Die größte Fan-Zone Russlands wurde am Wochenende vor der Moskauer Lomonossow-Uni eröffnet. Tausende Studenten protestierten dagegen. Einer ist ein besonders großes Risiko eingegangen, berichtet Juri Rescheto.
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"Nein zur Fan-Zone": Dieser eher harmlos wirkende Spruch in Rot hätte Dmitrij Petelin beinahe die Freiheit gekostet. Der junge Philologie-Student der Moskauer Lomonossow-Universität hat ihn auf eines der Plakate geschrieben, die überall am Uni-Gelände hängen und Besucher aus aller Welt in die größte Fan-Zone Russlands einladen.
Es dauerte nicht lange, da wurde das Plakat von den Veranstaltern entfernt und durch ein neues, "sauberes" ausgetauscht. Dmitrij Petelin bekam es zuerst mit der Polizei und dann mit der Staatsanwaltschaft zu tun: Er wurde wegen Vandalismus angeklagt. Dafür gibt es in Russland eine satte Geldstrafe, wahlweise viele Stunden gemeinnützige Arbeit oder aber - im schlimmsten Fall - bis zu drei Monate Gefängnis.
"Wenn du Pech hast, landest du im Knast"
"Schauen Sie nach rechts": Dmitrij Petelin zeigt auf das denkmalgeschützte Hauptgebäude seiner Elite-Uni an den Sperlingsbergen (Worobjowy-Gory), die zu den markantesten Wahrzeichen Moskaus gehören. "Hier lernen und leben Studenten. Hier sind Vorlesungsräume und Studentenwohnheime untergebracht, in denen die Studenten sich auf ihre Sommer-Prüfungen vorbereiten müssen. Und jetzt schauen Sie nach links, hier sollen 25.000 Fußball-Fans grölen."
Dazwischen liegen nur 300 Meter. Zu wenig für Petelin und seine 15.000 Mitstreiter, Kommilitonen und Dozenten, die einen Online-Aufruf starteten, um gegen die Fan-Zone zu protestieren. Wochenlang machten sie ihre Universitätsführung auf die mutmaßliche Zerstörung historischer Architekturelemente des weltberühmten Universitäts-Ensembles im "Zuckerbäcker"-Stil aufmerksam, sowie auf die befürchtete Vernichtung der Bäume und Pflanzen im Park, der in der Nähe liegt, einer grünen Oase mit einer einzigartigen Flora und Fauna mitten in Moskau. Doch die Versuche waren vergeblich. Da griff Dmitrij Petelin in einer Nacht zur Farbe und pinselte seine ganze Wut in drei Worten auf ein Plakat. Mit bekannten Folgen: Schon am nächsten Morgen warteten Polizisten vor der Haustür auf ihn, er musste sein Handy abgeben und aufs Polizeirevier mitkommen. "Sie behandelten mich ordentlich, ohne physische Gewalt, aber sie übten psychologischen Druck aus. Wenn du Glück hast, sagten sie, fliegst du von der Uni, wenn du Pech hast, landest du im Knast", sagt Dmitrij Petelin im Gespräch mit der DW.
Der Fall wurde zum Politikum
Zwar durfte der Student nach dem Verhör wieder nach Hause, aber die Ermittlungen liefen an. Die Reaktion der Behörden auf die Beschädigung eines offensichtlich nicht ganz so teuren Plakats war hart. So hart, dass sich die lokale und internationale Presse auf den Fall stürzte und die ganze Sache zu einem Politikum machte. Auf die DW-Anfrage zu den Studentenprotesten antwortete die Lomonossow-Universität schriftlich: "Die Universitätsführung hat Maßnahmen ergriffen, um Unannehmlichkeiten durch die Unterbringung der anliegenden Fan-Zone zu minimieren." Gemeint sind 300 Meter Entfernung zum Hauptgebäude. Ursprünglich sollte die Fan-Zone wohl noch näher sein. Als der Fall des Studenten sogar jenseits der Grenzen Russlands bekannt wurde, dämmerte es den Behörden, dass sie offenbar über das Ziel hinaus geschossen hatten.
Stadien und Spielorte der WM 2018
Ab dem 14. Juni 2018 schauen die Fußballfans aus aller Welt gebannt nach Russland. Die WM 2018 wird in elf Städten und zwölf Stadien ausgetragen - zwischen Kaliningrad im Westen und Jekaterinburg im Osten.
