine Lichtblicke sind sie in der EU mittlerweile äußerst dankbar.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen