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Konflikte

Wladimir Putins eingeschränkter Reiseradius

6. Dezember 2023

Die aktuelle Reise an den Golf ist einer der wenigen Staatsbesuche des russischen Präsidenten in diesem Jahr. Seit ein internationaler Haftbefehl gegen ihn vorliegt, meidet Putin Auftritte im Ausland.

Saudi-Arabien: Wladimir Putin wird am Flughafen von Riad empfangen
Russlands Präsident Putin bei seiner Ankunft am Flughafen in Riad, Saudi Arabien Bild: Konstantin Zavrazhin/POOL/TASS/dpa/picture alliance

Der Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofes (ICC = Internacional Criminal Court) hat die Auslandsreisen von Wladimir Putin massiv eingeschränkt. Nach Angaben des Kreml absolvierte der russische Präsident in diesem Jahr insgesamt 22 offizielle Reisen, von denen allerdings nur vier ins Ausland führten.

Vor dem Angriff auf die Ukraine und vor der Corona-Pandemie sah dies noch ganz anders aus. Im Jahr 2019 brachte es Putin auf 55 offizielle Reisen, 35 im Inland und 20 ins Ausland. Zu seinen Destinationen gehörten damals unter anderem der G20-Gipfel in Osaka, Arbeitsbesuche in Frankreich, Italien, Finnland und Ungarn, der BRICS-Gipfel in Brasilien, und eine Begegnung mit Präsident Erdogan in der Türkei.

In diesem Jahr beschränkten sich Putins Staatsbesuche im Ausland auf China, Kasachstan, Kirgisistan und Belarus. Alle vier Länder gehören nicht zu den insgesamt 123 Vertragsstaaten des Internationalen Strafgerichtshofes (ICC).

Weiterhin willkommen: Im Oktober reiste Putin zu einem offiziellen Besuch nach Kirgisistan, das nicht Mitglied beim Internationalen Straferichtshof istBild: ERGESH ZHUSUBALIEV/AFP

Russische Kooperation mit den Golfstaaten

Auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Saudi Arabien, die Putin gerade besucht, gehören nicht zu den Mitgliedsstaaten des ICC. Die Reise ist die erste seit dem Angriff auf die Ukraine im Februar 2022, die nicht zu Russlands traditionellen Verbündeten führt.

Der ICC hatte am 2. März dieses Jahres einen internationalen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten und gegen die Beauftragte für Kinderrechte im Büro des Präsidenten, Maria Lvova-Belova, verhängt. Beiden wird vorgeworfen, für die Verschleppung von Kindern aus den russisch besetzten Gebieten der Ukraine nach Russland verantwortlich zu sein.

ICC-Chefankläger Karim Ahmad Khan (rechts) und der ukrainische Staatsanwalt Andriy Kostin bei einer Pressekonferenz in Kiew Bild: Hennadii Minchenko/Avalon/Photoshot/picture alliance

Putins "Abschied von der globalen Bühne"

"Es ist nicht das erste Mal, dass der Internationale Strafgerichtshof nach einem Staatsoberhaupt fahndet, doch Putin ist bei weitem der höchstrangigste Staatschef in der Geschichte des Gerichtshofes", schreibt Marti Flacks, Direktorin der Menschenrechtsinitiative am Center for Strategic International Studies (CSIS), in einem Beitrag für den US-amerikanischen Think-Tank

Es sei allerdings sehr unwahrscheinlich, dass ICC-Mitgliedsländer in nächster Zukunft einen Besuch des russischen Präsidenten zu erwarten hätten, denn schon vor dem Ukrainekrieg sei Putin selten in diese Länder gereist. "Putin hat es sogar abgelehnt, 2022 am G20-Gipfel in Indonesien oder am Gipfeltreffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation in Thailand teilzunehmen, obwohl beide Länder keine ICC-Mitglieder sind", erklärt Flacks.

Das eingeschränkte Mandat des Internationalen Strafgerichtshofs

Am Beispiel Putins zeigt sich jedoch nicht nur die Stärke, sondern auch die Schwäche des ICC. Denn die Ermittlungen und der Haftbefehl beziehen sich nicht etwa auf den Angriff gegen die Ukraine. Sie richten sich stattdessen gegen die Verschleppung und Umsiedlung ukrainischer Kinder, die zu Tausenden nach Russland gebracht und dort umerzogen werden.