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Moskau
Mit rund 10,4 Millionen Einwohnern ist Russlands Hauptstadt die größte Stadt Europas. Bekanntestes Bauwerk der Stadt ist der Kreml. Hier regiert Wladimir Putin. Innerhalb des Stadtgebietes gibt es über 600 Kirchen. Moskau ist Zentrum der russisch-orthodoxen Kirche und wird nach Rom und Konstantinopel ("Zweites Rom") auch "Drittes Rom" genannt. Moskau ist der einzige WM-Spielort mit zwei Stadien.
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Luschniki-Stadion - Moskau
Hier wollen alle hin - am liebsten am 15. Juli, wenn das Finale der Weltmeisterschaft angepfiffen wird. Die altehrwürdige Arena von 1956, die 1980 als Olympiastadion diente, wurde für die WM noch einmal modernisiert und umgebaut. Jetzt bietet sie 81.000 Zuschauern Platz. Die russische Elf wird hier am 14. Juni die WM eröffnen.
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Otkrytije-Arena - Moskau
Die Arena wurde 2014 neu eröffnet und zur neuen Heimstätte von Spartak Moskau. Der wohl berühmteste Fußballklub Russlands hatte jahrelang auf ein eigenes Stadion warten müssen. Beim Confed Cup wurde hier das Spiel um Platz drei ausgetragen - diesmal finden vier Gruppenspiele und ein Achtelfinale in der Arena für 45.000 Zuschauer statt.
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St. Petersburg
Die "schönste Stadt auf dem Antlitz der Erde", sagte Nobelpreisträger Joseph Brodsky einst über die westrussische Metropole. Tatsächlich ist die Stadt an der Newa mehr als sehens- und bewundernswert. Der berühmte Zar Peter der Große hat sie als "Tor zum Westen" im 18. Jahrhundert gegründet. Eilig ließ er in wenigen Jahren Paläste und Prunkschlösser bauen.
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Krestowski-Stadion - St. Petersburg
Die neue Spielstätte des FC Zenit entstand genau dort, wo vorher das alte Kirow-Stadion stand. Die Arena fasst 68.000 Zuschauer. Während der Bauphase wurde sie immer teurer und kostete am Ende 930 Millionen Euro. Die deutsche Elf verbindet schöne Erinnerungen mit dem Stadion. Hier gewann sie am 2. Juli 2017 den Confed Cup.
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Jekaterinburg
Wahrzeichen der östlichsten WM-Gastgeberstadt ist die Kathedrale auf dem Blut, die auch Heilig-Blut-Kathedrale oder Blutkirche genannt wird. Sie wurde 2002 an dem Ort errichtet, an dem 1918, ein Jahr nach der Oktoberrevolution, die russische Zarenfamilie hingerichtet wurde.
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Zentralstadion - Jekaterinburg
Eigentlich war das Stadion zu klein, um die Rahmenbedingungen für eine WM-Arena zu erfüllen. Also erweiterte man die Gesamtkapazität auf 35.000 Plätze durch eine Zusatztribüne mit 12.000 Sitzplätzen. Nach dem Turnier wird sie wieder abgebaut. In Jekaterinburg werden lediglich Vorrundenspiele stattfinden. Normalerweise spielt hier der Zweitligist FC Ural.
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Rostow-Arena - Rostow am Don
Die Arena in Rostow am Don wurde für die WM 2018 neu gebaut. Sie ist die Heimat des Erstliga-Klubs FK Rostow. Während der Tiefbauarbeiten fand man mehrere voll funktionstüchtige Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg im Boden. In der Arena mit ihren 45.000 Plätzen werden vier Gruppenspiele und ein Achtelfinale stattfinden.
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Kasan
In der Hauptstadt der Teilrepublik Tatarstan leben viele Kulturen und Religionen - beinahe beispiellos - friedlich miteinander. Dort stehen Moscheen muslimischer Tataren neben orthodoxen Kirchen christlicher Slawen. Der mehrfache Fußballmeister Rubin gilt als sportliches Aushängeschild der Stadt an der Wolga.
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Kasan-Arena - Kasan
Der Grundstein für das Stadion wurde von Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin persönlich gelegt. Die Arena, die 41.585 Zuschauern Platz bietet, ist die Heimstätte des Klubs Rubin Kasan, der in den vergangenen Jahren mehrfach russischer Meister wurde. Am 22. Juni 2017 bestritt die DFB-Elf hier ihr Confed-Cup-Gruppenspiel gegen Chile.
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Wolgograd-Arena - Wolgograd
Über Wolgograd, das unter seinem alten Namen Stalingrad traurige Berühmtheit erlangte, thront die Mutter-Heimat-Statue. Sie erinnert an den Sieg der Roten Armee über die deutsche Wehrmacht im Großen Vaterländischen Krieg, wie der Zweite Weltkrieg in Russland genannt wird. Das neue Stadion am Ufer der Wolga (l.) bietet etwas mehr als 45.000 Zuschauern Platz.
