Megan Rapinoe, eine der schillerndsten Persönlichkeiten im Frauenfußball, verabschiedet sich bei der Fußball-WM leise von der internationalen Bühne. Ihr Einfluss auf den Frauenfußball wird für immer bleiben.
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Viele herausragende Spielerinnen mussten bereits unfreiwillig die Heimreise von dieser Frauen-Weltmeisterschaft antreten. Nach Alexandra Popp, Kanadas Christine Sinclair und der Brasiliens Marta, war Megan Rapinoes Ausscheiden ein besonders bitteres. Nachdem die USA in der Gruppenphase nur knapp dem schnellen Turnier-K.o. entgangen waren, verloren die Titelverteidigerinnen im Achtelfinale das Elfmeterschießen gegen Schweden. Auch Rapinoe verschoss.
Doch selbst in diesem schmerzhaften Moment wusste die 38-jährige Fußball-Ikone um das Vermächtnis, das sie hinterlässt, wenn sie nach der WM von der internationalen Fußball-Bühne abtritt und nach Saisonschluss in der US-Profiliga auch ihre Karriere beendet: "Wir wollen das Spiel weiterentwickeln und die Welt verbessern, unsere Stimme erheben und uns für mehr einsetzen." Als Profisportlerinnen würden sie die Ungerechtigkeiten kennen und sich weiter verbünden, so Rapinoe: "Das ist das wahre Vermächtnis für mich. Und es bedeutet, dass ich aus dem Spiel alles herausgeholt habe, was ich nur konnte, dass ich jeden Moment genossen, gekämpft, alles gegeben und gefeiert habe."
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Anerkennung in der ganzen Welt
Wie groß der Einfluss ist, den Rapinoe auf der ganzen Welt und über viele Generationen hinweg hat, zeigte sich Anfang Juli, als die USA in Neuseeland ein öffentliches Training für die Fans abhielten: Trotz strömenden Regens in Auckland erschienen mehr als 300 Fans. Als sich die Einheit dem Ende zuneigte, zogen drei enttäuschte neuseeländische Jugendliche murrend von dannen: "Ich dachte, ein offenes Training würde bedeuten, dass wir mit der Mannschaft spielen könnten. Ich wollte mit Megan Fußball spielen!"
Was die Flügelspielerin in das globale Bewusstsein katapultierte, war auch ihre Bereitschaft, aufzustehen und ihre Stimme zu erheben, wenn Ungerechtigkeiten auftauchten - ungeachtet der Folgen für sie persönlich. Als eine von mehreren homosexuellen Spielerinnen in der US-Nationalmannschaft sprach sich Rapinoe oft gegen Donald Trump aus und sorgte vor der Weltmeisterschaft 2019 in Frankreich für Schlagzeilen, als sie erklärte, die Mannschaft werde eine Einladung ins Weiße Haus nicht annehmen.
"Wir haben kein Interesse daran, die Plattform, für die wir so hart gearbeitet haben, und die Dinge, für die wir kämpfen, und die Art und Weise, wie wir unser Leben leben, der Regierung zu überlassen", sagte Rapinoe damals gegenüber dem TV-Sender CNN.
Auf die Frage, wie ihre Botschaft an Trump laute, antwortete die Fußballerin: "Ich würde sagen, dass Ihre Botschaft die Menschen ausschließt. Sie schließen mich aus. Sie schließen Menschen aus, die wie ich aussehen. Sie schließen People of Colour aus."
Rapinoe war auch Gesicht und Stimme des letztlich erfolgreichen Kampfes um Equal Pay gegen den eigenen Verband - während die Mannschaft 2019 in Frankreich gerade versuchte, ihren zweiten WM-Titel in Folge zu gewinnen. Ihrer Leistung tat dieses Engagement keinen Abbruch. Mit sechs Toren gewann sie den "Goldenen Schuh" als beste Torjägerin des Turniers und führte das Team zum insgesamt vierten WM-Titel.
"Megan stellt sich den harten Fragen und den schwierigen Dingen, damit andere Spielerinnen nicht mehr damit zu tun haben müssen", erklärte Torhüterin Alyssa Naeher, als sie den Einfluss ihrer Teamkollegin beschrieb. "Weil sie so eine große Präsenz hat, ist sie bereit, viel mehr zu tun. Sie hat alles selbst in Angriff genommen. Und sie erlaubt anderen, das Gleiche zu tun und so zu sein, wie sie sind."
Veränderte Rolle akzeptiert
Vor vier Jahren in Frankreich wurde Rapinoe auch als beste Spielerin des Turniers ausgezeichnet. Als zweifache Weltmeisterin und olympische Gold- und Bronzemedaillengewinnerin ist ihr Trophäenschrank ohnehin gut gefüllt.
Bei der Weltmeisterschaft in Neuseeland und Australien akzeptierte Rapinoe auch ihren Platz als Ersatzspielerin - und als erfahrene Ratgeberin. "Natürlich denkt jede, dass sie 90 Minuten lang auf dem Platz stehen sollte, aber ich habe meine Aufgabe verstanden", sagte Rapinoe. "Es ging darum, alles, was ich in den vielen Jahren erlebt habe, zu nutzen, in der Halbzeit in die Kabine zu gehen und dem Team zu sagen: Das habe ich gesehen. Nun versucht, diese oder jene Anpassung vorzunehmen."
Rapinoes Einfluss auf und abseits des Spielfelds war und ist unbestreitbar. Bei dieser Weltmeisterschaft mag sie leise Abschied genommen haben, doch ihre Bemühungen, die Welt zu verändern, werden auch noch lange nach ihrem Rücktritt weiterleben.
Kämpferinnen für Equal Pay
Das großartige Auftreten der deutschen Fußballerinnen bei der EM hat auch in Deutschland Schwung in die Debatte um Equal Pay gebracht. Seit Jahrzehnten kämpfen Topsportlerinnen weltweit für gleiche Bezahlung.
Bild: ASSOCIATED PRESS/picture alliance
Billie Jean King
In ihrer Karriere gewinnt US-Tennisstar Billie Jean King zwölf Grand-Slam-Turniere im Einzel, davon sieben Mal in Wimbledon (Bild). Sie kämpft für Equal Pay. 1973 droht sie mit einem Boykott der US Open. Zu der Zeit ist die Siegprämie bei den Männern achtmal höher als bei den Frauen. Kings Drohung wirkt. Erstmals werden in New York 1973 bei einem Grand-Slam-Turnier einheitliche Prämien gezahlt.
Bild: ASSOCIATED PRESS/picture alliance
Venus Williams
"Wimbledon hat mir eine Botschaft gesandt: Ich bin nur ein Champion zweiter Klasse". So betitelt Venus Williams 2006 ihren Gastbeitrag für die "Times". Dreimal hat sie zu diesem Zeitpunkt bereits das wichtigste Tennisturnier der Welt gewonnen. Bei ihrem Triumph 2005 kassierte sie rund 100.000 Euro weniger als Roger Federer. 2007 gewinnen beide erneut, diesmal erhalten sie gleichviel Geld.
Bild: Gerry Penny/dpa/picture-alliance
Dipika Rebecca Pallikal
2011 wird Dipika Pallikal als 19-jährige indische Squash-Meisterin. Die folgenden vier Jahre boykottiert sie die nationalen Meisterschaften, weil das Preisgeld der Frauen nur 40 Prozent der Siegprämie der Männer beträgt. Als 2016 die Prämien angeglichen werden, startet sie erneut - und gewinnt. "Es ging nicht nur um mich, sondern um die gesamte Squash-Gemeinschaft der Frauen", sagt Pallikal.
Bild: Hotli Simanjuntak/dpa/picture alliance
Eishockey-Team der USA
Auch die US-Eishockeyspielerinnen drohen 2017 mit einem Boykott. Die Weltmeisterinnen wollen ihren Titel bei der Heim-WM in Plymouth nur verteidigen, wenn es eine "faire Entlohnung" gibt. Der Verband lenkt ein. Die Jahresvergütung steigt auf rund 70.000 Dollar pro Spielerin. Das Team bedankt sich mit einem weiteren WM-Erfolg und ein Jahr später mit dem Olympiasieg in Pyeongchang (Bild).