Obwohl mittlerweile 123 Länder Mitglied beim Internationalen Strafgerichtshof sind, fehlen noch wichtige Staaten wie die USA, China, Russland, Indien und Israel Bild: Klaus Rainer Krieger/reportandum/IMAGO

Der Grund: Bei ihrer Revisionskonferenz 2010 in Uganda beschlossen die Mitgliedsstaaten des ICC, dass gerichtliche Verfahren zur Verfolgung von Angriffskriegen nur eingeleitet werden dürfen, wenn sowohl der angegriffene als auch der angreifende Staat ICC-Mitgliedsstaaten sind.

Mit einer Ausnahme: Auch der UN-Sicherheitsrat kann den ICC zu Ermittlungen ermächtigen. Doch dort hat Russland ein Veto-Recht. Diese Option ist daher ziemlich unrealistisch. Die Folge ist, dass Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine zurzeit nicht belangt werden kann.

Auch viele westliche Staaten erkennen den ICC nicht an

Damit nicht genug. Auch gegen alle anderen Länder, die nicht Mitgliedsstaaten des ICC sind, kann nicht ermittelt werden. Dazu gehören unter anderem die USA, Israel, Indien, China, Saudi Arabien und die Türkei. "Der Unwillen führender westlicher Länder, sich selbst den Normen einer umfassenden internationalen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen, untergräbt die Glaubwürdigkeit des Westens gegenüber Russland", kritisiert die Sicherheitsexpertin Bettina Vestring in der Fachzeitschrift Internationale Politik (IP).

"Vor allem afrikanische Regierungen werfen dem Gericht vor, es verfolge hauptsächlich Afrikaner, während Angehörige mächtigerer Staaten kaum etwas zu befürchten hätten".

Südafrikas Außenministerin Naledi Pandor kritiserte in einem Interview die Doppelmoral des Gerichts: "Es gibt viele Länder, die in Kriege verwickelt sind, in andere Länder eindringen, Menschen umbringen und politische Aktivisten verhaften. Keines von ihnen ist bisher vom ICC davon abgehalten worden. Wer über Macht und Einfluss in der globalen Gemeinschaft verfügt, so scheint es, wird verschont."

Will Ukraine eigene Soldaten schützen?

Noch nicht einmal das Angriffsopfer Ukraine stünde voll und ganz hinter dem Internationalen Strafgerichtshof, kritisiert Sicherheitsexpertin Vestring. So habe Kiew nach der russischen Invasion auf der Krim 2014 den Gerichtshof zwar um Ermittlungen gebeten, beigetreten sei die Ukraine aber bisher nicht. "Offenbar ist die Sorge groß, die eigenen Soldaten könnten in den Fokus der Ermittler geraten", vermutet Vestring.

Die Widersprüche wurden auch beim Brics-Gipfel im August in Johannesburg erneut deutlich. Putin war trotz des gegen ihn erlassenen internationalen Haftbefehls vom Gastgeber Südafrika zu dem Treffen eingeladen worden. Südafrika ist trotz anhaltender Kritik weiterhin Mitglied des ICC.

Gruppenfoto ohne Putin: Beim BRICS-Gipfel in Südafrika ließ Russlands Präsident sich von Außenminister Lawrow (rechts außen) vertreten. Neben ihm stehen Indiens Premier Modi, Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa, Chinas Präsident Xi Jinping und Luiz Inácio Lula da Silva, Präsident von Brasilien (v.r.n.l.)Bild: GIANLUIGI GUERCIA/AFP

Putin verzichtete letztendlich auf die Teilnahme und ließ sich sowohl in Südafrika als auch beim G20-Gipfel im September diesen Jahres in Indien durch Außenminister Lawrow vertreten.

Sicherheitsexpertin Bettina Vestring zieht ein ernüchterndes Fazit. "Solange die Völkergemeinschaft keinen Konsens darüber herstellen kann, Verbrechen der Aggression ohne Ansicht von Land oder Person zu ahnden", erklärt sie, "wird Putin sich nicht für seinen Angriffskrieg verantworten müssen".

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