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Nischni-Nowgorod-Stadion - Nischni Nowgorod
Die Arena in Nischni Nowgorod ist eines der neun Stadien, die für die WM komplett neu gebaut wurden. Sie hat 45.000 Sitzplätze. Gebaut wurde auf einer Landzunge am Zusammenfluss der Wolga und der Oka. Während der WM finden hier Vorrundenspiele, ein Achtelfinale und ein Viertelfinalspiel statt.
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Kaliningrad-Stadion - Kaliningrad
Kalininigrad ist der westlichste Spielort der Fußball-WM 2018. Das Stadion wird während der WM etwas mehr als 35.000 Plätze haben, danach aber auf 25.000 Plätze zurückgebaut werden. Der Grund: Der örtliche Klub FK Baltika pendelt zwischen zweiter und dritter Liga und könnte ein größeres Stadion nicht füllen.
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Saransk
Wahrzeichen der Stadt ist die Kathedrale des Heiligen Rechtschaffenen Theodor, die zwar im traditionellen Stil orthodoxer Kirchen gebaut wurde, aber erst 13 Jahre alt ist. Die alte Kathedrale war 1930 abgerissen worden, im Jahr 2004 wurde mit dem Bau der neuen begonnen. Sie bietet rund 3000 Gläubigen Platz.
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Mordowia-Arena - Saransk
Die Arena in Saransk hat während der WM 44.000 Sitzplätze. Entworfen wurde sie vom deutschen Architekten Tim Hupe. Nach dem Ende der WM wird das Stadion auf 28.000 Plätze zurückgebaut. Künftig soll hier der örtliche Klub Mordowia Saransk zu seinen Heimspielen antreten, der momentan in der dritten russischen Liga spielt.
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Kosmos-Arena - Samara
Die Kosmos-Arena in Samara sollte zunächst auf einer Insel in der Wolga entstehen, zu der es aber keine Brücke gab. Daher wurde der Bauplatz verlegt und ohne Rücksicht auf die örtliche Bevölkerung immer weiter vergrößert: von zunächst 27 letztlich auf 930 Hektar. Die Arena bietet 44.000 Zuschauern Platz.
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Sotschi
Dank der Olympischen Winterspiele unter Palmen wurde der Kurort mit subtropischem Klima 2014 weltbekannt. Damals beklagten Kritiker die hohen Kosten für das Spektakel am Schwarzen Meer. Auch die Formel 1 fährt Rennen in dieser sehr touristischen Stadt. Jährlich wird sie von rund vier Millionen Menschen besucht - auch Russlands Präsident Putin macht hier Urlaub.
Bild: Picture alliance/dpa/N. Zotina/Sputnik
Olympiastadion - Sotschi
Das Stadion, das 41.220 Plätze hat, wurde als Hallenkonstruktion für die Olympischen Winterspiele gebaut. Da laut FIFA-Regularien die Stadien bei der Fußball-WM ein offenes Dach haben müssen, wurde ein Teil des Kuppeldaches entfernt. Neben Vorrundenpartien werden in Sotschi ein Achtel- und ein Viertelfinalspiel stattfinden. (Quelle Stadiongrößen: AFP)
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Rektor setzt sich für Petelin ein
Erst setzte sich der Rektor der Lomonossow-Universität Wiktor Sadownitschij für den Studenten Dmitrij Petelin ein, und bat den stellvertretenden Innenminister Russlands Alexander Gorowoj, den "Bösewicht" nicht zu bestrafen: "Angesichts der Tatsache, dass diese Tat durch einen Studienanfänger ausgeübt wurde, der ansonsten fleißig im Lernen ist, bitte ich Sie, die Möglichkeit einer Nichtanwendung juristischer Schritte gegen ihn in Betracht zu ziehen", schrieb er in seinem Beamten-Russisch. Er hat darüber hinaus versichert, dass im Fall des Studenten Petelin "aufklärende Maßnahmen prophylaktischer und erzieherischer Art" durchgeführt wurden.
Dann kam schließlich die Nachricht, dass die Staatsanwaltschaft ihre Anklage zurückzog. Petelin ist mit einem Schrecken davongekommen. "Und wie geht es weiter?" fragte die DW Petelins Mitstreiter von der "Initiativgruppe" der Unzufriedenen. "Es kommt jetzt ganz auf die Fans und ihr Benehmen an", lautete die Antwort.