Bild: Anke Waelischmiller/SVEN SIMON/picture alliance
Allyson Felix
Als Allyson Felix 2018 schwanger wird, macht sie öffentlich, dass Sponsor Nike ihr einen um 70 Prozent niedriger dotierten Vertrag angeboten hat. "Was ich nicht bereit bin zu akzeptieren, ist der Status Quo rund um die Mutterschaft", sagt die erfolgreichste Leichtathletin bei Olympischen Spielen. Nike ändert seine Regeln zum Mutterschutz, doch Felix trägt künftig Laufschuhe einer anderen Marke.
Bild: Getty Images
Ainhoa Tirapu
Als Spaniens Fußballerinnen 2019 streiken, ist die Torhüterin von Athletic Bilbao eine der Wortführerinnen. "Wir wollen Gleichheit, gleiche Rechte", schreibt Ainhoa Tirapu im "Guardian". Nach 16 Monaten Verhandlungen erkämpfen die Spielerinnen um die Ex-Nationaltorfrau einen Tarifvertrag, der ein Mindestjahresgehalt von 16.000 Euro sowie eine Mutterschutzregelung enthält.
Bild: Andre Pichette/dpa/picture alliance
Nneka Ogwumike
"Es ist einfach, über die Unterstützung von Frauen zu reden, aber es zu tun, erfordert eine andere Perspektive und ein anderes Bewusstsein, sagt Nneka Ogwumike, Basketballstar der Los Angeles Sparks. Unermüdlich kämpft sie als Chefin der WNBA-Spielerinnengewerkschaft für höhere Mindestgehälter, Sponsorenverträge und eine höhere Beteiligung der Spielerinnen an den Einnahmen der Liga.
Bild: Mark J. Terrill/AP/picture alliance
Portia Modise
Von 2000 bis zum Karriereende 2015 ist Portia Modise das Gesicht der südafrikanischen Fußballnationalmannschaft. Mit 101 Toren ist sie Rekordtorjägerin der "Banyana Banyana". "Zu der Zeit, als ich die beste Torschützin im afrikanischen Fußball war, lebte ich in einer Hütte", sagt Modise. "Sie haben mich ausgenutzt." Ihre Worte bringen Schwung in die Diskussion um Equal Pay in Südafrikas Fußball.
Bild: Sydney Mahlangu/BackpagePix/picture alliance
Lucy Small
Eher spontan wird die australische Profi-Surferin Lucy Small zur Equal-Pay-Aktivistin. Als sie im Frühjahr 2021 einen Longboard-Wettkampf in Sydney gewinnt und den Siegerinnen-Scheck in der Hand hält, ergreift sie das Mikrofon und spricht von einem "bittersüßen Sieg", weil ihr Surfen nur die Hälfte wert sei wie das der Männer. Das Video geht viral. Seitdem kämpft Small für Equal Pay im Sport.
Bild: Wen Surf Photography
Alex Morgan
Fußball-Nationalstürmerin Alex Morgan (r.) ist in den USA ein Publikumsliebling. Dennoch gibt es bei der WM 2015, die das US-Team später gewinnt, so wenige Fanartikel, dass Morgans Vater selbst T-Shirts drucken lässt. 2016 schreibt Morgan in der "Cosmopolitan", die Fußballerinnen verdienten "Equal Pay for Equal Play (Gleicher Lohn für gleiche Leistung). Das ist ein ziemlich einfaches Konzept."
Bild: Fernando Llano/AP/picture alliance
Megan Rapinoe
Neben Morgan treibt Megan Rapinoe den Kampf um Equal Pay voran. Angeführt von der charismatischen Weltfußballerin von 2019 verklagt das US-Team im selben Jahr den Fußballverband USFF wegen Diskriminierung auf 66 Millionen Dollar. Im Februar 2022 einigen sich beide Seiten auf die gleiche Bezahlung von Frauen- und Männerteam. "Das ist ein Wendepunkt für den Frauensport", sagt Rapinoe.