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US-Kongresswahlen

Michael Knigge /db6. September 2012

US-Präsidentschaftswahlen sind oft ein Kopf-an-Kopf Rennen zwischen dem Amtsinhaber und dem Herausforderer. US-Kongresswahlen dagegen sind meistens lange vor der Wahl entschieden. Was bedeutet das für die Demokratie?

Obama's Rede vor dem Kongress
Bild: picture-alliance/dpa

Am 6. November wählt Amerika nicht nur den nächsten Präsidenten der Vereinigten Staaten, sondern auch ein neues Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats, der kleineren Kongresskammer.

Anders als Präsidentschaftswahlen, sind Kongresswahlen in den USA allerdings schon lange entschieden, bevor sich die Wähler an die Urnen begeben.

Weniger als 10 Prozent der 435 Sitze im Repräsentantenhaus sind noch gar nicht vergeben. Nach neuesten Untersuchungen der Kongress-Hauszeitung "Roll Call", sind derzeit nur 27 Sitze völlig "unbesetzt" und daher entweder für Demokraten oder Republikaner "zu haben". 32 Sitze tendieren zu der einen oder der anderen Partei, sind aber noch unentschieden, 26 Sitze tendieren etwas stärker in eine bestimmte Richtung - alles zusammengenommen sind das 85 Sitze, also lediglich 20 Prozent der Gesamtsitze, die nicht fest zuzuordnen sind. 

Sichere Kandidaten

Die überwältigende Mehrheit der Sitze - 350 Mandate, 80 Prozent aller Sitze - im Repräsentantenhaus sind nicht mehr im Rennen - und werden von entweder Republikanern oder Demokraten als "sicher" angesehen.

Im Senat sieht es etwas besser aus. "Roll Call" schätzt, dass etwa 15 der 33 Sitze, die dieses Jahr neu besetzt werden, "sicher" sind. Für etwas mehr als der Hälfte der Sitze könnte es also zu einem mehr oder weniger echten Rennen zwischen den Parteien kommen.

Der mangelnde Sitzwechsel bei Kongresswahlen führt zunehmend zu Debatten über die Demokratiequalität des Wahlsystems. Als entscheidendes Element im Trend zu wenig konkurrenz-betonten Wahlen sehen viele Beobachter die politische Landschaft in den USA.

Die Sitze dieser beiden sind sicher.Bild: picture alliance/abaca

Aber ist es überhaupt ein neuer Trend? Nein, meint Jamie Carson, Wahlexperte an der Universität von Georgia in Athens, gegenüber der Deutschen Welle: Dieses Wahlverhalten gebe es schon seit einem Jahrhundert. "Das existiert quasi seit es in den USA das System der direkten Vorwahl der Kandidaten gibt."

Manipulation

Auch der Neuzuschnitt der Wahlkreise zum Vorteil einer Partei - das sogenannte "gerrymandering" - ist nicht verantwortlich, obwohl die Praxis gern als Hauptgrund für den mangelnden demokratischen Wettbewerb gesehen wird.

"Es ist zwar ein Faktor, aber ein relativ unbedeutender Faktor", erläutert Thomas Mann gegenüber der DW. Er verstärke zwar Parteilichkeit und könne in einzelnen Staaten eine enorme Auswirkung haben, so der Stipendiat an der Brookings Institution in Washington.

"Trotzdem kann man daraus nicht den Schluss ziehen, die grosse Anzahl bereits feststehender Sitze sei ein Ergebnis der Wahlkreiseinteilung", so Mann.

Und welche Rolle spielt das Geld? Ein durchschnittlicher Wahlkampf kostet mehr als 800,000 Euro ($1 Million) - Geld wird damit ganz klar zum Thema. 

"Der Löwenanteil an Spenden geht an Amtsinhaber", erklärt Professor Thomas Brunell, Politologe an der Universität von Texas in Dallas. Das mache Sinn, denn es sei riskant, Geld auf Mitbewerber um einen Sitz zu setzen, so der Professor gegenüber der DW. Das heisse aber auch, dass Amtsinhaber meistens einen eingebauten finanziellen Vorteil gegenüber Herausforderern haben.

Wahl des Wohnortes

Experten haben eine andere Theorie. Sie verweisen auf die Auswirkung der neuen Wahlkreiseinteilung in Verbindung mit dem finanziellen Vorteil des Amtsinhabers und einem dritten Faktor, der oft übersehen werde: Menschen neigen dazu in Gegenden zu ziehen, in denen Menschen mit ähnlicher Gesinnung leben.

Genau das habe dazu beigetragen, eine solche Menge wettbewerbschwacher Bezirke zu schaffen, so Mann. Aber: Schadet diese Wahlverhalten der Demokratie und wenn ja, sollte man etwas dagegen unternehmen?

Nein, sagt Brunell. Bezirke die von einer Partei dominiert werden, liessen sich leichter repräsentieren; zudem seien die meisten Wähler zufrieden, weil sie ihren Abgeordneten oder dessen Partei schätzten, so der Politologe aus Texas. 

Aber welche Wahlmöglichkeit gibt es überhaupt?Bild: Fotolia/grandeduc

Darum gehe es ja schliesslich, sagt Brunell: "Es ist mir egal, um welche Partei es geht, ich möchte nur, dass die demokratische Regierung funktioniert wie sie funktionieren soll: sie tut, was die Menschen von ihr wollen."

Unvereinbarkeit zwischen den Parteien

Thomas Mann sieht ein Problem in der Entmündigung der Wähler im amerikanischen "winner-takes-it-all" System. Noch problematischer sei allerdings die Rolle der Vorwahlen mit ihrer eher geringen Wahlbeteiligung als de-facto Königsmacher in den wettbewerbsschwachen Wahlkämpfen. Das haben Randgruppen wie z.B. die Tea Party Bewegung bereits in etlichen republikanischen Wahlkämpfen bewiesen.

Es sei "besorgniserregend", wie sehr dieses Wahlphänomen die ideologische Polarisierung der Parteien verstärke, meint Mann. Man könne dem letztlich nur entgegenwirken, indem man das System ändere - und er empfiehlt ein System nach dem Vorbild des deutschen personalisierten Verhältniswahlrechts.

Da eine umfassende Reform des Systems unwahrscheinlich ist, weist Mann auf bereits durchgeführte Mini-Reformen. Im US-Bundesstaat Kalifornien gibt es ein neues Vorwahlsystem, das Wählern nicht nur eine grössere Auswahl an Kandidaten gibt, sondern gemässigte Kandidaten favorisiert.

"Schnell geht hier gar nichts", sagt Mann. "Die Parteien sind derart polarisiert das sich zur Zeit fast gar nichts bewegt."

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