Wo der Glaube noch Berge versetzt
31. Juli 2002Bei seinem Kurzbesuch in Guatemala hat das Oberhaupt der katholischen Kirche den Franziskaner-Mönch Pedro de San José Betancur 335 Jahre nach dessen Tod heilig gesprochen. Staatspräsident Portillo nutzte den Papstbesuch, um die Abschaffung der Todesstrafe in dem mittelamerikanischen Land anzukündigen. Für 36 Todeskandidaten in Guatemalas Gefängnissen verfügte Portillo die sofortige Aussetzung der Hinrichtung.
Sechs Jahre nach dem Ende des längsten und blutigsten Bürgerkriegs in Mittelamerika setzen Kirche und Staat damit ein Zeichen der Versöhnung und des Friedens. Bei seinem Besuch im Frühjahr 1996 hatte das Kirchenoberhaupt mit allem Nachdruck Regierung und Rebellen gedrängt, den Bürgerkrieg zu beenden.
Frieden und soziale Fürsorge
Die Heiligsprechung von Ordensgründer und Armen-Missionar Pedro de San Jose Betancur gilt zudem als ein Signal des Aufbruchs an die ärmsten Bevölkerungsschichten des Landes. Geboren um 1626 auf Teneriffa, ging Betancur mit 23 Jahren nach Lateinamerika und kümmerte sich in Guatemala um die Ärmsten der Armen. Besonders engagierte er sich für die Alphabetisierung und die Krankenpflege unter der eingeborenen Bevölkerung.
Johannes Paul II. erwartet sich von der Heiligsprechung "Anstöße für eine gesellschaftliche Erneuerung in Guatemala". Diese lässt noch immer auf sich warten. Misswirtschaft, fallende Kaffeepreise auf dem Weltmarkt, Korruption und Gewalt behindern die Normalisierung.
Heiligsprechungen als Instrument
Bedeutsam für die katholische Kirche ist auch der anschließende Besuch in Mexiko. Dort wird der Papst den aztekischen Ureinwohner Juan Diego, einen Nichtchristen, heilig sprechen. Ihm soll im Jahr 1531 die Jungfrau von Guadalupe erschienen sein - strittig ist allerdings die Existenz Juan Diegos.
Seit einem halben Jahrtausend zählen die Indios in Lateinamerika zu den gläubigsten Katholiken weltweit. Doch bislang konnten sie keinen Heiligen aus ihren eigenen Reihen verehren. Dass der Papst gerade jetzt den Indios seine Aufmerksamkeit widmet, ist kein Zufall: Der Katholizismus verliert an Boden. Zulauf verzeichnen hingegen die evangelischen Gemeinden. Ihre Geistlichen haben in den vergangenen Jahrzehnten viel Zeit im direkten Kontakt mit den Völkern verbracht und auch deren Sprachen erlernt. Diese Nähe haben die katholischen Priester nicht gepflegt. Auch der Zölibat ist für die Indios eine unverständliche Einrichtung. Die katholische Missionsarbeit steht deshalb zunehmend unter Druck, nicht zuletzt deshalb, weil sie die Ureinwohner Lateinarmerikas stets als Objekte behandelte, nicht aber deren kulturelle Wurzeln respektierte. (dk)