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Politik

Politologe: Staaten stärken, um Konflikte zu verhindern

Gwendolin Hilse
28. August 2017

Laut einer Studie sind religiöse Konflikte in Subsahara-Afrika auf dem Vormarsch. Politologe Matthias Basedau nennt im DW-Interview schwache Staaten als eine der Hauptursachen. Internationale Kooperation könnte helfen.

Zentralafrikanische Republik Koui Rebell mit Waffen
Bild: Reuters/B. Ratner

DW: Religiöse Konflikte in Sub-Sahara Afrika sind seit einigen Jahrzehnten wieder auf dem Vormarsch. Sie haben eine Studie zum Thema verfasst, und sagen, dass acht von zehn aktiven bewaffneten Konflikten eine religiöse Dimension haben. Wieso sind Länder in Sub-Sahara Afrika so anfällig geworden für diese Art von Konflikt?

Matthias Basedau: Konflikte, die eine religiöse Dimension haben, werden weltweit häufiger, und Subsahara-Afrika ist da keine Ausnahme. Die Region ist grundsätzlich anfällig für Konflikte, weil die Staaten in Subsahara-Afrika oft schwach sind. Es hat auch damit zu tun, dass religiöse Konflikte aus Nordafrika und dem Nahen Osten überschwappen, entweder direkt aus Libyen oder Algerien oder indirekt über die Vermittlung von radikaleren Versionen des Islam. Das Religiöse ist aber nur eine Dimension dieser Konflikte - es können gleichzeitig ethnische Konflikte sein, Konflikte um die Macht oder Ressourcen. Einen rein religiösen Konflikt gibt es nicht.

In Ihrer Studie schreiben sie, dass Länder mit einer heterogenen Bevölkerung und Religionsgemeinschaften besonders anfällig für religiöse Konflikte sind. Nun ist aber Somalia, eines der Hauptkonfliktländer, religiös eines der religiös homogensten Länder Afrikas. Auch in Nigeria greifen die Islamisten von Boko Haram immer wieder Muslime an. Wie ist dieses Phänomen zu erklären?

Grundsätzlich muss man zwei Typen von religiösen Konflikten unterscheiden. In inter-religiösen Konflikten unterscheiden sich die Konfliktparteien durch ihre religiöse Zugehörigkeit, zum Beispiel Christen und Muslime. Das kann mit ethnischen Identitäten überlappen, und es ist klar, dass heterogene Gesellschaften anfälliger dafür sind, dass sich Konflikte entlang dieser Linien entwickeln. Davon zu unterscheiden sind die theologischen Konflikte. Da geht es um religiöse Ideen. Solche Konflikte können auch in mehrheitlich muslimischen Gesellschaften entstehen, wie in Mali, Somalia oder Nordnigeria. Aber wir kennen auch Beispiele von christlichen Rebellengruppen in Subsahara-Afrika, die theologische Forderungen haben. Die Konfliktparteien unterscheiden sich in in der Frage, welche Rolle die Religion im Staat spielen soll. So fordern radikal-muslimische Gruppen zum Beispiel die Einführung der Scharia. Ein schwacher Staat ermöglicht es solchen Gruppen überhaupt erst, aktiv zu sein. Und die radikale Ideologie wird für die Menschen attraktiver, wenn der Staat nicht liefert, es keine öffentlichen Dienstleistungen gibt und die Politiker korrupt sind. Aber natürlich sind nicht alle Muslime in diesen Ländern radikale Islamisten.

Islamistische Extremisten wie diese Al-Shabaab-Kämpfer in Somalia kooperieren oft über Landesgrenzen hinwegBild: Getty Images/AFP/M. Abdiwahab

Wieso haben Unterstützer aus Nordafrika und dem Nahen Osten ein Interesse daran diese Konflikte zu schüren?

Es gibt einen direkteren Einfluss durch radikale Gruppen, die etwa in Nordafrika aktiv sind, wie die Al-Kaida des Islamischen Maghreb oder Ableger des Islamischen Staates. Die haben ein Interesse, Ableger in anderen Ländern zu schaffen, sie haben Rebellen in Mali unterstützt, und es gibt Hinweise, dass sie es auch in Nigeria oder Somalia tun. Andere nahöstliche Staaten nehmen eher indirekt Einfluss. Da geht es um die Verbreitung einer radikalen Version des Islam. Wir haben in Subsahara-Afrika traditionell einen eher moderaten Islam, zum Beispiel die gemäßigten Sufi-Bruderschaften. Länder wie Saudi-Arabien oder Katar verbreiten den Wahabismus oder ähnliche Varianten, die indirekt dazu führen können, dass sich eine radikale Ideologie festsetzt, die zu Gewalt führt. Aber es ist nicht völlig klar, wie diese Einflussnahme abläuft und wie stark sie ist.

Inwieweit spielen  die Globalisierung und die vereinfachte Kommunikation über soziale Medien eine Rolle bei der Zunahme religiöser Konflikte?

Die Globalisierung - also der vereinfachte Fluss von Informationen, Waren und Finanzen - fördert diese Dinge, nicht nur in Afrika, sondern auch anderswo. Auf der anderen Seite können sich durch die Globalisierung auch Regierungen besser vernetzen und etwas gegen die Radikalisierung unternehmen.

Matthias Basedau vom Institut GIGABild: GIGA German Institute of Global and Area Studies

Welche Gegenmaßnahmen müssten denn ergriffen werden, um den Vormarsch Religiöser Konflikte in Sub-Sahara-Afrika zu stoppen?

Die Gegenmaßnahmen müssen auf einer sorgfältigen Analyse der Ursachen beruhen. Da wissen wir noch nicht alles, aber einige Maßnahmen werden wahrscheinlich greifen. Erstens müssen wir uns bewusst sein, dass sowohl religiöse Gründe vorliegen als auch nicht-religiöse, und dass sie gleichzeitig bearbeitet werden müssen. Auf religiöser Seite kann man De-Radikalisierungs-Maßnahmen durchführen, also friedvolle Interpretationen des Glaubens stärken, auch präventiv. In nicht-religiöser Hinsicht geht es vor allem um langfristige Entwicklung. Das heißt, die Regierungen und Staaten müssen ihren Bürgern Perspektiven liefern. Es geht um gute Regierungsführung, auch um Sicherheit. Ein Bündel von Maßnahmen wird nötig sein, und die gute Nachricht ist, dass es dieses Bündel schon gibt. Afrikanische Regierungen müssen diese Arbeit leisten, und sie können unterstützt werden durch andere Länder. Auch Deutschland unterstützt über das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit Pilotprojekte zum Beispiel in Burundi und Nigeria. Das sollte alles gebündelt werden. Aber man sollte nicht erwarten, dass es schnell und nachhaltig hilft.

Politikwissenschaftler Prof. Dr. Matthias Basedau forscht am GIGA-Institut für Afrika-Studien in Hamburg zum Schwerpunkt Frieden und Sicherheit. Im August 2017 veröffentlichte er eine Studie zum Anstieg bewaffneter religiöser Konflikte in Subsahara-Afrika.

Das Interview führte Gwendolin Hilse

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