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Wladimir Putin saß im Beirat einer dubiosen Firma

16. Mai 2003

- Auch russische Medien recherchierten in diesem Geldwäsche-Fall

Köln, 15.5.2003, DW-radio / Russisch, Andrej Gourkov, Wladimir Isotow

In Deutschland scheint sich ein spektakulärer Kriminalfall anzubahnen. Das Bundeskriminalamt (BKA) hat mitgeteilt, dass es ihm in dieser Woche erstmals in der Geschichte des Landes gelungen sei, "den Verdacht der Geldwäsche über eine deutsche Aktiengesellschaft zu konkretisieren". Das BKA ist der Ansicht, dass diese Aktiengesellschaft für eine Sankt Petersburger kriminelle Vereinigung Geldwäsche betrieben hat. In der Mitteilung heißt es, es gehe um "eine der größten und einflussreichsten" kriminellen Organisationen in Russland, deren Aktivitäten sich auf die Verschiebung gestohlener Kraftfahrzeuge, Menschenhandel, Alkoholschmuggel und Schutzgelderpressung erstrecken.

Putin war Beirats-Mitglied einer der Tochterfirmen der in Verdacht geratenen Aktiengesellschaft

Pikante Einzelheiten dazu brachte die wöchentlich erscheidende "Wirtschaftswoche" in ihrer Ausgabe vom Donnerstag. Sie berichtet, eines der Beirats-Mitglieder einer der Petersburger Tocherfirmen der in Verdacht geratenen Aktiengesellschaft sei mehrere Jahre lang Wladimir Putin gewesen. Der derzeitige Präsident Russlands habe diesem Beirat von Amts wegen angehört - er war damals stellvertretender Bürgermeister von Sankt Petersburg und für die Außenwirtschaftstätigkeit zuständig.

28 Büros und Wohnungen durchsucht

Konkrete Informationen über diesen Fall gibt es zur Zeit nur sehr wenige. Am Dienstag durchsuchten mehr als 200 Beamte von Bund und Ländern im Rhein-Main-Gebiet, in Hamburg und München 28 Firmenobjekte und Wohnungen. Der Grund: Verdacht auf internationale Geldwäsche. Im Mittelpunkt der Ermittlungen stehen die Verantwortlichen einer in Hessen ansässigen namentlich nicht genannten Gesellschaft. Sie wird der Geldwäsche nach folgendem Schema verdächtigt: in Russland auf kriminellem Wege erworbenes Geld wurde über eine Vielzahl von Bankkonten in mehreren Ländern und Offshore-Zonen geschleust, danach nach Deutschland, wo es für den Kauf von Aktien dieser Aktiengesellschaft verwendet wurde. Die Gesellschaft wiederum gab mehrfach zusätzliche Emissionen heraus. Durch diese Emissionen kam sie an frisches Kapital und investierte das bereits gewaschene Geld in Immobilien in Russland.

Die in Verdacht geratene Firma - St. Petersburg Immobilien und Beteiligungs AG

Die in Verdacht geratene Aktiengesellschaft wird in der Mitteilung des Bundeskriminalamtes nicht genannt, deutsche Journalisten hatten aber keine Mühe damit, sie zu finden. Es ist die St. Petersburg Immobilien und Beteiligungs AG, abgekürzt SPAG. Die Gesellschaft ist auf Investitionen in Petersburger Immobilien spezialisiert. Ihr Sitz befindet sich in der kleinen Stadt Mörfelden-Walldorf, ihre Aktien werden an der Frankfurter Börse gehandelt. Die Aktiengesellschaft hat eine eigene Internetseite, der zu entnehmen ist, dass ihr ein Geschäftszentrum auf der Tambowskaja Uliza in Sankt Petersburg sowie die geschlossene Aktiengesellschaft "Snamenskoje" gehören. Als wichtigstes Projekt wird auf der Internetseite von SPAG die Errichtung des internationalen Handels- und Bürozentrums "Snamenskij" auf dem Newskij Prospekt in der Nähe des Moskauer Bahnhofs genannt.

Rehse: "Vize-Bürgermeister Putin hat keinerlei Entlohnung erhalten"

Nach Worten des Vorstandsmitglieds der SPAG, Markus Rehse, ist an den derzeitigen Beschuldigungen nichts Neues. Die Sache ziehe sich bereits seit dem Jahr 2000 hin, als die SPAG im Bericht des deutschen Geheimdienstes BND erwähnt worden sei. Ermittlungen seien damals unter anderem in Liechtenstein geführt worden, wo Rudolf Ritter, Mitglied des SPAG-Aufsichtsrates, sogar verhaftet worden sei. Man habe ihn aber wieder freilassen müssen. Rehse bestätigte, dass Wladimir Putin seinerzeit dem Beirat der Petersburger Tochterfirma von SPAG angehört habe und fügte hinzu, er (Putin) habe dafür keinerlei Entlohnung erhalten. Abschließend sagte Rehse, die gegenwärtige Aktion sei ein letztes Aufbäumen der Ermittler, die versuchten, einen Fall zu retten, der sich in Luft aufzulösen scheine.

Was die Aktiengesellschaft SPAG betrifft, so hält diese nach wie vor das Handelszentrum auf dem Newskij Prospekt, an dem die Gesellschaft "Snamenskaja" arbeitet, für ihr wichtigstes Projekt.

Einige Details über die Aktiengesellschaft "Snamenskoje"

Aus offiziellen Quellen Einzelheiten über die geschlossene Aktiengesellschaft "Snamenskoje" zu erhalten, erwies sich als nicht einfach. Vertreter verschiedener Komitees der Sankt Petersburger Stadtadministration verwiesen einer auf den anderen und erklärten, es gehöre nicht zu ihrem Kompetenzbereich, Daten über Firmen dieser Art zu sammeln. Dennoch konnte das eine oder andere über die Geschichte der geschlossenen Aktiengesellschaft "Snamenskoje" in Erfahrung gebracht werden. Die Quellen, derer man sich bediente, können natürlich unterschiedliche Gefühle wecken, aber es heißt nicht umsonst, dass das so genannte "Kompromat"(kompromittierendes Material - MD) bei weitem nicht immer Lügen gleichzusetzen ist.

Also: Die geschlossene Aktiengesellschaft "Snamenskoje" ist am 2. November 1995 als gemeinsames russisch-deutsches Unternehmen registriert worden. Es ist gegründet worden, um vier Häuser an der Uliza Wosstanija (Straße des Aufstands – MD) und auf dem Newskij Prospekt zu renovieren und sie in ein Geschäftszentrum auszubauen. Die deutsche Seite sorgt für die Finanzierung des Projektes, die Leitung haben ausschließlich Russen. Chef des Unternehmens ist der Präsident des Petersburger Brennstoffunternehmens, W. A. Smirnow. Das ist der Zeitung "Liimonka", Nr. 218 zu entnehmen. Weiter heißt es in dem Artikel: Das Lobbying für das Projekt betrieb der Erste Stellvertretende Bürgermeister von Sankt Petersburg Wladimir Putin. Ihm und Wiktor Tscherkessow fiel ein bestimmter Teil der Aktien von "Snamenskoje" zu. 43,5 Prozent der Aktien gingen an die Gesellschaft SPAG.

Who is who in Sankt Petersburg?

Wer ist Herr W. A. Smirnow, der als Chef der geschlossenen Aktiengesellschaft "Snamenskoje" genannt wird? In dem Nachschlagewerk "Who is who in Sankt Petersburg?" für das Jahr 1999, als Wladimir Putin Chef des Föderalen Sicherheitsdienstes Russlands war, ist sein Name nicht aufgeführt. In der Ausgabe der Zeitung "Sowerschenno sekretno" (deutsch: "Streng geheim" – MD) vom August 2000 ist aber folgendes zu lesen: Wladimir Smirnow steht Putin sehr nahe. Er gründete sogar zusammen mit ihm im Jahre 1992 die Petersburger Devisenbörse, ein Petersburger Brennstoffunternehmen, "Snamenskoje" und eine Reihe anderer Gesellschaften. Im Mai 2000 kam Smirnow nach Moskau, um in der Präsidentenkanzlei einen Posten zu übernehmen, auf dem er sich mit Immobilienangelegenheiten befassen sollte.

Über die Tätigkeit der Aktiengesellschaft "Snamenskoje ist in dem erwähnten Artikel folgendes zu lesen:

Noch nicht einmal einen Monat nach der Registrierung von "Snamenskoje" wird der Gesellschaft von der Leitung des Bürgermeisteramtes von Sankt Petersburg ein ganzes Stadtviertel im Zentrum der Stadt als Eigentum übertragen, um dort ein Geschäftszentrum zu errichten. Für die Umsiedlung der Menschen, die in diesen Häusern gelebt hatten, wurden der Stadt anderthalb Milliarden Rubel gezahlt. Und noch eine weitere in Petersburg recht bekannte Persönlichkeit wird in diesem Artikel erwähnt. Im Juni 1999 wählten vier Aktionäre von "Snamenskoje" auf ihrer Versammlung Wladimir Barsukow, der früher Kumarin hieß, in den Direktorenrat. In vielen Publikationen wurde er unter Berufung auf die Rechtsschutzorgane als Kopf der Tambower Gruppe bezeichnet.

Alle Fragen an den russischen Innenminister richten

Am Donnerstag gab es als Antwort auf die Meldung, dass das Bundeskriminalamt eine Firma wegen Geldwäsche für die russische Mafia im Verdacht hat, einen Kommentar des Leiters der Petersburger Städtischen Verwaltung des Inneren, Michail Wanitschkin. "Im Ausland gibt es sehr viele Berichte über die russische Mafia, die sich leider nach einer Woche in Nichts auflösen. Lasst uns auf die Dokumente warten, die uns eventuell erreichen. Dann können wir sie kommentieren", sagte der oberste Milizionär von Sankt Petersburg und fügte hinzu: "Diese Fragen sollten besser an den Innenminister der Russischen Föderation gerichtet werden, der demnächst nach Sankt Petersburg kommen wird." (TS)